Vernetzte Lkw Trucker müssen aufs Tempo drücken

Der Absatz der Lkw-Hersteller sinkt. Gleichzeitig wächst das Geschäft mit vernetzten Diensten. Eine Studie zeigt, dass die Truck-Hersteller massiv investieren müssen – und deutlich schneller werden sollten.

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So stellt sich Daimler die elektrische Zukunft des Lastwagens vor: Der Urban eTruck ist bislang aber nur ein Konzept. Quelle: PR

Düsseldorf Ein Herzinfarkt ist immer ein Drama. Besonders schlimm sind jedoch die Auswirkungen, wenn es einen Lastwagenfahrer trifft. Immer wieder kommt es auf deutschen Straßen zu schweren Unfällen, weil Trucker hinter dem Steuer zusammenbrechen und die Kontrolle über ihre schweren Fahrzeuge verlieren. Im Lkw der Zukunft soll das nicht mehr passieren.

Lastwagen sollen schon in den kommenden Jahren voll vernetzt unterwegs sein. Nicht nur Route, Ladung und Fahrzeugzustand sollen überwacht werden, sondern auch die Gesundheitsdaten des Fahrers. Unfälle durch einen Herzinfarkt, aber auch durch Übermüdung könnten so frühzeitig verhindert werden.

Moderne Lkw können Daten über so genannte Telematik-Systeme erheben und austauschen. Das soll nicht nur die Sicherheit erhöhen, sondern auch das Geschäft effizienter machen. Die vernetzten Dienste sollen in den nächsten Jahren massiv an Bedeutung gewinnen. Das geht aus der aktuellen globalen Truck-Studie der Unternehmensberatung Deloitte hervor. „Telematik-Lösungen werden innerhalb der nächsten zehn Jahre zum Standard in den entwickelten Industrieländern“, sagt Michael Maier, Automobilexperte bei Deloitte. Dann sollen alle Lkw auf Europas Straßen mit der neuen Technologie unterwegs sein.

Heute ist das Geschäft mit der Telematik noch vergleichsweise klein. Rund 2,2 Milliarden Dollar Umsatz erwirtschaften die Lkw-Hersteller mit den vernetzten Systemen im Jahr. Am Gesamtumsatz ist der Anteil damit noch gering. Und den größten Teil von diesem Umsatz macht bislang noch die nötige Hardware aus. Denn derzeit fahren nur 50 Prozent aller Lkw mit Telematiksystemen an Bord.

Anders als die Verkäufe wird das Geschäft mit den vernetzten Diensten nach Ansicht der Deloitte-Experten massiv zulegen. „Die daraus resultierenden Umsätze werden sich in den nächsten zehn Jahren mit 16 Prozent jährlichem Wachstum mehr als verdreifachen“, schreiben die Berater. Rund 80 Prozent dieses Umsatzes werde in Zukunft durch Software generiert. Hier konkurrieren die klassischen Lkw-Hersteller wie Daimler und MAN allerdings mit den IT-Riesen wie Uber und Google, die ebenfalls darüber nachdenken, in das Geschäft mit Logistikdaten einzusteigen Beide US-Konzerne investieren massiv in vernetzte Systeme.

Dafür müssen die Hersteller auch schneller bei der Entwicklung werden. „Die Herausforderung besteht darin, das neue Geschäft von den in der Branche klassisch vorherrschenden Produktlebenszyklen von drei Jahren und mehr zu entkoppeln“, schreiben die Deloitte-Experten. Die Hersteller der großen Nutzfahrzeuge müssen aufs Tempo drücken.


Neue Geschäftsmodelle mit den Daten

Darüber hinaus müssen die Hersteller in Zukunft auch stärker zusammenarbeiten. „Die meisten Telematiklösungen, die derzeit von den Herstellern angeboten werden, basieren auf geschlossenen Systemen“, sagt Michael Maier. Das ist ein Risiko, da die Menge und Qualität der Daten entscheidend für die Zuverlässigkeit der Telematik-Systeme ist. Große Hersteller könnten darum in Zukunft zu Systemanbietern werden, deren Systeme auch für Konkurrenten öffnen, kleinere Anbieter könnten diese Systeme als so genannte Follower mit Daten füttern.

Für die Hersteller hat die neue Effizienz auf der Straße nicht nur positive Folgen. „Wirtschaftswachstum ist kein Garant mehr für steigenden Absatz“, analysieren die Experten in ihrer Studie.

