Auf einen Nachfrage-Boom gar historischen Ausmaßes treffen die deutschen Hersteller von Chemieanlagen in den USA. Die Erschließung der Schiefergasvorräte soll zu Investitionen in chemische Anlagen von rund zwei Billionen Dollar in den kommenden zwei Jahrzehnten führen. 2013 schnellte der Umsatz deutscher Chemieanlagenbauer mit den USA bereits um 400 Prozent auf über eine Milliarde Dollar hoch. Der Chemieanlagenhersteller Linde will zwischen 2013 und 2017 in den USA zwischen drei und sechs neue Verarbeitungsanlagen für Erdgas errichten. ThyssenKrupp Industrial Solutions kann sich aufgrund des Erdgasbooms über die Bestellung von drei Düngemittelanlagen freuen.
Fragt sich nur, wie nachhaltig der Industrie-Hype in den USA ist. Nach Einschätzung von Bain-Berater Schmiedeberg geht es um weit mehr als einen flüchtigen Trend. Das Comeback der US-Industrie läute „ein neues Kapitel der Weltwirtschaft“ ein: „Weil die Kostenvorteile der Schwellenländer schrumpfen, werden alte Industrienationen wie die USA wieder wettbewerbsfähig. Die jahrzehntelange, einseitige Verlagerung von Industrieproduktion in Billiglohnländer hat ihren Höhepunkt überschritten.“
Ins gleiche Horn stößt die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG). Sie prognostiziert, dass von 2015 an die Gesamtkosten der Produktion in den USA nicht mehr höher sein werden als in China. Die Vereinigten Staaten werden dann, sagt BCG-Berater Harold Sirkin, „einer der günstigsten Produktionsstandorte der entwickelten Welt sein“.
Die zehn wettbewerbsfähigsten Länder der Welt
Unter den Top 10 der wettbewerbsfähigsten Ländern befinden sich gleich drei skandinavische Staaten. Den Anfang macht Norwegen auf Rang 10. Damit verliert das Land im Vergleich zum Vorjahr vier Plätze. Nahezu unschlagbar ist Norwegen in den Punkten gesellschaftliche Rahmenbedingung, Produktivität und Effizienz, sowie politischer Stabilität. Doch die Steuerlast und die Einkommen sind sehr hoch. Das macht es für Unternehmen in dem Land schwer, konkurrenzfähige Preise zu bieten.
Neu vertreten unter den zehn wettbewerbsfähigsten Ländern der Welt ist Dänemark. Die Skandinavier klettern um drei Plätze nach oben. Das Land weist die geringste soziale Ungleichheit auf (Rang eins beim Gini-Index), kennt das Wort Korruption praktisch nicht (Rang eins) und hat einen äußerst flexiblen Arbeitsmarkt (Rang zwei). Auf der Negativseite steht die hohe Besteuerung von Konsumgütern (Rang 49) und dem Einkommen (Rang 59) .
Auch die Vereinigten Arabischen Emirate verteidigen ihren Platz in den Top 10. Von Platz 16 im Jahr 2012 ging es 2013 und 2014 hoch auf Rang acht. Die Emirate gelten als der Knotenpunkt für Tourismus, Handel und Luftfahrt. Im Ranking punkten die Arabischen Emirate besonders mit den Unternehmenssteuern (Platz eins im weltweiten Vergleich), den Umsatzsteuern (Platz eins), der Einkommenssteuer (Platz eins), den Sozialversicherungsbeiträgen, der Bürokratie und dem Altersdurchschnitt der Gesellschaft. Auch beim Image, der Erfahrung und der Bereitschaft, ausländische Fachkräfte anzuheuern, kann das Land punkten. Mau sieht es dagegen mit der Beschäftigungsrate von Frauen aus.
Kanada festigt den siebten Platz. Das Land gilt wegen seiner Facharbeiter, der politischen Stabilität, dem hohen Bildungslevel, der guten Infrastruktur und dem unternehmerfreundlichen Umfeld als besonders attraktiv für Unternehmen.
Gleich drei Ränge nach oben geht es für Deutschland. Der positive Trend setzt sich damit fort. Berlin belegte im Jahr 2007 noch Rang 16. Besonders gut steht Deutschland unter anderem bei der Jugendarbeitslosigkeit (weltweit Rang fünf), Export (weltweit Rang drei) und der Diversifizierung der Wirtschaftstätigkeit (Rang zwei) da. Auch bei Ausbildung und Lehre (Platz eins), Fortbildungen (Platz zwei), Produktivität der Arbeitskräfte und kleinen und mittelständischen Unternehmen (jeweils Platz eins) macht Deutschland keiner etwas vor. Bei Sozialversicherungsbeiträgen (Rang 54), Arbeitsstunden (Rang 53) oder dem Ausbau von Highspeed-Breitband (Rang 53) kann Deutschland noch etwas lernen.
Schweden kommt in dem internationalen Vergleichsranking als zweitbeste europäische Nation auf einen guten fünften Platz. 2013 hatte es zwar noch für Rang vier gereicht, dennoch ist das nordische Land optimal für den globalen Wettbewerb aufgestellt - ganz anders als etwa 2007, als das Land nur Platz 19 belegte. Besonders in den Bereichen Bildung, Gesundheitsversorgung, Management und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist das skandinavische Land unschlagbar. Auch die Produktivität der Firmen und das Finanz-Know-How sind weltspitze.
