Volkswagen Porsche telefoniert noch mit Winterkorn

Wolfgang Porsche ist der einflussreichste Aufsichtsrat der Porsche/Piëch-Familie. Der Cousin von Ferdinand Piëch steht hinter VW-Chef Müller und Chefaufseher Pötsch. Doch an der Diskussionskultur sei noch zu Arbeiten.

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„Er hat dem Volkswagen-Konzern fast 35 Jahre gedient, das sollten wir nicht vergessen.“ Quelle: AFP

Genf VW-Aufsichtsrat Wolfgang Porsche hat sich für eine neue Gesprächskultur in den Führungsgremien des Konzerns ausgesprochen und will nach „Dieselgate“ auch schwierige Themen offen ansprechen. „Wenn wir zum Beispiel feststellen, dass wir in einzelnen Bereichen bei Volkswagen einen Personalüberhang haben, muss man frühzeitig über konstruktive Lösungen nachdenken können“, sagte Porsche am Rande des Genfer Autosalons. „Damit wird vermieden, dass man dann im Fall einer Krise von heute auf morgen Menschen entlassen muss.“

„Wir dürfen schwierige Themen nicht einfach tabuisieren, sondern müssen sie im Aufsichtsrat offen ansprechen“, forderte Porsche. Der 72-jährige Wolfgang Porsche ist als Chefkontrolleur der VW-Mutter Porsche SE der einflussreichste Aufsichtsrat der Porsche/Piëch-Familie. Die Familien halten über die Porsche-Holding die Mehrheit der Stimmrechte bei Volkswagen.

VW selbst will versuchen, nach dem Gewinneinbruch im Zuge des Skandals um manipulierte Abgastests bei Dieselfahrzeugen einen Jobabbau in der Stammbelegschaft zu vermeiden. Sicherheit gibt den Mitarbeitern im Haustarifvertrag eine Beschäftigungsgarantie, die betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Der Abbau von Stellen ist aber dennoch möglich. Bislang bangen vor allem die Leiharbeiter um ihre Jobs, zuletzt im VW-Werk in Emden.

Niedersachsens Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil (SPD) sagte: „Nach allem was ich weiß, haben wir „Dieselgate“ zwar mit vielen Schmerzen zu verarbeiten, Volkswagen hat aber auch eine ausgesprochen gute wirtschaftliche Substanz.“ Wenn VW wettbewerbsfähig bleibe, sei auch die Beschäftigung gesichert.

Porsche machte aber klar, dass an dem von VW-Chef Matthias Müller angekündigten Sparkurs kein Weg vorbei führe. „Wir müssen uns an der einen oder anderen Stelle sicher etwas schlanker aufstellen“, sagte der Aufsichtsrat. „Es gibt Dinge, die sind Nice-to-Have und Dinge, die sind ein Muss. Die Nice-to-Have-Dinge muss man hinterfragen.“

Entscheidungen sind aber nicht gefallen. „Solange wir nicht wissen, um welche Größenordnung es sich bei möglichen Schadenersatzforderungen oder Strafzahlungen handelt, werden wir auch nicht über konkrete Konsequenzen und Maßnahmen diskutieren“, sagte Porsche. Zur Aufarbeitung des Abgasskandals wollte er sich nicht äußern. „Die amerikanischen Behörden haben bestimmte Vorstellungen zur Aufklärung und zu möglichen Lösungen“, sagte Porsche lediglich.

Der Volkswagen-Konzern hat früh Hinweise auf gefälschte Abgaswerte bei Dieselautos erhalten. „Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand verdichteten sich bei Volkswagen ab Ende Mai 2015 zunehmend die Hinweise darauf, dass es zum Einsatz einer gegen US-Recht verstoßenden Software gekommen sein könnte“, heißt es in einer Klageerwiderung, mit der sich das Unternehmen gegen Schadensersatzforderungen enttäuschter Aktionäre wehrt. Das berichtet das „Handelsblatt“ in seiner Montagsausgabe. Der 115-seitige Schriftsatz liegt der Zeitung vor.


Porsche über Piëch: „Wir sind unterschiedlich“

Mitte Mai 2015 hatte ein Mitarbeiter der Rechtsabteilung Hinweise auf „einen möglichen Einsatz eines sogenannten Defeat Device“ erhalten, wie es in dem Dokument heißt. Volkswagen hat bei bis zu elf Millionen Dieselautos mit einer illegalen Software („Defeat Device“) die Abgaswerte gedrückt, um die Grenzwerte einhalten zu können. Mehrere Behörden ermitteln daher gegen den Konzern. Trotz dieses schwerwiegenden Verdachts unternahm der Rechtsexperte laut der Klageerwiderung nichts.

