Volkswagen-Kleinwagen Der Polo darf noch länger dieseln

Dieselmotoren gelten besonders bei Kleinwagen als gefährdet. Doch beim neuen VW-Polo ist das Ende des Selbstzünders noch lange nicht in Sicht. Volkswagen verfolgt dabei ganz eigene Ziele.

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„Dieses Auto spielt in einer höheren Liga“, sagt VW-Markenvorstand Herbert Diess. Quelle: dpa

Berlin Herbert Diess berührt fast liebevoll die Blechkarosse, die auf der Bühne vorgefahren ist. Auf der Leinwand dahinter läuft ein Film mit den wichtigsten Berliner Sehenswürdigkeiten. Das Brandenburger Tor und der Fernsehturm vom Alexanderplatz ziehen an der jüngsten Produktneuheit aus dem Volkswagen-Konzern vorüber. Der VW-Markenchef will endlich wieder mit seinen Autos glänzen und nicht immer nur mit der Dieselaffäre in die Schlagzeilen geraten.

Der VW-Manager präsentiert an diesem Freitag in Berlin-Spandau den neuen Polo. Die sechste Generation des Wolfsburger Kleinwagens steht vor dem Produktionsstart, in wenigen Wochen soll das Auto bei den Händlern verkaufsbereit sein. Auch wenn sich mit diesen Kleinwagen nicht das ganz große Geld verdienen lässt: Der Polo ist für den Volkswagen-Konzern unverzichtbar. Zusammen mit dem Golf und dem Tiguan-SUV gehört das kleine Auto zu den Modellen mit den höchsten Stückzahlen. Der Wagen, der im spanischen VW-Werk in Pamplona gebaut wird, ist seit 1975 insgesamt 14 Millionen Mal verkauft worden. 

Herbert Diess gibt sich an diesem Vormittag in Berlin als der perfekte Werber für den neuen Polo. „Dieses Auto spielt in einer höheren Liga“, sagt der VW-Markenchef. Gegenüber der Vorgängergeneration sei das Auto deutlich verbessert worden. Mit dem neuen Modell schaffe der Konzern die Grundlagen dafür, dass Volkswagen das Segment der Kleinwagen auch in Zukunft als Marktführer besetzen werde.

In Westeuropa und in China ist der Polo der meistverkaufte Kleinwagen. Nun soll die neue Polo-Generation auch in Südamerika verlorenes Terrain zurückerobern, wo der VW-Konzern in den vergangenen drei Jahren bei den Fahrzeugverkäufen regelrecht eingebrochen ist. In zwei Jahren wird es auch einen SUV-Ableger des Polo geben, der unter dem Namen „T-Cross“ auf den Markt kommen soll.

Der neue Polo ist um acht Zentimeter größer geworden als sein Vorgänger und misst jetzt gut vier Meter Länge. Der Abstand zum Golf aus der nächsthöheren Fahrzeugklasse hat sich dadurch weiter verringert. Damit ist zudem der Kofferraum deutlich angewachsen, der jetzt 351 Liter Volumen statt zuvor 280 Liter bekommen hat. Die neue Modellgeneration soll auch den Umbruch in das digitale Zeitalter symbolisieren. Deshalb hat das Auto viele Fahrassistenzsysteme bekommen, die für mehr Sicherheit sorgen.

Neu im Polo sind etwa ein Spurwechselassistent, eine Ausparkfunktion und eine „Rangierbremsfunktion“, die vor Parkremplern bewahren soll. Darüber hinaus hat der Polo als erstes Konzernmodell überhaupt eine neue Instrumententafel bekommen. Den klassischen Tachometer mit Nadel gibt es nicht mehr, stattdessen führt Volkswagen digitale Anzeigeninstrumente ein. Mit solchen Neuerungen sieht sich Volkswagen im Kleinwagen-Segment als Vorreiter für die Branche.

Die Renditen in dieser Fahrzeugklasse sind traditionell niedrig, deshalb halten sich die Hersteller mit teuren Extras grundsätzlich zurück. Für Entlastung auf der Kostenseite sorgt bei Volkswagen ein neues Baukastensystem, der sogenannte „Modulare Querbaukasten“ (MQB). Durch den Einsatz gleicher Bauteile bei vielen Modellreihen wird die Produktion einfacher und günstiger, auch der neue Polo basiert auf diesem Baukastenprinzip.

Das Ende des Diesels sieht Volkswagen beim Polo noch nicht gekommen. Der Selbstzünder spielt bei Kleinwagen traditionell keine besonders große Rolle, beim Polo liegt der Dieselanteil bislang bei etwa 15 Prozent. Zusätzliche Abgasauflagen werden die Kosten der Dieselproduktion in die Höhe treiben.

Käufer von Kleinwagen werden sich den Diesel deshalb wahrscheinlich in Zukunft seltener leisten können. „Wir rechnen damit, dass der Benzineranteil zunehmen wird“, bestätigte Markenchef Diess im Gespräch mit dem Handelsblatt.


VW-Polo mit Extras, die Oberklasse-Modellen vorbehalten waren

Trotzdem wird es den Polo bis auf weiteres mit einem Dieselmotor zu kaufen geben, zwei Aggregat-Varianten sind geplant. Diess sagte mit Blick auf die aktuelle Debatte um die Zukunft des Diesels, die Technik behalte „große Bedeutung“. Geplant sind außer den beiden Diesel-Varianten sechs Benzinmotoren und ein Aggregat mit Erdgasantrieb. Eine Elektrovariante ist nicht vorgesehen.

Die beiden Diesel-Motoren bekommen ein neues Extra, das bislang ausschließlich Oberklasse-Modellen vorbehalten war. Die Polo-Diesel werden mit einem sogenannten SCR-System zur Abgasreinigung ausgerüstet. In einem Zwölf-Liter-Tank wird zusätzlich Harnstoff getankt, mit dem die umweltbelastenden Stickoxide herausgefiltert werden. Weiter verschärfte Grenzwerte können die VW-Motoren nur mit diesem zusätzlichen Reinigungssystem einhalten.

Bei Kleinwagen fehlte in der Vergangenheit immer der nötige Platz für den zusätzlichen Harnstofftank. Durch eine neue Anordnung von Motor und Fahrgastraum sei es VW jetzt gelungen, auch den Harnstofftank im Auto unterzubringen, hieß es dazu aus Unternehmenskreisen.

Stefan Bratzel, der das Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach leitet, hält das für einen klugen Schachzug. „Kleinwagen sind unverzichtbar für ein Unternehmen wie Volkswagen“, sagt der Autoprofessor. Anders ließen sich die anspruchsvollen Ziele zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes nicht erreichen.

Der Diesel steht für ein grundsätzliches Dilemma der Autohersteller: Beim Kohlendioxid erreicht der Selbstzünder hervorragende Werte, bei den Stickoxiden ist der Diesel der große Umweltsünder.    

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