Im Gegenteil: Der Absatz von Lastwagen in den drei großen Märkten USA, Europa und Japan soll laut der Studie in den kommenden fünf Jahren jeweils um 0,9 Prozent schrumpfen. Danach wird sich der Abwärtstrend mit einem Minus von 1,4 Prozent pro Jahr sogar noch beschleunigen. Wachstum sei nur noch in den bislang weniger entwickelten Weltregionen zu erwarten. Insgesamt stagniert der Markt. Um trotz sinkender Absatzzahlen profitabel zu bleiben, müssen sich die Hersteller das Geschäft mit Telematik- und IT-Dienstleistungen erschließen“, schreiben die Deloitte-Experten. „Die Hersteller müssen Kompetenzen im Bereich Software auf- und ausbauen.“

Denn durch die erhobenen Daten wächst auch das Potenzial neuer Geschäftsmodelle. Wer weiß, was, wann und von wem transportiert wird, kann auch Waren effizienter verteilen. Spediteure könnten beispielsweise bei Auslastungsspitzen auch auf weitere Kapazitäten zugreifen – eine Art Mitfahrzentrale für Güter. Denkbar wäre sogar ein Trucksharing-Modell, bei dem Lkw über mehrere Tage verliehen werden. Das Ergebnis: weniger Standzeiten und eine höhere Auslastung.

Weil dafür hohe Investitionen notwendig sind, dürften von der Entwicklung vor allem große Speditionen profitieren. „Die kommenden Jahre werden eine radikale Konsolidierung bringen“, sagen die Autoren der Studie voraus. Der Marktanteil von Flottenbetreibern mit über 100 Fahrzeugen soll in den kommenden Jahren auf über 30 Prozent steigen. Damit steigt auch ihre Verhandlungsmacht gegenüber den Lkw-Herstellern.


Lkw sollen elektrischer werden

Nicht nur der Lkw, auch die Infrastruktur wird in Zukunft vernetzt und ist neuen Regeln unterworfen. Vor allem für mittelgroße Lkw sind das schlechte Nachrichten. Denn der Güterverkehr in den entwickelten Industrienationen wird vermehrt durch große Lkw auf der Langstrecke und Kleintransporter für die letzte Meile übernommen. Für die mittelgroßen Lkw, die vor einigen Jahren noch rund die Hälfte des Geschäfts ausmachten, schrumpft der Markt damit noch stärker. Wegen neuer Umweltvorschriften könnte ihnen mitunter sogar die Zufahrt zu den Innenstädten verweigert werden.

Denn die Vorbehalte gegen den Verbrenner lassen auch die Nutzfahrzeughersteller nicht kalt. „Vor allem neue Antriebskonzepte werden in den kommenden zehn Jahren gefragt sein, um eine Lösung für die aktuell hohen CO2-Emissionen zu ermöglichen“, erklärt Deloitte-Experte Maier. Der Güterverkehr ist immer noch für einen hohen Anteil der Verkehrsemissionen verantwortlich. Nicht nur in Transportern sollen in den kommenden Jahren darum vermehrt alternative Antriebe eingesetzt werden. Bislang liegt ihr Anteil bei unter einem Prozent.

Gerade die Elektrifizierung war wegen der geringen Energiedichte und des hohen Gewichts der Batterien meist zu unrentabel. Das könnte sich in den kommenden Jahren für mittelschwere Lastwagen ändern, prognostizieren die Experten.

Der Anteil der Hybrid-Fahrzeuge soll in diesem Segment auf bis zu 14 Prozent wachsen. Gerade im Verteilerverkehr können halbelektrische Plug-in-Hybrid-Lkw günstiger sein als ihrer Verbrenner. Nach Ansicht der Berater könnte im Jahr 2026 jeder fünfte mittelschwere Lkw in Europa mit einem alternativen Antrieb unterwegs sein.

Rein elektrische Lkw werden nach der Einschätzung von Deloitte allerdings auch in den kommenden zehn Jahren keinen Marktanteil von über fünf Prozent erreichen, weil sie auf der Langstrecke noch nicht effizient genug sind. Bei den schweren Lkw über 15 Tonnen dürfte der elektrische Antrieb nach Ansicht der Berater auch in den kommenden zehn Jahren keine Chance haben.

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