Um einen Platz nach unten geht es für die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong. 2012 hatte es die chinesische Metropole noch auf Platz eins geschafft. Unternehmen aus aller Welt schätzen Hongkong besonders wegen der attraktiven und wettbewerbsfähigen Besteuerung der Unternehmen, dem wirksamen Rechtssystem, der unternehmerfreundlichen Umgebung, der verlässlichen Infrastruktur und der dynamischen Wirtschaftsentwicklung. Ganz gut steht Hongkong auch bei der Höhe der Steuersätze für die Bürger, dem Bank- und Finanzsektor sowie den Direktinvestitionen da.
Vom fünften auf den dritte Platz geht in diesem Jahr für Singapur. Das asiatische Land wird von Unternehmen wegen seiner kompetenten Regierung, der verlässlichen Infrastruktur, dem wirksamen Rechtssystem und dem stabilen politischen System sowie seiner Unternehmerfreundlichkeit geschätzt.
Der zweite Platz geht - wie im Vorjahr - an die Schweiz. Der kleine Alpenstaat mit seinen nur rund acht Millionen Einwohnern punktet besonders mit sehr gut ausgebildeten Fachkräften und hohen wissenschaftlichen Standards. Unternehmen aus aller Welt schätzen die politische Stabilität in der Schweiz genauso wie die gut ausgebildeten Arbeitskräfte vor Ort, die hohe Bildung, die herrschenden Steuersätze und die verlässliche Infrastruktur.
Die wirtschaftlich stärkste und wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft der Welt sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Zu diesem Ergebnis kommt das IMD World Competitiveness Center in seiner aktuellen Vergleichsstudie. Demnach punktet die US-Amerikaner mit einer dynamische Wirtschaft, qualifizierten Arbeitskräften, den guten Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten, sowie den starken Fokus auf Forschung und Entwicklung.
China verliert seinen Standortvorteil
Begonnen hatte die Zeitwende 2010. Seither kletterte die Zahl der Jobs in der industriellen Fertigung der USA langsam, aber stetig – um rund 600 000 auf derzeit 12,1 Millionen. Zu den bekanntesten Ursachen gehören die gesunkenen Energiepreisen durch die massive Erschließung neuer Schiefergasvorräte. Dadurch ist Erdgas heute in den Vereinigten Staaten rund zwei Drittel günstiger zu haben als in Europa oder China. Strom kostet in den USA nicht wesentlich mehr als in China.
Weniger ins öffentliche Bewusstsein gedrungen ist die Annäherung der USA an China bei den Gesamtproduktionskosten aufgrund der Lohnentwicklung. Während die Lohnstückkosten in den USA seit 2000 nahezu unverändert blieben, verdreifachten sie sich in China. Zwar verdient ein chinesischer Fabrikarbeiter mit durchschnittlich vier Euro pro Stunde nur ein Sechstel eines US-Arbeiters. Doch weil chinesische Fabriken für vergleichbare Arbeiten auch bis zu zehn Mal mehr Arbeiter benötigen, schmilzt der Standortvorteil im Reich der Mitte rasant.
Lage der USA
Die USA haben Schulden in Höhe von 17,557 Billionen US-Dollar (Stand: 1. Juli 2014). Bis zum Ende des Jahres sollen die Schulden auf 18,52 Billionen Dollar steigen. Das wären 105,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Das Haushaltsdefizit soll in diesem Jahr bei 6,4 Prozent liegen. Ende 2013 stand ein Minus von 7,3 Prozent zu Buche.
Die Arbeitslosenquote lag im Juni 2014 bei 6,3 Prozent. Seit Jahresbeginn hat sich die Zahl damit nur um 0,3 Prozent verbessert.
Zudem ist das durchschnittliche Lohnniveau in den USA wenig aussagekräftig. In den südlichen US-Bundesstaaten, wo die Gewerkschaften wenig Einfluss haben und wo sich die Industrie derzeit bevorzugt ansiedelt, wird der US-Durchschnittslohn von 35 Dollar praktisch nie gezahlt. Bandarbeiter, die im Passat-Werk von Volkswagen im Bundesstaat Tennessee anheuern, müssen sich mit Stundenlöhnen zwischen 14,50 Dollar und 19,50 Dollar zufriedengeben.
Immer mehr Unternehmen holen ihre Produktion zurück in die USA
Nach Meinung von Bain kommen weitere Faktoren hinzu, die den Industrieboom in den USA sehr zur Freude deutscher Exporteure begünstigen. So ist die Infrastruktur in den Vereinigten Staaten den Verkehrswegen und der Stromversorgung vieler Schwellenländer deutlich überlegen. Das Wachstum der Bevölkerung von derzeit 318 auf rund 400 Millionen Amerikaner im Jahr 2050 sorgt für einen Nachschub an Arbeitskräften. Und die hohe IT-Kompetenz in Internet-Innovationshochburgen wie dem Silicon Valley oder New York sind weltweit unübertroffen.
Vor diesem Hintergrund macht in den USA ein neues Zauberwort die Runde: „Reshoring“, das Gegenteil von „Offshoring“, also die Rückverlagerung einst ausgelagerter Fertigungsstätten. Es gibt sogar schon eine entsprechende Lobby-Gruppe, die „Reshoring Initiative“ im Bundesstaat Illinois. Von hier verbreitet Harry Moser, Präsident der Organisation, Optimismus. Seit 2010 haben nach seiner Rechnung rund 200 Unternehmen Produktion in die USA zurückgeholt.