Vestas Der Feind im eigenen Laden

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Brennpunkt Husum

Der deutsche Vestas-Standort im nordfriesischen Husum war nach Recherchen der WirtschaftsWoche ein wichtiger Knotenpunkt bei den mutmaßlich illegalen Praktiken. In derselben Straße wie Vestas sitzt in Husum auch die WKN AG. Der Windanlagenbauer startete 1990 mit Windparks in Schleswig-Holstein. Es folgte die weltweite Expansion. WKN setzte dabei ganz auf Vestas. In 20 Jahren kauften sie bis Ende 2012 560 Windanlagen bei den Dänen – zehnmal so viel wie bei jedem anderen Hersteller. Das allein freilich ist nicht verdächtig. Vestas ist beliebt. Nur Enercon verkaufte in Deutschland im vergangenen Jahr mehr an Land gelegene Windkraftanlagen als Vestas.

Darüber hinaus bestanden zwischen Vestas und WKN enge persönliche Beziehungen. Der langjährige Mehrheitseigner von WKN, Volker Friedrichsen, der seinen Unternehmensanteil 2013 verkauft hatte und gerade versucht, die Macht wieder zu erlangen, arbeitete zuvor zehn Jahre lang als Geschäftsführer bei Vestas. Zudem saß ein hochrangiger Vestas-Manager zeitweise bei WKN im Aufsichtsrat.

Vestas' Aktienkurs im Wandel

Trotz dieser guten persönlichen Kontakte zu WKN und trotz der seit 1990 bestehenden Geschäftsbeziehung will Vestas nicht allein in der Lage gewesen sein, Geschäfte mit WKN zu machen.

Stattdessen brauchte es dafür besagte Vermittlungsfirma, die Contur. Die hat ihren Sitz zwischen Feldern und Wiesen in der 364-Seelen-Gemeinde Volsemenhusen, im Nirgendwo Schleswig-Holsteins. Laut Handelsregister gehört die Gesellschaft einem früheren Vestas-Vertriebsleiter, der heute als Beruf Landwirt angibt.

Den Bilanzen zufolge brummt der Familienbetrieb. Allein das Eigenkapital beträgt eine Million Euro. In den Jahren 2009 bis 2012 kamen 1,2 Millionen Euro Jahresüberschuss zusammen. Die Contur verdiente ihr Geld damit, dass sie Windanlagen vermittelte – etwa an WKN. Nach Informationen der WirtschaftsWoche hat Vestas zwischen 2005 und 2012 4,5 Millionen Euro an Contur gezahlt. Weder Vestas noch Contur wollten sich hierzu äußern.

Ob den Millionen eine Leistung gegenüberstand, ist unklar. Mehrere Aufsichtsräte und Führungskräfte von WKN wollen den Namen Contur noch nie gehört haben. Sie können sich auch nicht vorstellen, warum Vestas für den Verkauf von Windanlagen an WKN einen Vermittler brauchte. Vestas wollte dies nicht kommentieren. WKN erklärte, keine Kenntnis darüber zu haben, dass Contur tatsächlich Leistungen erbracht hat. Nachdem der Windparkbauer PNE Wind die WKN 2013 übernommen hatte, tauschten die neuen Eigentümer den Vorstand aus und ließen die Vorgänge von einem Wirtschaftsprüfer untersuchen.

Das Problem mit den Provisionen war auf höchster Ebene bei Vestas schon lange bekannt. Im April 2008 schrieb der Nordeuropachef von Vestas per Mail an einen hochrangigen Mitarbeiter aus der Finanzabteilung: „WKN zahlt einen Überpreis, wir zahlen eine Kommission an Contur“ – was dem Manager Sorgen zu bereiten scheint. Contur gehört Personen, die mit WKN in Verbindung stehen. „Somit ist klar, dass wir in diesem Fall in Wirklichkeit das Verschieben von Geldern von WKN zu Contur unterstützen“, schreibt der Manager. Er bittet den Buchhalter sogar um Rat, ob „wir mit dieser Praxis fortfahren“ wollen. „Angesichts dieser Zeiten mit Verhaltenskodex verliert die Frage ja nicht gerade an Relevanz.“ Die E-Mail liegt der WirtschaftsWoche vor. Vestas wollte dies nicht kommentieren.

Die Mitarbeiter des Windradherstellers machten danach aber offenbar einfach weiter. Nach Informationen der WirtschaftsWoche soll Contur von Vestas bis 2012 Provisionen für die Vermittlung von Windanlagen an WKN erhalten haben. Contur lehnte ebenso wie Vestas eine Stellungnahme hierzu ab.

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