Volkswagen-Dividende VW-Aktionären droht die Nullrunde

Als einstiger Vorzeige-Autobauer brachte Volkswagen jedes Jahr Milliarden-Dividenden unters Aktionärsvolk. Doch mit der Abgas-Krise dürfte es aus dem Füllhorn diesmal bestenfalls tröpfeln.

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DenVolkswagen-Aktionären könnte eine Nullrunde bevorstehen. Quelle: dpa

Wolfsburg Im VW-Konzern geht ein Schreckgespenst um. Es ist eine Zahl: 20 Milliarden Euro. Gemeint ist das Geld in der Kasse minus Schulden – die sogenannte Nettoliquidität. Die Zahl entscheidet mit über die Zukunft des Autobauers, der im Abgas-Skandal um jeden Euro ringt und Milliardenstrafen fürchtet. Und das Gespenst spukt auch um die Dividende herum, die Gewinnbeteiligung für Aktionäre.

Aus Konzernkreisen ist zu hören, dass ein Reißen dieser Hürde von 20 Milliarden Euro an Nettoliquidität in der Autosparte fatal wäre. Dann würden die Ratingagenturen den Daumen über Volkswagen weiter senken und es würde für VW noch teurer werden, an frisches Geld zu kommen.

Was VW zahlen muss, um sich Geld zu leihen, hängt an der Beurteilung der eigenen Kreditwürdigkeit. Darin fließt viel ein - die Gewinnkraft natürlich, aber auch die Nettoliquidität. Standard & Poor's, Moody's und Fitch sehen VW zwar noch lange nicht als Spekulationsobjekt an. Doch der Ausblick lautet schon „negativ“. Ende Februar schrieb Moody's: „Die Abgas-Thematik sorgt für erhebliche Unsicherheiten für die Reputation des Konzerns, seine künftigen Einnahmen und die nötigen Barmittel.“

Knapp 28 Milliarden Euro hatten die Wolfsburger zuletzt Ende September 2015 an Nettoliquidität im Autobereich. Gut 22 Milliarden Euro lagen zum Stichtag auf den Konten oder könnten schnell zu Bargeld gemacht werden. Insider geben jedoch zu bedenken, dass stets bis zu 10 Milliarden davon reserviert sind fürs laufende Geschäft.

VW hat jahrelang satte Überschüsse erwirtschaftet und deckte seine Kosten überwiegend mit den Einnahmen - dann kam der Abgas-Skandal und der Konzern versucht, für Milliardenstrafen zu sparen. Der Spardruck ist inzwischen so hoch, dass um ein Streichen der T-Shirts für die Arbeiter am Band gerungen wird. Oder um die Kekse für Meetings.

Moody's formuliert die Erwartungshaltung an VW ganz klar: „Im Lichte der beträchtlichen Geldrisiken, denen der Konzern entgegenblickt“, gelte es mehr denn je, den bisher gesunden Geldfluss mit großen Anstrengungen zu verteidigen. Dazu zählten natürlich auch „kostensenkende Bemühungen“.

Die Abgas-Krise kommt für VW zur Unzeit, denn die Branche steht vor den größten Umbrüchen seit der Erfindung des Autos. VW wird absehbar viele Milliarden in die Elektromobilität und die Digitalisierung der Autos investieren müssen, wenn der Konzern den Anschluss nicht verlieren will - und bekanntlich zahlen sich diese Anschubkosten erst viel später aus. Was der Abgas-Skandal aus dem Konzern herauszieht, fehlt beim Rüsten für die Zukunft - und damit für die Basis des Erfolgs von übermorgen.


Bilanz wird zum Balanceakt

Im VW-Aufsichtsrat wird schon ein Komplettausfall der Dividende für wahrscheinlich gehalten, auch wenn endgültig noch nichts feststeht. Offizielle Äußerungen dazu sind nicht zu bekommen. Klar ist, dass bis zur Diesel-Krise viele Eigner fest mit der Dividende planten, darunter etwa das Scheichtum Katar.

Am 28. April soll die Bilanz offengelegt werden - sie wurde bereits wegen der Abgas-Krise verschoben. Große Nervosität macht sich breit in den letzten Wochen vor diesem mit Spannung erwarteten Termin zu den finanziellen Folgen des Horrorjahrs 2015. Aufschub über Ende April hinaus ist unmöglich, das erlauben die Vorschriften nicht.

Hinter den Kulissen lassen die Akteure zur Ausschüttungsfrage schon durchblicken, dass es doch vor allem um die künftige Kraft gehe. Ein (fast) leeres Dividenden-Füllhorn über ein oder zwei Jahre sei keine Katastrophe, wenn es die mittelfristige Perspektive für die Aktionäre nur wieder aufhelle. Vor einem Jahr hatte VW noch betont, in näherer Zukunft 30 Prozent vom Gewinn ausschütten zu wollen. Zuletzt lag die Quote bei gut 20 Prozent.

Maßgeblich ist die Höhe der US-Strafen. Auch wenn einst genannte Worst-Case-Szenarien von bis zu 90 Milliarden Euro als überholt gelten: Dass es eine empfindliche Milliardenstrafe geben wird, stellt niemand infrage. Konzernchef Matthias Müller sagte kürzlich, dass die Strafzahlungen „schmerzhaft“ werden dürften - so viel stehe fest. Und hinzu könnten noch Entschädigungen für Kunden, Händler und Anleger kommen.

VW sorgt sich aber nicht nur um die Dividende. Damit Wirtschaftsprüfer die Bilanz anstandslos testieren, müssen eine Schätzung des Finanzdesasters hinterlegt und Rückstellungen gebildet werden. Dabei dürfte es laut Insidern eine konkrete Zahl zum wahrscheinlichsten Szenario geben, keinen vagen Korridor.

„Darauf werden die Amerikaner genau schauen und sehen, was sie verlangen können“, heißt es im Kontrollgremium. Ein zu gering angesetzter Betrag könnte als Provokation verstanden werden, ein zu hoher Wert könnte Forderungen ungewollt in die Höhe treiben. Es ist ein Pokerspiel, ein Balanceakt.

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