Dem weltweit größten Windradbauer Vestas war die Personalrochade nur eine Randnotiz wert. Vor einigen Monaten trennten sich die Dänen von fünf Top-Managern. Eine Sprecherin begründete den Schritt mit „Compliance-Vorwürfen“ – die Mitarbeiter müssten demnach gegen Gesetze oder interne Richtlinien verstoßen haben. Darüber hinaus gab es bis heute kein Wort der Erklärung.
Solange die Vorfälle nicht aufgeklärt sind, sagt Vestas prinzipiell nichts. Derzeit sind sie deshalb wohl häufig zum Schweigen verurteilt. Europaweit kämpft Vestas – Umsatz 2014: 6,9 Milliarden Euro – gegen Compliance-Verstöße in den eigenen Reihen. Mehrere Behörden ermitteln. So hat die Staatsanwaltschaft Kiel gegen einen früheren Deutschland-Vertriebschef von Vestas, einen zweiten ehemaligen Vestas-Manager und vier Personen aus dem Umfeld des Unternehmens ein Verfahren wegen des Verdachts der Untreue eingeleitet. Die Ermittler haben mehrere Razzien durchgeführt – auch bei dem treuen Vestas-Kunden WKN AG.
Das Husumer Unternehmen errichtet Windparks und verkauft sie dann an institutionelle Investoren weiter. Vestas-Manager haben allem Anschein nach über Jahre zu hohe Rechnungen ausgestellt an WKN – an denen von 2009 bis 2013 auch Siemens beteiligt war, womit der Dax-Konzern zum Kreis der mutmaßlich Geschädigten zählt – und einen Teil der zu viel gezahlten Summe als Provision an eine Vertriebsgesellschaft weitergereicht. Die wiederum soll das Geld dann an zwei mittlerweile ausgeschiedene Vestas- und WKN-Manager weitergegeben haben. WKN schätzt den Schaden auf 18 Millionen Euro.
Die Compliance-Sorgen scheinen bei Vestas System zu haben. Von einer „Goldgräberstimmung“ innerhalb des Konzerns spricht ein ehemaliger ranghoher Vestas-Mitarbeiter. Speziell die Beteiligung an Windparks, in denen Vestas-Anlagen stehen, sei für Mitarbeiter über Jahre ein einträgliches Nebengeschäft gewesen. Zwar hat der Konzern vor einigen Jahren einen Verhaltenskodex eingeführt, der Mitarbeitern verbietet, sich in nennenswertem Umfang an Unternehmen zu beteiligen. Gleichzeitig wurde aber ein „Bewilligungsverfahren“ für private unternehmerische Beteiligungen eingeführt. Die eigentlich verbotenen Nebengeschäfte werden damit teilweise wieder erlaubt.
So kämpft Vestas noch immer gegen die Compliance-Verstöße seiner Mitarbeiter, auch wenn die Zahl ihrer privaten Beteiligungen zurückgegangen ist. Laut Geschäftsbericht verzeichnete Vestas im vergangenen Jahr drei Verstöße. Weitere zwölf Verdachtsfälle wurden untersucht.
- In Dänemark sollen zwei Ex-Manager Anteile an Unternehmen gehalten haben, die mit Vestas Geschäfte machten und dabei möglicherweise unverhältnismäßig hohe Rabatte von Vestas bekommen haben. Die Polizei ermittelt.
- In Barcelona ermittelt die Polizei, weil Vestas-Mitarbeiter ihrem Arbeitgeber über eigene Unternehmen Dienstleistungen in Rechnung gestellt haben sollen, die nie erbracht wurden. Vestas beziffert den Schaden auf zwölf Millionen Euro. Der frühere Vestas-Vorstandschef Ditlev Engel zeigte sich geschockt, dass „zuverlässige Mitarbeiter das Vertrauen und die Verantwortung, die der Konzern in sie hatte, anscheinend verraten haben“.
- Ein ehemaliger Finanzvorstand soll einen Millionenbetrag ohne Wissen von Vestas oder Mitwirkung anderer Vorstände nach Indien überwiesen haben. Vestas erstattete Anzeige. Die Polizei in Kopenhagen ermittelt.