Boom in Ellwangen Knopfbatterien bescheren Varta Umsatzsprung

Varta-Knopfbatterien sind klein und leistungsstark. Neben Samsung gehören zu den Kunden von Varta auch andere Tech-Riesen wie Apple, Bose, Sony, Bang & Olufsen, JBL, und Sennheiser. Quelle: dpa

Varta kann auch dank seiner Knopfzellen Umsatz und Gewinn weiter steigern. Die Batterien sorgen für großes Interesse bei Tech-Riesen wie Samsung und Apple. Grund dafür ist ein bestimmter Trend.

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Der Batteriekonzern Varta hat im ersten Halbjahr ein rasantes Wachstum hingelegt. Der Umsatz stieg auch dank eines Zukaufs um knapp 158 Prozent auf 390,7 Millionen Euro, wie das MDax-Unternehmen am Freitag in Ellwangen mitteilte. Ohne die Übernahme der Geschäfte mit Varta-Konsumentenbatterien wäre der Erlös aber auch um zwei Drittel geklettert.

Der Konzern profitiert momentan enorm von der starken Nachfrage nach seinen wiederaufladbaren Lithium-Ionen Zellen für Unterhaltungsprodukte wie etwa kabellose Premium-Kopfhörer. Die Folge: Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen verdreifachte sich nahezu auf 102,1 Millionen Euro. Unter dem Strich stand ein Nettogewinn von 39,9 Millionen Euro und damit doppelt so viel wie vor einem Jahr.

Mittlerweile dreht sich bei dem Batteriehersteller viel um seine Knopfzellen. So hat Varta bereits Anfang August einen Streit mit dem Technologiekonzern Samsung um Patentverletzungen beigelegt. Stattdessen sei mit dem südkoreanischen Unternehmen ein Liefervertrag abgeschlossen worden, teilte Varta in Ellwangen mit. Varta bleibt damit nach eigenen Angaben in den kommenden Jahren der Hauptlieferant für wiederaufladbare Batterien für die Headsets von Samsung.

Genau darum ging es auch bei dem Streit zwischen Varta und seinem Großkunden: Samsung soll in Kopfhörern die Knopfzellen anderer Lieferanten verbaut haben, auf die Varta das Patent hat. Varta ging vor Gericht, hat nun aber alle Klagen gegen Samsung und deren Kunden zurückgezogen, hieß es aus Ellwangen. „Wir freuen uns, dass wir die Geschäftsbeziehungen mit Samsung noch einmal intensivieren können“, sagte Varta-Chef Herbert Schein, 54, damals. Einigungen mit anderen Herstellern von sogenannten Wearables (zum Beispiel Smartwatches und Fitness-Armbänder) sollten bald folgen, teilte Varta mit.

Varta schreibt derzeit eine der erstaunlichsten Erfolgsgeschichten der deutschen Industrie. Der Batteriehersteller hat früh erkannt, dass Leute kabellose Kopfhörer lieben, und kräftig in Forschung investiert: Varta-Knopfbatterien sind klein und leistungsstark. Neben Samsung gehören zu den Kunden von Varta auch andere Tech-Riesen wie Apple, Bose, Sony, Bang & Olufsen, JBL, und Sennheiser.

Die Nachrichtenagentur Bloomberg bezeichnet Varta als Deutschlands „heißesten Börsenwert“. 2019 hat sich der Kurs der Aktie verdreifacht. Für Commerzbank-Analyst Stephan Klepp ist selbst das „erst der Anfang“.

Alleine das Geschäft mit dem US-Konzern Apple scheint ein lohendes Geschäft für das Unternehmen mit Sitz in Ellwangen, Baden-Württemberg, zu sein. Offiziell sagt Varta-Chef Schein auf die Frage, ob sein Unternehmen Batterien für die Airpods liefert – die meistverkauften kabellosen Kopfhörer der Welt –, zwar, dass „einzelne Kundenprojekte der Vertraulichkeit unterliegen“. Dabei ist es in der Branche ein offenes Geheimnis, dass Varta den US-Konzern beliefert. Apple hat in der Vergangenheit rund 30 Millionen Kopfhörer pro Jahr verkauft, das macht 60 Millionen Batterien. Von seinen Airpods Pro will der Konzern noch mehr absetzen. Batterielieferant Varta erhöht daher bis Jahresende die Gesamtkapazität auf 60 Millionen Lithium-Ionen-Knopfzellen. 2020 entsteht eine neue Lithium-Ionen-Fabrik. Bis 2022 will Varta den Jahresausstoß auf 150 Millionen Batterien hochfahren.

Herbert Schein sorgt für Batterie-Aufschwung

Der Erfolg von Varta ist eng mit dem Namen Herbert Schein verbunden. Seit 27 Jahren arbeitet er für Varta in der grau-blauen Firmenzentrale, neben Bahngleisen und der ruhig dahinfließenden Jagst. Die WirtschaftsWoche hat ihn vergangenes Jahr besucht: Im Eckbüro im ersten Stock blickt er auf die Hochregal-Großbaustelle. Schein trägt Anzug, spricht langsam und kontrolliert, das leicht rollende R verrät seine Herkunft. Er studierte Elektrotechnik in Augsburg, fing als 27-Jähriger bei Varta an und leitet die Firma seit Anfang 2016.

„Herbert Schein ist ein Batteriemann durch und durch“, lobt sein ehemaliger Finanzchef Hannes Höhmüller. Schein sei „detailversessen und harmoniesüchtig“, dabei „sehr bodenständig und konservativ“, sagt ein Kollege. Bei Varta scheint das erfolgsversprechend zu sein. Schein, so lässt es der Erfolg Vartas vermuten, scheint sehr vieles genau richtig zu machen.

Kabellose Kopfhörer boomen. Das US-Techportal The Verge rief kürzlich die „Ära der true wireless-Ohrhörer“ aus. Diese „echt Kabellosen“ werden so genannt, weil sie im Unterschied zu Bluetooth-Stöpseln, die noch mit Kabel verbunden sind, ganz ohne auskommen. Der Markt wächst pro Jahr um rund 30 Prozent. Und weil die Mikrobatterien aus Ellwangen eine um 30 Prozent höhere Energiedichte aufweisen als die der Konkurrenz und weil Varta auch noch die Maschinen zur Produktion selbst herstellt, trachten alle Techkonzerne dieser Welt nach der Technik der Schwaben.

Die Grundlage für diesen Erfolg legte Schein mit einem biederen Segment: 2001 baut er die Varta-Einheit für Hörgerätebatterien auf, damals musste sich Varta mit 13 Wettbewerbern messen. „Heute haben wir noch zwei“, sagt Schein, „wovon einer sehr klein ist.“ Vartas Weltmarktführerschaft bei Hörgerätebatterien sei leicht zu erklären: Jedes Jahr neue Innovationen, höhere Energiedichten mit immer längeren Laufzeiten – „das konnten die Wettbewerber auf Dauer nicht mitgehen“, doziert der Chef. „Deshalb haben fast alle Wettbewerber ihre Produktion eingestellt und Hörgerätebatterien von uns gekauft. Die gleiche Strategie verfolgen wir jetzt bei den Lithium-Ionen-Batterien.“

Mit finanzieller Unterstützung des Bundes und der Länder Baden-Württemberg und Bayern in Höhe von rund 300 Millionen Euro will Varta nun die nächste Generation Lithium-Ionen-Zellen erforschen und eine Massenproduktion aufbauen.

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