Veganuary Vegane Ernährung: Kommt nun das Wettrüsten auf dem Lebensmittelmarkt?

Junge Frau mit einem Vegan-Shirt. Quelle: Getty Images

Ist vegan überhaupt noch ein Trend? Mit dem Veganuary haben Fans des Ernährungsstils ein echtes Werbemittel erfunden, eine Art Probephase, die auch immer mehr Unternehmen wie Aldi und Lidl für sich zu nutzen wissen.

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Beim Aufschlagen einer Januarausgabe des Aldi-Prospekts sprang einem auch dieses Jahr wieder der Veganuary und die verschiedenen passenden Produkte entgegen: vegane Baconwürfel der Eigenmarke „Mein Veggie Tag“, vegane Pasta Topping von Terra Vegan, die thunfischfreie Thunfisch-Pizza von BettaF!sh oder vollkommen tierfreie Produkte von „Katjes“. Aldi machte bereits zum dritten Mal beim Veganuary mit, wollte seinen Konsumierenden damit zeigen, dass der „vegane Probemonat ein idealer Einstieg in die rein pflanzliche Lebensweise“ ist, erklärt Joachim Wehner von Aldi Nord. Laut dem Discounter hat Aldi neben Obst und Gemüse mittlerweile über 500 Produkte im Sortiment, die als vegan gekennzeichnet sind. Man wolle zeigen, „dass eine vegane Lebensweise keineswegs kompliziert oder teuer sein muss oder gar einseitig ist“, so Wehner. Aldi wolle Konsumenten mit der Teilnahme am Veganuary bei der veganen Ernährung unterstützen“, erklärt Dr. Annett Werny, Leiterin Unternehmensverantwortung bei Aldi Süd. Dafür werde im Januar aus dem Angebot „Frisch durch die Woche“ zwei Mal zu „Vegan durch die Woche“.

Neujahrsvorsatz: Vegane Ernährung

Beim Veganuary stellen sich die Teilnehmenden der Herausforderung einen Monat lang die vegane Ernährungsweise auszuprobieren. Immer mehr Deutsche nehmen seit Jahren daran teil – und viele bleiben auch nach dem Januar weiterhin vegan. Für die Teilnahme am Veganuary gibt es verschiedene Gründe. Sie reichen vom Umweltaspekt über gesündere Ernährung bis hin zum Abnehmen.

Eine YouGov-Studie zeigt, dass sich für das Jahr 2022 gut ein Drittel der Deutschen Neujahrsvorsätze vorgenommen haben und in diesem Jahr etwas an ihrem Leben ändern wollen. Laut Statista setzen dabei fast die Hälfte aller Befragten auf eine gesündere Ernährung (49 Prozent), 42 Prozent wollen abnehmen. Sieben Prozent der Befragten haben sich konkret vorgenommen 2022 Vegetarier oder Veganer zu werden. Damit liegen sie im Trend: Laut Statista waren es 2015 noch 0,85 Millionen und 2020 schon 1,13 Millionen, die auf tierische Produkte verzichten.

Eine pflanzenbetonte Ernährung, erklärt Antje Gahl von der deutschen Gesellschaft für Ernährung, kann das Risiko für einige Krebsformen reduzieren und eine bessere Versorgung mit Mineralstoffen und Vitaminen fördern: „Dazu gehören die Vitamine C, E, B1 sowie Folat, Magnesium und Kalium.“ Gleichzeitig müsse aber auf eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen geachtet werden, die unter anderem nur oder hauptsächlich in tierischen Produkten zu finden sind. „Dazu gehört zum Beispiel das Vitamin B12, welches von Veganern supplementiert wird.“ Ebenfalls müsse auf Omega-3-Fettsäuren sowie Kalzium, Eisen, Jod, Zink und Selen geachtet werden. Wer seine Lebensweise mit einer veganen oder vegetarischen Ernährung ändern möchte, sollte daher auf eine ausreichende Menge Obst, Gemüse sowie Hülsenfrüchte, Vollkorn, Getreideprodukte und Nüsse achten, so Ernährungsexpertin Gahl. Für viele gehören auch Fleischersatz oder Milchalternativen zu einer vegetarischen oder veganen Ernährung dazu.

Laut der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) nutzten vergangenes Jahr vor allem junge Menschen im Alter zwischen 14 und 29 Jahren, tierfreie Ersatzprodukte: 17 Prozent von ihnen konsumierten mindestens einmal täglich vegetarische oder vegane Ersatzprodukte. Das Interesse sei da, insgesamt 40 Prozent aufgeteilt auf fünf Prozent Veganer, acht Prozent Vegetarier und 27 Prozent Flexitarier gibt es laut BVE in Deutschland. Die leben übrigens bevorzugt in der Stadt: Je größter das Ballungsgebiet, desto höher der Anteil an Flexitariern, Vegetariern und Veganern, erklärt BVE-Geschäftsführerin Stefanie Sabet: „In Orten mit weniger als 5000 Einwohnern liegt der Anteil bei 20 Prozent. Bei Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern sind es 46 Prozent, die regelmäßig Ersatzprodukte kaufen.“

Immer mehr vegane Ersatzprodukte am Markt

Von einem Trend könne bei dieser Entwicklung längst keine Rede mehr sein, sagt Sabet: „Dafür ist es jetzt schon zu langfristig. Vor fünf Jahren gab es ungefähr ein Viertel bewusst Konsumierende, heute nähern wir uns der Fünfzigprozentmarke.“

Dieses Potenzial hat auch die Lebensmittelindustrie erkannt. Das deutschlandweit steigende Interesse der Verbraucher an vegetarischen und veganen Ersatzprodukten lässt sich laut Sabet mittlerweile auch an den Zahlen des Lebensmittelmarkts ablesen: „Im Allgemeinen sehen wir, dass die Produktion jährlich im zweistelligen Prozentbereich zunimmt. Das sehen wir so bei keiner anderen Produktkategorie.“ Auch die Produktion der vegetarischen und veganen Fleischalternativen hat zugenommen: 2019 wurden laut des Statistischen Bundesamts 60.400 Tonnen produziert. Allein 2020 stieg die Produktion um 39 Prozent auf 83.700 Tonnen.



