
Eine Seniorin hält ihren weißen Schal an den Auspuff ihres neuen VW-Diesel. Sie will ihren zwei Freundinnen beweisen, dass ihr neuer Golf nichts mehr mit den dreckigen Abgasen von früher zu tun hat. „Seht ihr, wie sauber der ist“, sagt sie zufrieden, und schon wird der Slogan „Clean Diesel – wirklich saubere Diesel“ eingeblendet.
Aus heutiger Sicht ist der Werbespot bestenfalls ein Treppenwitz. Längst ist klar, dass die „Clean Diesel“ doch nicht so sauber waren, wie die Werbung suggeriert. Die Stickstoff-Emissionen lagen bis zu 40 Mal über den erlaubten Grenzwerten, wie Volkswagen bereits im September eingeräumt hatte. Nun hat die US-Wettbewerbsbehörde eine Klage wegen irreführender Werbung eingereicht und sorgt damit im Diesel-Skandal für neue Unruhe.
In millionenschweren Werbekampagnen habe VW die Vorteile in Sachen Umweltfreundlichkeit und Sparsamkeit beworben, um „amerikanische Verbraucher dazu zu bewegen, Fahrzeuge zu kaufen, die mit einer Schummel-Software ausgestattet waren“, heißt es in der Klageschrift, die am Dienstag in San Francisco eingereicht wurde. Bereits im Oktober hatte die Behörde angekündigt, die Abgasmanipulationen bei VW zu untersuchen.
So könnte VW die "Dieselgate"-Kosten schultern
Der Abgas-Skandal kratzt nicht nur am Image des Volkswagen-Konzerns - er dürfte vor allem sehr teuer werden. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Kosten des Skandals und wie VW sie stemmen könnte.
Quelle: dpa
Darüber rätseln Beobachter derzeit. Bislang bekannt ist: Volkswagen hat 6,5 Milliarden Euro für Kosten aus dem Abgas-Skandal zurückgelegt. Das Geld ist aber wohl in erster Linie für eine technische Umrüstung der Autos mit Manipulations-Software bestimmt, wie Finanzchef Hans Dieter Pötsch laut dem Fachblatt „Automobilwoche“ kürzlich vor VW-Managern erklärte. Unklar ist, welche Strafzahlungen auf VW zukommen. Dazu dürften noch mindestens drei andere mögliche Kostenblöcke kommen: Strafzahlungen, Schadenersatzforderungen, Anwaltskosten. Wie hoch diese Ausgaben sein werden, lässt sich derzeit nur grob schätzen. Die Landesbank Baden-Württemberg rechnet derzeit mit einem Schaden von 47 Milliarden Euro für den Konzern. Ein möglicher Imageverlust und damit verbunden ein Rückgang der Autoverkäufe ist dabei noch nicht eingerechnet. Allerdings werden die Kosten wohl nicht auf einmal anfallen, sondern sich über Jahre verteilen.
Vergleichsweise viel. VW hat sich in den vergangenen Jahren ein stattliches Kapitalpolster zugelegt. Zur Jahresmitte hatte der Konzern rund 18 Milliarden Euro Bargeld auf dem Konto. Das ist mehr als ganze Dax-Konzerne wie Adidas oder Lufthansa einzeln an der Börse wert sind. „Über den Daumen gepeilt kann VW davon die Hälfte verwenden, um mögliche Kosten zu begleichen“, sagt Nord-LB-Analyst Frank Schwope. Dazu kommen bei VW noch schnell veräußerbare Wertpapiere über 15 Milliarden Euro und Schätzungen zufolge mindestens 5 Milliarden Euro aus dem Verkauf der Beteiligungen am ehemaligen Partner Suzuki und an einer niederländischen Leasingfirma.
