Volkswagen-Betriebsversammlung Über sieben Brücken musst du fahrn

Volkswagen schließt die Reihen: Auf der Betriebsversammlung beschwören Vorstand und Arbeitnehmervertreter die Einigkeit. Doch nicht alle glauben an eine gute Zukunft – und den größten Applaus erhält ohnehin Peter Maffay.

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„Wir stehen zu Euch.“ Quelle: AFP

Wolfsburg Betriebsversammlungen bei Volkswagen in Wolfsburg waren schon immer Massenversammlungen. Seit Heinrich Nordhoff, dem ersten Geschäftsführer nach dem zweiten Weltkrieg, finden sie in Halle 11 statt, einem langen schlauchartigen Gebäude mitten in dem ehrwürdigen Backsteinkomplex. Rund 20.000 Menschen waren es auch an diesmal wieder, die in der Halle oder beim Public Viewing davor die Reden verfolgten.

Die Botschaft, die an diesem sonnigen und kalten Vormittag vermittelt werden sollte, war klar. „Wir stehen zu Euch“, das sagten Betriebsratschef Bernd Osterloh, Konzernchef Matthias Müller und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), wenn auch alle mit etwas anderen Worten. Davor hatte zur Einstimmung bereits die VW Big Band gespielt, ehe vor dem offiziellen Teil die Namen der verstorbenen Mitarbeiter seit der letzten Betriebsversammlung verlesen wurden. Nicht nur in diesem Moment wirkte die Stimmung angespannt.

„Der Schreck saß bei Euch allen tief“, spricht Osterloh, der an diesem Tag der Gastgeber ist, die Mannschaft von Anfang an ganz direkt an. „Aber wir werden gestärkt aus der Krise hervorgehen“. Zum ersten Mal brandet Applaus an.

Der lässt sich an diesem Tag nur noch steigern, als klar ist, dass es für die Mitarbeiter trotz des zu erwartenden Milliardenverlustes im vergangenen Jahr eine Prämie geben wird. „Anerkennungsprämie“ nennen sie die jetzt, der Begriff „Erfolgsprämie“ würde nicht mehr passen. Wie hoch die ausfallen wird, ist noch unklar. Schließlich steht auch erst Ende April fest, wie hoch der Verlust ausfallen wird. 5900 Euro, die es noch im vergangenen Jahr für jeden nach dem Konzerntarifvertrag bezahlten Mitarbeiter gab, werden es aber sicher nicht mehr sein.

Konzernchef Matthias Müller betont die Einigkeit: „Aufsichtsrat und Anteilseigner, Vorstand und Management, Betriebsrat und Belegschaft – wir alle müssen uns bewegen“. Müller spricht mit belegter Stimme, die wenig frühlingshaften Temperaturen, haben ihm offenbar zugesetzt. In Bayern, wo er aufwuchs, würden sie wahrscheinlich von einem Katarrh reden.

Aber Müller blickt auch nach vorne. „2016 ist das Jahr, in dem wir das Problem mit unseren Diesel-Motoren lösen wollen. Und 2016 ist zugleich das Jahr, in dem wir das Fundament legen für die Erneuerung des Volkswagen-Konzerns“. Wieder gibt es Applaus. Auch wenn der Blick in die Menge verrät, dass manch einem noch der Glaube fehlt.


Applaus für Weil – und Maffay

Bleibt noch Stephan Weil, der Ministerpräsident. Auch der appelliert und muntert auf, spricht Mut zu und will verbinden. Vor zweieinhalb Jahren war er schon mal da bei einer Betriebsversammlung. Damals mit seinem Brüsseler SPD-Parteifreund Martin Schulz. „Natürlich hatte Volkswagen auch vor zweieinhalb Jahren große Aufgaben zu bewältigen, aber insgesamt hatten wir miteinander wohl den Eindruck, dass die Vorzeichen sehr, sehr gut stehen“, so Weil.

Das ist alles relativ, würde man heute wohl sagen. Weil nennt es nur anders. „Für mich und ganz gewiss auch für die Beschäftigten war die Nachricht von manipulierten Abgaswerten in den Vereinigten Staaten so etwas wie ein Blitz aus heiterem Himmel“. Aber natürlich ist Volkswagen für ihn weiterhin ein großartiges Unternehmen, in dem viele 100.000 Menschen jeden Tag richtig gute Arbeit abliefern. Auch das kommt an.

Irgendwie symbolisch an diesem Vormittag in Halle 11 ist indes, dass einer den größten Applaus erhält, der im Vergleich zu seinen Vorrednern nun am wenigsten zur Aufarbeitung der Dieselaffäre beitragen kann.

Peter Maffay ist da, der Rockmusiker ist seit langem Beiratsmitglied im Kuratorium der Volkswagen-Stiftung. Als er auf dem Podium spricht, werden zum ersten Mal an diesem Tag die Smartphones gezückt. Obwohl er nicht singt: Ein Musikstar in ihren Hallen, auch das kann eine Art der Krisenverarbeitung sein.

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