Volkswagen und Dieselgate Chefs in Wolfsburg können aufatmen

Die Einigung mit dem US-Justizministerium nimmt eine Last von Volkswagen. Doch der Konzern hat einfach nur Glück damit, dass die gesetzlichen Regeln in Europa längst nicht so scharf wie in den USA sind. Ein Kommentar.

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Die Konzernspitze von VW muss die US-Justiz wohl nicht mehr fürchten. Quelle: dpa

Düsseldorf Volkswagen hat ein wichtiges Kapitel geschlossen. Die Einigung mit dem US-Justizministerium im Dieselskandal sorgt dafür, dass die großen und wichtigen rechtlichen Auseinandersetzungen der Affäre tatsächlich beendet sind. Die Verantwortlichen in Wolfsburg können aufatmen. Die starke Aufwärtsbewegung der VW-Aktie an den Börsen unterstreicht, dass die meisten Investoren das genauso sehen.

Das ist wahrscheinlich die wichtigste Nachricht, wenn erst einmal alle moralischen und ethischen Fragen ausgeklammert bleiben. Die Einigung aus Washington ist ein Befreiungsschlag für den VW-Konzern. Im neuen Jahr 2017 sollte sich das gesamte Unternehmen wieder auf die eigentliche Aufgabe konzentrieren und einfach nur Autos bauen.

Die Dieselaffäre dürfte den Konzern nun nicht mehr lähmen und blockieren. Das ist ganz besonders wichtig, weil Volkswagen wie die anderen Autohersteller auch Digitalisierung und Elektrifizierung vorantreiben muss. Schon jetzt stehen wichtige Vorentscheidungen auf diesen Feldern an, die die gesamte Branche auf Jahre prägen werden.

Das Verhandlungsergebnis aus den USA enthält noch eine andere wichtige Botschaft. Auch den so gefürchteten amerikanischen Kriminalbehörden ist es in einem Jahr intensivster Ermittlungsarbeit nicht gelungen, der VW-Konzernspitze eine konkrete Verwicklung in den Abgasskandal nachzuweisen.

Auch wenn das US-Justizministerium ankündigt, dass die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind: Mit jedem weiteren Tag nimmt die Wahrscheinlichkeit ab, dass insbesondere der frühere Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn die Macht der amerikanischen Justiz fürchten muss. Wenn sich bisher keine Beweise gegen ihn gefunden haben, dann dürfte das auch in naher Zukunft nicht mehr gelingen.

Volkswagen hat es also auch in den USA geschafft, im Kern mit der eigenen Argumentation durchzukommen: Die Dieselaffäre hat ihren Ursprung auf der Ingenieurs- und Entwicklerebene, das Top-Management war in die kriminellen Machenschaften nicht verwickelt.


Einmalig für die Autobranche

Trotz aller Erleichterung sollte jetzt aber niemand vergessen: Was sich der VW-Konzern geleistet hat, bleibt einmalig in der Geschichte der Automobilbranche. Der Wolfsburger Hersteller hat weltweit elf Millionen belogen und betrogen. Über bald zehn Jahre sind Autos verkauft worden, die die versprochenen Abgasgrenzen eben nicht eingehalten haben.

Volkswagen kann von Glück sagen, dass es die extrem scharfen Entschädigungsansprüche nur in den USA gibt. Denn das ist ein ganz wichtiger Punkt: Wenn der VW-Konzern in Europa in ähnlicher Form wie in den USA belastet worden wäre, hätte das die Existenz des Unternehmens in ernste Gefahr gebracht.

Rund 20 Milliarden Euro hat Volkswagen bisher für die Bewältigung der Affäre zurücklegen müssen. Diese Kosten kommen bislang fast ausschließlich aus den USA. Das wird nicht das Ende sein, weitere Belastungen stehen noch aus. Aber es werden keine ganz großen Summen mehr kommen, die den Wolfsburger Konzern in seinen Grundfesten erschüttern könnten.

Volkswagen hat trotz der Milliardenbelastungen aus den USA auch im vergangenen Jahr immer noch sehr gut verdient. 2017 ohne weitere größere Rückstelllungen sollte es noch besser werden, die Aussichten der gesamten Automobilbranche für das neue Jahr sind zudem nicht die schlechtesten.

Wolfsburg kann jetzt also aufatmen, die Normalität kehrt ein Stück weit zurück. Dass das Unternehmen vergleichsweise glimpflich davonkommt, nährt jedoch eine ganz andere Sorge. Eigentlich müsste VW garantieren, dass sich ein solcher Skandal nicht mehr wiederholen kann. Doch wenn dessen Auswirkungen zu schnell wieder vergessen sind, kann so etwas möglicherweise doch wieder passieren. Deshalb hätten die Strafen für Volkswagen vielleicht doch etwas höher ausfallen müssen.

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