Wir gehören mittlerweile auch zu den größten Aluminiumverpressern in Europa außerhalb der Autoindustrie. Wir haben keine Berührungsängste mit anderen Materialien und setzen zum Beispiel auch Titan ein. Das alles ist Konsequenz daraus, dass wir uns über die vergangenen 15 Jahre nicht für eine mengen- sondern eine qualitäts- und wertschöpfungsorientierte Strategie entschieden haben. Deshalb sehen wir unsere Zukunft auch sicher nicht in der Übernahme anderer Stahlunternehmen, was übrigens auch aus Investorensicht Wertvernichtung wäre.
Hat Stahl überhaupt noch Zukunft in Europa? Wenn Länder wie China oder Russland ohnehin viel kostengünstiger produzieren können, warum verabschieden wir uns dann nicht vom Stahl. Ähnliches geschah ja auch in der Textilindustrie oder Mobilfunkproduktion.
Wenn das passieren sollte, würden langfristig wohl die meisten Wertschöpfungsketten, die Stahl als Basis haben, aus Europa verschwinden. Wenn in Europa kein Stahl mehr erzeugt wird, dann stellt sich die Frage, was etwa mit der Automobilindustrie, mit dem Maschinenbau, mit großen Teilen der Konsumgüterindustrie passiert. Für Europa, das von der Industrie lebt, wäre das ein Fanal und würde das Wohlstandsniveau und die soziale Sicherheit absolut in Frage stellen. Die Frage ist ja nicht, ob wir in Europa Stahl brauchen oder nicht, sondern welchen Stahl wir brauchen. Je anspruchsvoller der Stahl, desto besser für Europa. Je einfacher, umso kritischer. Ich bin zutiefst überzeugt, dass Unternehmen mit anspruchsvollen Stählen eine hervorragende Zukunft haben. Denn zentrale Industriesegmente in Europa leben vom Stahl.
Die größten Stahlhersteller
Der mit Abstand größte Stahlproduzent der Welt ist Arcelor-Mittal. Der Konzern mit europäischen und indischen Wurzeln stellte 2015 gut 97 Millionen Tonnen Stahl her.
Quelle: World Steel Association
Der zweitgrößte Hersteller kommt aus China: Die Hebei Iron and Steel Group stellte 2015 rund 47,8 Millionen Tonnen Stahl her. Auch dieser Konzern ging aus einer Fusion hervor, die Unternehmen Tangsteel und Hansteel schlossen sich 2008 zusammen.
Auf Platz drei abgerutscht ist der japanische Konzern Nippon Steel & Sumitomo Metal. Die beiden japanischen Hersteller hatten sich im Oktober 2012 zusammengeschlossen und kamen 2015 zusammen auf ein Produktionsvolumen von 46,3 Millionen Tonnen Stahl, knapp 3 Millionen weniger als im Vorjahr.
Mit einer Produktion von rund 42 Millionen Tonnen Stahl ist Posco der viertgrößte Hersteller. Das Unternehmen ist der größte südkoreanische Anbieter und macht viele Geschäfte mit China.
Auf Platz fünf folgt ein weiterer chinesischer Konzern: Baosteel Group. Das Unternehmen mit Sitz in Shanghai produzierte knapp 35 Millionen Tonnen Stahl. Schlagzeilen machte der Hersteller im Jahr 2000 mit seinem Börsengang, der damals in China Rekorde brach.
Im Vergleich zu Arcelor-Mittal, Hesteel & Co. ist Thyssen-Krupp ein Leichtgewicht. 2015 ging es für den größten deutschen Stahlproduzent mit einer Produktion von 17,3 Millionen Tonnen aber immerhin drei Plätze hinauf auf Rang 16. Ähnlich viel produziert der Konkurrent Gerdau aus Brasilien (17 Millionen Tonnen).
Wie könnte die Zukunft der europäischen Stahlbranche aussehen?
Man wird in hochentwickelten Ländern wie Europa oder Japan immer weniger Massenstähle brauchen. Andererseits ist Stahl der Werkstoff mit den größten Möglichkeiten der Weiterentwicklung. Stahl ist eben nicht gleich Stahl. Es ist ein Werkstoff, mit dem man immer wieder Neues schaffen kann. In unseren Werken in Linz und Donawitz erzeugen wir heute etwa völlig andere Produkte als noch vor 15 oder 20 Jahren. Nehmen Sie etwa den Automotive-Bereich: In jeder zweiten Autogeneration – und eine Autogeneration dauert etwa sieben Jahre – haben Sie hundert Prozent aus Stählen, die es davor noch gar nicht gab. Da sieht man wie groß das Innovationspotential des Werkstoffes nach wie vor ist.
Nehmen Sie etwa den Bereich der sogenannten hochfesten Stähle, die überhaupt erst in letzten zehn Jahren entstanden sind. Dieser Werkstoff wird im Automobilbau bis 2030 am stärksten wachsen, und nicht etwa Aluminium oder Carbon. Die Möglichkeiten des Stahls sind heute bei weitem nicht ausgeschöpft, da kommt noch sehr vieles nach. Wer da vorne dabei ist, muss sich keine Sorgen machen, vorausgesetzt er investiert konsequent weiter in Innovation und Technologie.
Was bedeutet die derzeitige Entwicklung für die Stahlpreise? Wie werden sich die Stahlpreise in Europa entwickeln?
Persönlich glaube ich, dass der Stahlsektor gar keine so schlechte kurzfristige Entwicklung vor sich hat. Zum ersten Mal seit fünf Jahren ist über den Sommer der Stahlpreis nicht eingebrochen. Das und steigende Rohstoffkosten deuten darauf hin, dass gegen Jahresende vor dem Hintergrund einer recht stabilen Nachfrage die Preise tendenziell nochmals steigen könnten. Alles in allem also auch eine eher positive Ausgangslage für den Jahresbeginn 2017.