Das ist sehr unwahrscheinlich. VW könnte sich über Anleihen und Kredite Geld leihen, auch wenn einige Ratingagenturen ihre Bewertungen der Kreditwürdigkeit des Konzerns zuletzt angepasst hatten. Wenn es irgendwann hart auf hart käme, könnte Volkswagen immer noch sein Tafelsilber verkaufen. Am einfachsten ließen sich wohl die Luxusmarken Bentley, Bugatti und Lamborghini aus dem Konzern herausnehmen. Nord-LB-Analyst Schwope schätzt den möglichen Verkaufserlös für die drei Marken und den Motorradhersteller Ducati auf 5 bis 10 Milliarden Euro. Durch einen Verkauf der Lastwagenbauer MAN und Scania ließen sich nach seinen Berechnungen sogar 30 bis 35 Milliarden Euro erzielen. Das wertvollste Juwel in der Sammlung, den Sportwagenbauer Porsche, dürften die VW-Anteilseigner kaum abgeben wollen.
Nur begrenzt. Eine Kapitalerhöhung - also die Ausgabe neuer Aktien - ist bei VW nicht so leicht wie in anderen Konzernen. Damit die Familien Porsche und Piëch sowie das Land Niedersachsen als Anteilseigner ihre Macht im Konzern nicht verlieren, darf sich deren jeweiliger Anteil an den Stammaktien nicht stark verringern. Vor allem Niedersachsen dürfte aber derzeit kaum ein Interesse daran haben, weitere Stammaktien zu kaufen und Geld in den VW-Konzern zu stecken. VW könnte deshalb wohl höchstens neue Vorzugsaktien ausgeben, das sind Aktien ohne Stimmrecht auf der Hauptversammlung des Konzerns. Laut Aktiengesetz darf die Zahl dieser Vorzugsaktien die Zahl der Stammaktien allerdings nicht übersteigen. VW könnte deshalb höchstens rund 114 Millionen neue Aktien ausgeben und damit auf Basis derzeitiger Kurse rund 11 Milliarden Euro einsammeln.
In der Regel setzen Sparmaßnahmen bei großen Konzernen zuerst bei den Mitarbeitern an: Weniger Gehalt, Einstellungsstopps, bis hin zu Stellenstreichungen und Entlassungen. Bei Volkswagen wäre das allerdings nicht so einfach. Die Arbeitnehmervertreter haben in Wolfsburg deutlich mehr Macht als in anderen Konzernen. Einfacher wäre die Kürzung geplanter Investitionen. Hier hatte Volkswagen angepeilt, bis 2019 eine Summe von mehr als 100 Milliarden Euro in Standorte, Modelle und Technologien zu stecken. Laut Experte Schwope könnte VW hier den Rotstift ansetzen und so 2 Milliarden Euro jährlich sparen, vor allem bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Nur: Dann besteht die Gefahr, von der Konkurrenz abgehängt zu werden. Der Zeitpunkt wäre denkbar ungünstig - die Autoindustrie steht durch Digitalisierung und Elektroantriebe vor einem Umbruch.
Es ist ein einfacher Fall. Schließlich hat VW offensiv mit seiner vermeintlich umweltfreundlichen Dieseltechnologie geworben, die zum Teil auch von den Luxus-Töchtern Audi und Porsche verwendet wurde. 2010 etwa schaltete Audi einen Werbespot beim Superbowl-Finale, dem größten Sportereignis in den USA. Die Werbung zeigt, wie alle Amerikaner Ärger mit einer neuartigen Umweltpolizei bekommen nur der Mann im Audi-Diesel problemlos durch die Kontrolle kommt.
Analysten hatten mit der Klage gerechnet. „Jede Behörde, die auch nur am Rande mit der Situation zu tun hat, wird eine Klage einreichen, und Entschädigungen für die Betroffenen fordern“, sagte Rebecca Lindland von Kelley Blue Book.
In den USA sind knapp 600.000 Autos der Marken VW, Audi und Porsche von den Abgasmanipulationen betroffen. Insgesamt seien den Verbrauchern Schäden in Milliardenhöhe entstanden, bemängelt die FTC. Die Behörde hat nicht die Befugnis eigene Strafen zu verhängen, will mit der Klage jedoch sicherstellen, dass die Verbraucher angemessen entschädigt werden.