Vattenfall Tschechen kaufen deutsche Braunkohle

Der Energiekonzern Vattenfall hat tatsächlich einen Käufer für seine Braunkohleförderung in Ostdeutschland gefunden. Die tschechische EPH übernimmt den Klimakiller Nummer eins. Aber das Geschäft wirft Fragen auf.

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Vattenfall gehören in Brandenburg und Sachsen vier Kohlegruben und drei Kohlekraftwerke. Quelle: dpa

Stockholm Die Förderung von Braunkohle in Ostdeutschland wird künftig komplett aus Tschechien organisiert. Der tschechische Energiekonzern Energeticky a Prumyslovy Holding (EPH) wird gemeinsam mit dem Finanzpartner PPF Investments Ltd die Aktivitäten von Vattenfall in der Region, die zweitgrößten in Deutschland, übernehmen. Das teilten die Unternehmen am Montag Mittag mit.

EPH gehört schon die Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft (Mibrag), die Nummer drei. Das Unternehmen wird damit im Osten für den Abbau des umstrittenen Energieträgers verantwortlich sein, während im Westen, im rheinischen Revier, RWE Braunkohle fördert.

Vattenfall gibt vier Tagebaubetriebe sowie drei Braunkohlekraftwerke ab. Ein viertes Kraftwerk wird gemeinsam mit EnBW betrieben. Man habe sich auf einen symbolischer Verkaufspreis geeinigte, heißt es. Darüber hinaus muss das Unternehmen den Käufer mit einer Milliardensumme ausstatten, damit dieser die hohen Verbindlichkeiten tragen kann. Die Sparte wird mit einem Cash-Bestand von 1,7 Milliarden Euro ausgestattet.
„Wegen unseres Engagements im Mitteldeutschen Braunkohlerevier“ sind wir überzeugt, dass EPH Vattenfalls Braunkohleaktivitäten trotz der derzeit schwierigen Rahmenbedingungen verantwortungsvoll betreiben kann“, sagte Jan Springl, das zuständige Vorstandsmitglied von EPH.

Vattenfall-Chef Magnus Hall wird froh sein, überhaupt einen Käufer gefunden zu haben. Das Interesse war gering. Einige Interessenten hatten schon früh abgewunken. Andere, wie der ebenfalls tschechische Energiekonzern CEZ, schreckten kurz vor Ende der Frist doch noch vor der Abgabe eines verbindliches Gebots zurück. Neben EPH hatte nur die ebenfalls aus Tschechien stammende Kohlegesellschaft Czech Coal öffentlich bestätigt, ein Gebot abgegeben zu haben. Auf dem Tisch hatte das Vattenfall-Management bis zuletzt aber auch das Angebot des deutschen Stromproduzenten Steag und des Finanzinvestors Macquarie liegen, die Vattenfalls Aktivitäten in eine Stiftung einbringen wollten.

Die Rahmenbedingungen für den Verkauf sind schließlich schlecht - und sie haben sich während des Verkaufsprozesses noch verschlechtert. Zum einen übernimmt EPH ein Geschäft mit begrenzter Laufzeit. Es ist klar, dass die Förderung in den Jahren nach 2030 auslaufen wird. Braunkohle, die als Klimakiller Nummer eins gilt, wird langfristig nicht zur deutschen Energiewende passen. Zum anderen hat sich die Rentabilität der Braunkohlekraftwerke radikal verschlechtert.

Wenn das letzte Kernkraftwerk vom Netz geht

Noch Ende 2014, als Vattenfall den Prozess gestartet hat, war davon auszugehen, dass die Aktivitäten noch einige Jahre ordentliche Gewinne abwerfen. Braunkohle ist schließlich ein vergleichsweise günstiger Energieträger.

Damals kostete Strom im Großhandel noch mehr als 30 Euro je Megawattstunde. In der Zwischenzeit ist der Preis im Terminmarkt der Energiebörse EEX aber abgestürzt. Für die Jahre 2017 bis 2021 kostet die Megawattstunde nur noch gut 22 Euro. Bei diesen Preisen dürften die drei Braunkohlekraftwerke, die Vattenfall mit verkauft, in die Verlustzone rutschen.

EPH setzt darauf, dass die Strompreise ab 2022, wenn das letzte deutsche Kernkraftwerk vom Netz geht wieder anziehen.

In mit der Transaktion vertrauten Kreisen wird dies bezweifelt. Es wird stattdessen vor Risiken für die 7500 betroffenen Mitarbeiter und den Steuerzahler gewarnt. EPH übernimmt die Verantwortung für den geordneten Ausstieg aus dem Braunkohletagebau. Die Felder müssen zurück gebaut und rekultiviert werden. Dafür sind Milliarden fällig. In den Kreisen wird der Bedarf auf 3,5 Milliarden Euro geschätzt.

Vattenfall wird EPH zwar einen Ausgleich für die Verbindlichkeiten bezahlen. Diese werden insgesamt – für Rekultivierung, Pensionen und andere Verpflichtungen – mit 2,0 Milliarden Euro beziffert. Es bestehe aber die Gefahr, dass die Summe bereits in den kommenden Jahren wegen den niedrigen Strompreisen aufgezehrt werde, hieß es in den Kreisen.

Steag und Macquarie wollten mit der Stiftung die nötigen Gelder für Rückbau und Rekultivierung sichern. Allerdings wäre die Lösung für Vattenfall wohl deutlich teurer geworden. Die beiden Partner verlangten wohl eine Einlage von rund drei Milliarden Euro, wie es in den Kreisen hieß.

Gewerkschaft fordert langfristige Verlässlichkeit

„Wegen der derzeit schwierigen Marktbedingungen war es eine Kernfrage in den Verhandlungen, dass das Unternehmen mit ausreichend Cash-Reserven ausgestattet wird“, betonte EPH-Manager Springl. Sein Unternehmen werde allen Verpflichtungen nachkommen. Das Konsortium will in den kommenden Jahren auf Dividenden verzichten.

Die Gewerkschaft nahm EPH bereits in die Pflicht: „Wir erwarten von EPH eine Unternehmensstrategie, die der Bedeutung der ostdeutschen Braunkohle für die soziale Stabilität und die regionale Entwicklung genauso Rechnung trägt wie für die langfristige Sicherheit der Energieversorgung in Deutschland“, erklärte der Vorsitzende der IGBCE, Michael Vassiliadis. Er nahm aber auch die Politik in die Pflicht: „Wir sind uns bewusst, dass ein Eigentümer-Wechsel nichts an den energiepolitischen Rahmenbedingungen und den offenen Fragen der Energiewende ändert.“ Die IG BCE werde daher in der energiepolitischen Debatte weiterhin langfristige Verlässlichkeit und Orientierung einfordern.“

Fossile Energieträger bleiben notwendig, solange weder Speichermöglichkeiten für Strom aus erneuerbaren Energien entwickelt sind noch der erforderliche Netzausbau vorangekommen ist.“ Allein schon aus Gründen der Versorgungssicherheit müsse die Politik die Energiewirtschaft so gestalten, „dass auch die ostdeutsche Braunkohle ihren Beitrag dazu tatsächlich erbringen kann“.

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