Versandapotheken Aponeo und MyCare Medikamente mundgerecht verpackt

Eine Viertelmillion Deutsche werden jedes Jahr ins Krankenhaus eingeliefert, weil sie mit ihrer Medikamenteneinnahme nicht zurecht kommen. Ein neues Gesetz soll das ändern. Versandapotheken wittern das großes Geschäft.

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Patienten erhalten vorsortierte Medikamente. Quelle: PR

Frankfurt Jedes Jahr werden etwa 250.000 Menschen ins Krankenhaus eingeliefert, weil sie Medikamente falsch oder gar nicht eingenommen haben. Oder sie leiden unter unerwünschten Wechselwirkungen verschiedener Mittel. Zu dieser Einschätzung gelangen die Experten des Bundesgesundheitsministerium.

Aufgrund dieser Tatsache sollen Versicherte, die regelmäßig drei oder mehr Arzneimittel einnehmen müssen, ab Oktober einen sogenannten Medikationsplan erhalten. Ärzte sollen ihn ausstellen. Diese Neuerung ist mit dem „E-Health-Gesetz“ beschlossen worden: Erst soll es den Medikationsplan nur auf Papier geben, dann ab 2018 soll er in elektronischer Form über die Gesundheitskarte abrufbar sein.

Die Berliner Versandapotheke Aponeo bietet mit der Einführung des Medikationsplans einen neuen Service an: Die „Medikamentenpackung mit dem vorsortierten und abgepackten Tagesbedarf“, die für Patienten individuell zusammengestellt wird. „Gerade ältere Menschen haben teilweise ein Dutzend Tabletten, die der Körper zu unterschiedlichen Tageszeiten braucht, oft auch in wechselnder Dosierung“, sagt Konstantin Primbas, Gründer und Inhaber der Versandapotheke Aponeo. Mit 90 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mehr als 40 Millionen Euro gehört das Unternehmen zu den größeren Versandapotheken in Deutschland.

Die richtigen Medikamente, zum richtigen Zeitpunkt, in der richtigen Dosierung – dazu soll der neue „Verblisterungs-Service“ einen Beitrag leisten. Denn wenn Patienten oder deren Angehörige eine Vielzahl an Arzneien mit der Hand aus den verschiedenen Großpackungen drücken und für unterschiedliche Einnahmezeiten sortieren, können leicht Fehler passieren.

Etwa 30 Prozent aller Deutschen nehmen mindestens drei ärztlich verordnete Wirkstoffe ein. Ab dem 55. Lebensjahr ist es sogar jeder zweite. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsunternehmen YouGov im Auftrag von Aponeo unter 2.000 Personen. Berechnungen des wissenschaftlichen Instituts der AOK bestätigen diesen Trend.

Wobei: Der Service der Berliner ist nicht neu. Die Versandapotheke „MyCare“ zum Beispiel ist in diesem Bereich schon seit mehreren Jahren aktiv. Sie bietet seit 2008 speziell Pflegeheimen und Kliniken eine sogenannte „Verblisterung“ von Medikamenten an. Das bedeutet, dass die Tagesration von Medikamenten schon vorsortiert geliefert werden. Auch Privatkunden können dieses Angebot in Anspruch nehmen. Für 3,95 Euro für zwei Wochen erhalten sie individuell zusammengestellte Verpackungen. Wie viele der 1,7 Millionen Kunden von „MyCare“ diese Dienstleistung nutzen, gibt Marketingleiter Ronny Otto nicht preis.

Anders als in Deutschland ist dieser Service in den USA schon etabliert. „Bei uns ist das noch ein junger Trend, der aber gerade auch durch den Medikationsplan groß werden kann“, sagt Hartmut Deiwick, kaufmännischer Leiter bei Aponeo. Der demografische Wandel sei ein weiterer wesentlicher Treiber.


Urteil zur Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel

Die Apotheke liest den Medikationsplan ein und liefert daraufhin patientengenau dosierte Portionen der entsprechenden Kapseln und Pillen – für jeden Tagesabschnitt individuell abgezählt und gebündelt in durchsichtigen Beuteln, die automatisiert befüllt und verschweißt werden. Der Patient reißt morgens einen Beutel ab, öffnet ihn und nimmt alle Medikamente, die sich darin befinden. Mittags reißt er den nächsten Beutel ab. Der Sicherheitsstandard sei hoch, versichert Deiwick: Jeder Beutel werde doppelt geprüft und das Ergebnis fotografisch dokumentiert. Für den Service „Aponeo Medikation“ zahlt der Patient pro Lieferung alle zwei Wochen zwei Euro. Deiwick kann sich vorstellen, das Angebot auch Pflegeheimtreibern anzubieten.

Aponeo hofft, mit dem neuen Angebot Kunden an sich zu binden. Vor allem auch solche, die Rezepte einreichen. Denn die deutschen Versandapotheken machen ihr Geschäft überwiegend mit frei verkäuflichen Arzneimitteln und in dem Geschäftsfeld regiert der Preis. Weil rezeptpflichtige Medikamente der Preisbindung unterliegen, gibt es für Kunden wenig Anreiz, die Rezepte zur Versandapotheke zu schicken und nicht in der stationären Pharmazie um die Ecke einzulösen.

Einen echten Schub könnte das Angebot laut Deiwick bekommen, wenn die Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel aufgehoben würde. Dann konnte eine Versandapotheke ihre Größenvorteile bei der Preisgestaltung ausnutzen und auf diese Weise mehr Kunden gewinnen. Ob es dazu kommt, ist ungewiss. Aber am 19. Oktober 2016 wird der Europäische Gerichthof zum Thema Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel ein Urteil sprechen, das der gesamten Branche in jedem Fall die Richtung weisen wird.

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