Die Zahl der Produkteinführungen im Bereich der Fleisch- und Milchersatzprodukte steigert sich stetig, belegt eine Studie der BVE: Demnach lag das durchschnittliche jährliche Wachstum von Fleischersatzprodukten zwischen 2017 und 2020 bei rund 8 Prozent. Im vergangenen Jahr kamen rund 23 Prozent mehr neue Produkte auf den Markt als 2017. Speziell bei der Neueinführung von Milchersatzprodukten gab ein Jahreswachstum von 18,3 Prozent.

Bei den Unternehmen, die Ersatzprodukte anbieten, unterscheidet Sabet in zwei Arten: „Auf der einen Seite die Start-ups, die vielleicht eine Innovation haben oder mit einer Produktkategorie an den Markt wollen. Und auf der anderen Seite die etablierten Unternehmen, die auch tierische Produkte anbieten und dadurch ihr Wissen in Bezug auf Geschmack und Konsistenz auf die Ersatzprodukte anwenden können.“

Veganuary, die „Black Week“ der veganen Unternehmen

Unternehmen, die schon früh in den Markt eingestiegen sind, dominieren heute die Produktkategorie. Das kann laut Sabet mit dem First-Mover-Vorteil zusammenhängen: „Wer sich zuerst regt, hat gewisse Vorteile.“ Davon profitiert zum Beispiel Rügenwalder Mühle: „2014 haben wir als First Mover unsere ersten Fleischersatz-Produkte auf den Markt gebracht und sind Marktführer in diesem Bereich“, erklärt Claudia Hauschild, Leiterin der Unternehmenskommunikation und Nachhaltigkeitsmanagement. Vegetarische und vegane Ernährung sei „längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“

Ähnlich wie Aldi erweiterte auch Lidl zuletzt sein Sortiment: Von rund 4400 Einzelartikeln sind etwa 450 Produkte laut dem Unternehmen vegan – von Milch- und Fleischersatzprodukten wie Mozzarelli, Frischkäse, Gyros oder Schnitzel über vegane Nudeln bis hin zu Süßigkeiten und Nachspeisen. Beim Blick auf die Webseite des Discounters wird deutlich: Lidl möchte zeigen, dass das Unternehmen das Thema vegane Ernährung ernstnimmt. Auf einer Themenseite werden die veganen Produktarten von über 700 veganen Rezepten und einem Podcast professionell mit viel Marketingaufwand begleitet. Durch den Veganuary wolle man zeigen, dass pflanzliche Ernährung gar nicht so schwer sei, heißt es bei Lidl – ein ähnlicher Slogan, wie in Konkurrent Aldi zum veganen Januar präsentiert: klima- und tierfreundlichere Alternativen, für eine bewusste Ernährung – alltagstauglich und günstig.

Neben den großen Playern des Lebensmittelhandels ist der Veganuary aber auch die „Black Week“ der Produzenten veganer Lebensmittel. So nutzen auch Unternehmen wie das Start-up Endori aus Stegaurach/Bamberg, das sich seit 2015 mit vegetarischer und veganer Ernährung auseinander setzt und Fleisch- und Fischalternativen aus Erbsen produziert, besondere Veganuary-Specials um auf sich aufmerksam zu machen. Das 2013 gegründete, vegane Unternehmen Like Meat promotet beispielsweise bereits zum zweiten Mal seine Veganuary-Kampagne mit dem Rammstein-Sänger Till Lindemann. Das mittelständische Unternehmen bietet Fleischersatzprodukte aus Soja- und Erbsenprotein in Deutschland, Großbritannien, Skandinavien und den Niederlanden an.

Weil vegan jedoch nicht nur Fleisch- und Fischverzicht bedeutet, finden sich auch Süßspeisenproduzenten unter den Veganuary-Unternehmen. Ben & Jerry’s und Magnum bieten schon länger vegane Eisalternativen an, für den veganen Januar brachten sie aber noch einmal zusätzliche Produkte (frisch) ins Regal: Ben & Jerry’s präsentierte jüngst eine neue vegane Sorte und Magnum holte sei veganes Magnum Classic wegen der hohen Nachfrage wieder zurück.

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Allerdings gibt es auch einen neuen Player in der veganen Gefriertheke, der aufgrund seiner Marktgröße zeigt, wie relevant vegane Alternativen heute sind: Cremissimo. Zum Veganuary brachte sich der Marktführer beim Hauspackungseis mit der veganen Variante seines Klassikers Bourbon Vanille neu in den Markt ein. „Pflanzenbasierte Ernährung ist besser für uns und für unseren Planeten. Diese Überzeugung spiegelt sich nun in unserem Portfolio wider“, erklärt Nadja Kleszcz, Kommunikationsmanagerin beim Unilever, dem Mutterkonzern von Langnese und Cremissimo. Dafür nutzen sie auch ihre Position: „Als Marktführer erreichen wir viele Millionen Haushalte in Deutschland. Beim Veganuary möchten wir unsere Reichweiten nutzen, um noch mehr Menschen für eine vegane Ernährung zu begeistern.“ Der vegane Mainstream liegt damit heute auch im Tiefkühlfach.

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