Dies war indes nicht der einzige Hinweis. Am 27. Juli 2015 trafen sich der damalige VW-Chef Martin Winterkorn und VW-Markenchef Herbert Diess mit einigen Technikern, um über Mängel an Modellen zu sprechen. Abseits des Protokolls wurde dem Dokument zufolge über die „Hintergründe der Dieselthematik“ gesprochen. „Bei dieser Besprechung teilten einzelne VW-Mitarbeiter aber möglicherweise erstmals mit, dass der Dieselthematik eine Softwareveränderung zur Beeinflussung des Abgasverhaltens auf dem Prüfstand zugrunde liegt.“

Winterkorn habe daraufhin die Mitarbeiter aufgefordert, „den Sachverhalt weiter aufzuklären“. Der Dieselbetrug wurde schließlich am 18. September von den US-Umweltbehörden EPA und Carb öffentlich gemacht. Diese werfen VW vor, die Aufarbeitung seit dem Frühjahr 2014 verschleppt zu haben.

Winterkorn hatte im September wenige Tage nach Bekanntwerden des Abgasskandals seinen Posten als VW-Chef abgegeben. „Wir haben damals hinterfragt, ob gerade er, der so viel für den Konzern geleistet hat, zurücktreten muss“, sagte Porsche. „Er hat es dann getan - und das war sicher die richtige Entscheidung.“ Er selbst stehe noch mit Winterkorn in Kontakt. „Ich telefoniere ab und zu mit ihm und frage ihn, wie es ihm geht. Er hat dem Volkswagen-Konzern fast 35 Jahre gedient, das sollten wir nicht vergessen.“

An dem neuen VW-Chef Müller hat er nichts auszusetzen. „Ich finde, dass Matthias Müller einen wirklich guten Job macht“, sagte Porsche. „Ich hoffe, er macht den Job noch lange.“ Der VW-Konzern und Aufsichtsrat sollten nicht von externen Managern geleitet werden, die das Unternehmen nicht kennen. „Man muss die Strukturen in Wolfsburg verstehen, sonst hat man keine Chance.“ Vom neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch erwarte er sich ganz generell eine starke Führung. „Und es hängt jetzt ziemlich viel von ihm ab.“ Die Familie hatte sich im Oktober für den ehemaligen VW-Finanzchef als neuen Aufsichtsratschef stark gemacht.

Laut „Bild am Sonntag“ hatte Pötsch bereits am 8. September 2015 als damaliger VW-Finanzchef Kenntnis darüber erhalten, dass der Autobauer US-Behörden gegenüber eine Betrugssoftware eingeräumt hat. Pötsch informierte VW-Anleger jedoch nicht sofort darüber. Nun werden Juristen entscheiden müssen, ob das richtig war oder ob Pötsch damit gegen die Regeln der Ad-Hoc-Publizität verstoßen hat. Wolfgang Porsche und die Familie stünden fest hinter Pötsch und Müller, hatte ein Sprecher der Porsche SE am Sonntag betont.

Porsche sprach sich auch für eine neue Gesprächskultur in den Führungsgremien aus: „Wir müssen mehr miteinander reden statt übereinander. Und das ist etwas, was wir im Konzern noch verbessern müssen“, sagt Porsche. Die Familie trete heute geschlossener und mehr als Gesamtfamilie auf als das vielleicht früher der Fall gewesen sei, sagte der VW-Kontrolleur. Neben Porsche sitzen sein Neffe Ferdinand Oliver Porsche, sein Cousin Hans Michel Piëch und dessen Nichte Louise Kiesling in dem Kontrollgremium bei VW.

Damit ist auch die vierte Generation der Familie inzwischen in der Pflicht, andere Mitglieder sitzen in den diversen Kontrollgremien der SE und der VW-Töchter. „Die nachfolgenden Generationen müssen an diese Aufgabe hingeführt werden.“ Es werde aber akzeptiert, wenn jemand sich nicht im Konzern einbringen wolle.

Seinen Cousin Ferdinand Piëch (78) trifft Porsche noch bei Gremiensitzungen wie im Aufsichtsrat der Porsche SE. „Wir sind sicher unterschiedlich, aber wir haben auch gemeinsame Verpflichtungen. Und wir haben eine gemeinsame Verantwortung für die 600.000 Mitarbeiter des VW-Konzerns.“ Piëch war im vergangenen Frühjahr nach einem internen Machtkampf als VW-Aufsichtsratschef zurückgetreten.

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