Vale nach Katastrophe unter Druck „Das ist die traurige Konsequenz davon, dass die Unternehmen nichts gelernt haben“

Am Freitag brach ein Damm an der Mine Córrego do Feijão des brasilianischen Bergbaukonzerns Vale im Bundesstaat Minas Gerais. Quelle: imago images

Nach dem Dammbruch in einer Eisenerzmine in Brasilien rollt eine tödliche Mischung aus Wasser, Geröll und Erde über Menschen hinweg. Jetzt wächst der Druck auf den Bergbaukonzern Vale. Es ist nicht das erste Mal, dass er in der Kritik steht.

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Die Schlammlawine riss alles mit, was ihr im Wege stand: Häuser, Menschen, Tiere. „Ich habe alles verloren. Wir sind gerannt, meine Frau und mein Enkel, nur mit unserer Kleidung am Körper“, sagte Virgilio Fernandes Pessoa am Wochenende der Zeitung „Estado de Minas“. „Ich habe 40 Jahre lang gelitten und gekämpft und jetzt in fünf Minuten alles verloren. Das ist nicht fair.“

Nach dem Dammbruch an der Eisenerzmine Córrego do Feijão im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais offenbaren sich immer neue Schicksale. Die Zahl der bestätigten Todesopfer liegt mittlerweile bei 58. Und sie steigt weiter. Mehr als 300 Menschen werden nach dem Unglück noch immer vermisst. „Es sind viele Vermisste. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie tot sind, ist erheblich gestiegen“, sagte der Minister für regionale Entwicklung, Gustavo Canuto.

Der Damm an der Mine des brasilianischen Bergbaukonzerns Vale war am Freitag gebrochen. Insgesamt ergossen sich nach Angaben des Minenbesitzers rund zwölf Millionen Kubikmeter Schlamm über die Anlage und die nahe liegenden Siedlungen.

Wie es genau zu dem Unfall kam, sei noch unklar, sagte Vale-Präsident Fábio Schvartsman. Er sprach von einer „fürchterlichen Tragödie“. Die Staatsanwaltschaft leitete eine Untersuchung ein, um die Verantwortlichen für das Unglück zu ermitteln. „Wir tun alles, um die Sicherheit und Stabilität der Dämme sicherzustellen“, sagte Vale-Chef Schvartsman in einer Erklärung. Der TÜV Süd hatte die Dämme im vergangenen Jahr geprüft, wie das Unternehmen auf Anfrage bestätigte. „Wir werden die Ermittlungen vollumfänglich unterstützen und den Ermittlungsbehörden alle benötigen Unterlagen zur Verfügung stellen“, teilte TÜV Süd mit.

Staatliche Gerichte und das Justizministerium des brasilianischen Bundesstaates Minas Gerais froren am Wochenende rund drei Milliarden Dollar an Vale-Vermögen für staatliche Notfalldienste ein. Brasiliens Umweltministerium kündigte zudem eine Strafe in Höhe von 250 Millionen Reais (58 Millionen Euro) gegen den Konzern an.

Zu den Vale-Kunden zählen auch deutsche Unternehmen

Vale legte infolgedessen seine geplante Dividenden, Aktienrückkäufe und Manager-Boni auf Eis, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters in Berufung auf Börsenunterlagen. Vale ist mit einem Marktanteil von rund 35 Prozent der weltgrößte Eisenerz-Konzern. Mit einem Umsatz von 34,1 Milliarden und einem Gewinn von 4,6 Milliarden US-Dollar (Geschäftsjahr 2017) liegt der Bergbaukonzern laut des Forbes-Global-2000-Rankings auf Platz 132 der weltgrößten Unternehmen. Zu seinen Kunden zählen auch viele deutsche Unternehmen. So wird etwa Thyssenkrupp von dem Bergbaukonzern aus Brasilien beliefert und auch viele deutsche Autos werden mit Stahl aus dem Eisenerz der Unfall-Mine gebaut.

Über die teils verheerenden, menschenverachtenden Bedingungen bei der Rohstoffgewinnung – für die Autoindustrie – berichtete die WirtschaftsWoche bereits im Oktober 2017 in einem Spezial. Darin werden die Schicksale hinter der Förderung von Eisen, Kobalt, Kupfer, Graphit und Platin geschildert.

Der Dammbruch an der Eisenerzmine Córrego do Feijão ist nicht der erste Unfall dieser Art in Brasilien – und es ist nicht das erste Mal, dass Vale in die Kritik gerät. Im Jahr 2015 gab es in Minas Gerais bereits ein ähnliches Unglück. Bei der „Tragödie von Mariana“ kam es in einem Eisenerzbergwerk zu einem Dammbruch an einem Rückhaltebecken. Damals kamen 19 Menschen ums Leben. Eine riesige Welle mit Schlamm und schädlichen Stoffen ergoss sich damals in angrenzende Ortschaften und kontaminierte den Fluss Rio Doce auf rund 650 Kilometern Länge, bis in den Atlantik floss die braunrote Brühe. Das damalige Betreiberunternehmen Samarco gehörte ebenfalls Vale sowie dem australisch-britischen Konzern BHP.

„Diese neue Katastrophe ist die traurige Konsequenz davon, dass die brasilianische Regierung und die Bergbauunternehmen nichts dazugelernt haben“, sagte Nilo D’Ávila von der Umweltorganisation Greenpeace. „Das ist kein Unfall, sondern ein Umweltverbrechen, das bestraft werden muss.“

Viele Rohstoffe, die für die Autoproduktion gebraucht werden, bezahlen die Erzeugerländer mit der Zerstörung ihrer Umwelt, mit Kinderarbeit und Menschenleben. Wie gehen Deutschlands Autohersteller damit um? Unsere interaktive Reportage aus dem Jahr 2017 zeigt es.

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