Volkmar Denner Neuer Bosch-Chef fordert mehr Tempo

Beim größten Autozulieferer der Welt ändert sich mehr als die Köpfe an der Spitze. Der neue Bosch-Chef Volkmar Denner muss einen Berg von Problemen lösen - und tritt dafür kräftig aufs Gas.

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Volkmar Denner, seit 1. Juli Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH, fordert seine Mitarbeiter auf, schneller auf Veränderungen zu reagieren und mit mehr „Leidenschaft und Herz“ bei der Sache sein. Quelle: dpa

Wäre Bosch ein börsennotierter Konzern, wäre daraus eine Gewinnwarnung geworden. Weil der größte Autozulieferer der Welt aber einer Stiftung gehört, die mehr der Kontinuität denn kurzfristigen Profiten verpflichtet ist, blieb es bei einer Mitteilung des Konzerns „auf Anfrage“.

Was dort gesagt wurde, ist aber ernst genug: Die mit einem Umsatzplus von gerade mal drei bis fünf Prozent schon sehr verhaltene Prognose für das laufende Jahr wurde wegen „zunehmender Wachstumsrisiken“ kassiert, vor allem in den konsumnahen Bereichen mit Haushaltsgeräten oder Elektrowerkzeugen gebe Bosch es „zunehmend fehlende   Kaufimpulse“, wie sich die Autokonjunktur weiterentwickelt, ist derzeit ebenfalls schwer abschätzbar. „Die Euro-Krise schlägt sich bereits im Geschäft nieder“, sagt der neue Bosch-Chef Volkmar Denner.

Kein schöner Start für Denner

Der Nachfolger von Franz Fehrenbach und Herr über mehr als 300.000 Mitarbeiter und knapp 52 Milliarden Euro ist erst seit 1. Juli im Amt und hat schon einen ganzen Sack voll Probleme, die gelöst werden müssen. Das dringlichste: Die miese Lage im weltweiten Geschäft mit Solarzellen. Das von Denner-Vorgänger Fehrenbach forcierte Green-Tech-Projekt ist zwar gut fürs Image als grüner, zukunftsorientierter Konzern, dafür aber schlecht für die Bilanz.

Gut eine halbe Milliarde Euro musste Bosch schon abschreiben, weil Überkapazitäten und Preisverfall die Renditen fressen. Bislang bestand die Bosch-Strategie für die notleidende Solarsparte darin, weiter zu rationalisieren und darauf zu hoffen, dass vor allem den chinesischen Wettbewerbern irgendwann die Puste ausgehen würde. Ob Denner diesen Kurs weiter halten kann, wenn die übrigen Geschäftsbereiche noch stärker von der Krise in Mitleidenschaft gezogen werden, ist aber fraglich.

Chefwechsel in Deutschlands Konzernriesen
Volkmar Denner Quelle: dpa
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Zweites Problem des neuen Bosch-Vormanns und ebenfalls eine Hypothek der Vergangenheit ist die nach wie vor zu starke Abhängigkeit vom Autozuliefergeschäft und der anfälligen Welt-Autokonjunktur. Fast 60 Prozent der Bosch-Umsätze kommen aus diesem Bereich, in der wichtigen Diesel-Sparte, wo Bosch technologisch weltweit führend ist, rechnet die Geschäftsführung schon in diesem Jahr mit stagnierenden Umsätzen.

Auf der anderen Seite investiert der Geschäftsbereich rund 400 Millionen Euro im Jahr in die Zukunftstechnologie Elektromobilität, ohne dass schon konkret absehbar ist, wann mit den neuen Komponenten für Strom-getriebene Autos Geld verdient wird. Auch wenn niemand den Sinn solcher Zukunftsinvestitionen bezweifelt, muss das Geld dafür erstmal verdient werden.

Das Internet der Dinge

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Dritte Baustelle von Denner ist dessen ureigenste Domäne, das Internet der Dinge, also die Vernetzung der von Bosch-Entwicklern erdachten Produkte via Internet. Was sich so nett anhört, ist nicht weniger als der Komplettumbau des Traditionskonzerns und bei diesem Mammutprojekt steckt Denner noch in der Projektionsphase. Sein Ziel ist, Bosch zu einer Art Apple zu machen – also zu einem Konzern, bei dem aus schon vorhandenen oder noch zu entwickelnden Technologien ganz neue Produkte und Dienstleistungen entstehen, die zusätzlichen Kundennutzen stiften.

Das neue Bosch-Software- und Systemhaus, das in den kommenden Jahren ausgebaut und dessen Mitarbeiterzahl bis 2015 von derzeit 450 auf 1000 steigen soll, ist dafür die Keimzelle. Aber bevor aus dieser Keimzelle ein neuer Spross wird, der irgendwann mal Früchte trägt, ist noch ein langer Weg zurückzulegen. Und auch diese Neuorientierung wird viel Geld kosten, was die bestehenden Geschäfte erst einmal verdienen müssen.

Robert Boschs Hang zum Gutmenschentum war so groß, dass er seine Erben dazu verdonnerte, diesen Kurs nach seinem Tod fortzusetzen. Wie Bosch damit zum Weltkonzern wurde.

Die vermutlich wichtigste und zugleich schwierigste Aufgabe des neuen Mannes an der Bosch-Spitze dürfte aber darin bestehen, das Unternehmen und seine Mitarbeiter auf diese so ganz andere Zukunft und die neuen Herausforderungen einzuschwören. Was sich ändern muss, hat Denner in seinem zwei Tage vor Amtsantritt veröffentlichten Brief an alle Mitarbeiter angedeutet – wenn auch vor allem zwischen den Zeilen. Gleich im zweiten Absatz des Briefes warnt er davor, sich zu sehr auf das Erreichte zu verlassen: „Zeigen doch einige prominente Beispiele anderer Firmen aus der jüngsten Zeit, dass weder eine lange Firmengeschichte noch eine dominierende Marktposition  Garantien für Erfolg in der Zukunft sind.“

Denner fordert Veränderung und mehr Engagement von seinen Bosch-Mitarbeitern. Sie müssten stärker in Szenarien denken, schneller auf Veränderungen reagieren und mit mehr „Leidenschaft und Herz“ bei der Sache sein. „Eigene Ideen und Lösungsbeiträge“, eigenverantwortlichen Handeln sowie „Herzblut“ seien notwendig. Und nicht nur das: Der neue Spitzenmann stellt auch die bisherige Führungskultur in Frage. Er fordert, „überraschende und innovative Lösungen stärker in offener kritischer Diskussion“ zu entwickeln und „weniger über umfangreiche Präsentationen“.  

Man könnte das auch anders ausdrücken: Bosch ist bisher zu langsam, die internen Prozesse sind zu starr, das Engagement des Einzelnen für die gemeinsame Sache zu gering. Für ein seit 126 Jahren vor allem auf Konsens getrimmtes Unternehmen kommt das einer Revolution gleich.  

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