Volkswagen-Bilanz VW kann die Dieselaffäre nicht abschütteln

Der VW-Konzern hat in diesem Jahr wieder mehr Autos verkauft und konnte auch die Erträge weiter steigern. Doch das große Problem der zurückliegenden Jahre ist nicht gelöst: die Dieselaffäre.

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VW: Volkswagen kann die Dieselaffäre nicht abschütteln Quelle: dpa

Wolfsburg Der Volkswagen-Konzern sieht das Ende der Dieselaffäre lange nicht erreicht. „Ich bin null entspannt beim Thema Diesel. Damit sind wir noch lange nicht durch“, sagte VW-Finanzvorstand Frank Witter am Montag bei einem Pressegespräch in Wolfsburg. Die Umrüstung manipulierter Fahrzeuge sei nicht abgeschlossen und außerdem stehe Volkswagen unverändert vor langwierigen Gerichtsverfahren und Rechtsstreitigkeiten. Zudem haben sich die Verkaufszahlen von Dieselfahrzeugen in Deutschland noch immer nicht stabilisiert.

Witter rechnete kurzfristig mit einer gewissen Entspannung beim Thema Diesel, auf längere Sicht blieben die Risiken aber schwer berechenbar. Als Beispiel nannte Witter die zusätzlichen Rückstellungen von 2,6 Milliarden Euro, die Volkswagen im Oktober für nicht einkalkulierte Dieselbelastungen in den USA bilden musste. Insgesamt hat der Wolfsburger Konzern bislang mehr als 25 Milliarden Euro für die Bewältigung der Dieselaffäre zurücklegen müssen.

Im nächsten Jahr wird der Aufwand, den das Unternehmen für den Abgasskandal leisten muss, zumindest geringer. 2018 werde Volkswagen zwischen vier und fünf Milliarden Euro zur Bewältigung der Affäre aus dem Cash-Flow aufbringen müssen. Im in wenigen Wochen beendeten Jahr 2017 sind es noch zwischen 16,5 und 17 Milliarden Euro.

Der VW-Finanzvorstand warnte das eigene Unternehmen vor zu viel Selbstgefälligkeit. Trotz der guten Entwicklung bei den Absatz- und Ertragszahlen dürfe der Konzern nicht über die bestehenden Probleme hinwegsehen. Auch die starke Erholung des Aktienkurses ändere daran nichts.

Bei Volkswagen müsse auch in den kommenden Jahren eine strenge Kostendisziplin gelten. Dazu gehöre beispielsweise, dass der Konzern seine Entwicklungs- und Investitionsquoten wirklich dauerhaft auf das Niveau der meisten Wettbewerber senke. Bis zum Jahr 2020 will der Konzern bei Volkswagen das branchenübliche Niveau von sechs Prozent erreichen, aktuell liegt die Quote des Wolfsburger Konzerns noch einen knappen Prozentpunkt höher.

Auch trotz der steigenden Aufwendungen für Elektromobilität und Digitalisierung werde der Konzern an diesem Kurs festhalten. „Wir bewegen uns in die entgegengesetzte Richtung wie so mancher Wettbewerber“, betonte Witter. So hatte BMW erst vor wenigen Tagen eine kräftige Erhöhung des Forschungsaufwandes angekündigt – wegen der vielen neuen Elektroautos.

Experten bescheinigen Volkswagen zwar, dass es einen Kurswechsel in Wolfsburg gegeben habe. Allerdings müsse im Konzern unverändert viel reformiert werden. „Die Lohnkosten bei VW haben in Relation zum Umsatz mit 17 Prozent ein neues Hoch erreicht“, kritisierte Automobilanalyst Arndt Ellinghorst vom Investmentberater Evercore ISI. Volkswagen liege damit um Längen über den Werten der meisten Wettbewerber. Bei der Arbeitsproduktivität gebe es in den VW-Fabriken schon seit mehr als sechs Jahren keine Verbesserung mehr.   

Als weiteres wichtiges Problemfeld bezeichnete Finanzvorstand die künftigen Abgasregeln für Europa. So darf der durchschnittliche Kohlendioxid-Ausstoß aller neu verkauften Pkw vom Jahr 2021 nur noch bei 95 Gramm pro gefahrenen Kilometer liegen, aktuell liegen die meisten Hersteller noch bei Werten um 120 Gramm.


Truck&Bus-Sparte soll an die Börse

Die Erreichung der Abgasziele werde erschwert durch zwei aktuelle Trends auf den Automärkten: durch die Abkehr vom Diesel und durch die Hinwendung zum SUV. Statt zum Diesel greifen Kunden in Europa heute verstärkt zum Auto mit Benzinmotor, der allerdings grundsätzlich höhere Kohlendioxidwerte hat. Wegen ihres höheren Gewichts kommen die meisten SUV auf höhere Verbrauchswerte – was in der Folge ebenfalls wieder zu höheren Kohlendioxid-Emissionen führt. Können Autohersteller wie Volkswagen die künftigen Grenzwerte nicht einhalten, drohen ihnen Geldbußen in Milliardenhöhe.

Finanzvorstand Witter gab sich allerdings zuversichtlich, dass Volkswagen die neuen Abgaswerte erreichen wird. Für einen positiven Effekt sorgten die neuen Elektroautos, die vom Jahr 2020 an auf den Markt kommen werden. „Die neuen Produkte werden greifen“, sagte der VW-Manager. Genauso müssten allerdings auch die Abgaswerte der Verbrennungsmotoren ein weiteres Mal verbessert werden. Volkswagen werde die neuen Abgaswerte nicht aus dem Blick verlieren und alles dafür tun, sie auch wirklich zu erreichen.

Größere Probleme bei den Restwerten gebrauchter Dieselfahrzeuge erwartete Witter vorerst nicht. Die Standzeiten alter Diesel bei den Händlern hätten sich zwar erhöht. Zudem sei der durchschnittliche Erlös beim Verkauf gebrauchter Diesel um etwa zwei Prozent gefallen. Aus Sicht von Volkswagen ist diese Entwicklung aber noch beherrschbar. „Die Restwerte sind nicht wie ein Stein gefallen, auch wenn sie unter Druck sein mögen“, betonte Witter. Das gelte besonders für den deutschen Automarkt, in Südeuropa hingegen habe der Diesel ein viel besseres Image. Zudem gebe es auch einen gewissen Ausgleich durch den stärkeren Verkauf von Autos mit Benzinmotor: Dort gingen die Restwerte leicht nach oben.

In Deutschland sei mit einer Entspannung zu rechnen, wenn in den Städten keine Einfahrverbote mehr für ältere Dieselfahrzeuge drohen würden. Volkswagen hofft darauf, dass eine Einigung darüber mit der Politik in absehbarer Zeit möglich sein wird. „Viele Kunden werden auch in Zukunft ein Auto mit Dieselmotor fahren wollen“, betonte Witter. Das gelte besonders für größere und schwerere Modelle wie die SUV.

Zu möglichen Verkäufen von VW-Tochterunternehmen wollte sich Witter nicht äußern. Darüber gebe es „weitere interne Gespräche“. Seit dem Sommer wird etwa über den Verkauf der italienischen Motorradtochter Ducati spekuliert. Der Finanzvorstand bestätigte, dass die Truck & Bus-Sparte zumindest in Teilen an die Börse gebracht werden könnte. Konkrete zeitliche Pläne gebe es dafür aber nicht.

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