Volkswagen will T-Shirts sparen Oberkörper frei am Band

Absurde Sparmaßnahme: VW will seinen Bandarbeitern offenbar die T-Shirts streichen. Diese könnten nicht mehr zur Arbeitskluft zählen. Der Betriebsrat geht auf die Barrikaden – und auch von US-Behörden droht neuer Ärger.

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„Kolleginnen und Kollegen unter ihren Latzhosen künftig mit freiem Oberkörper arbeiten sollen – das machen wir nicht mit.“ Quelle: Imago

Wolfsburg/Hamburg Der kriselnde Autobauer VW überlegt bei seinem Sparkurs offensichtlich, den Bandarbeitern Teile ihrer Arbeitskluft zu streichen. „Bei Volkswagen gibt es allen Ernstes Bestrebungen, die T-Shirts als Teil der Arbeitskleidung abzuschaffen“, hatte der Chef des Betriebsrates, Bernd Osterloh, am Dienstag in Wolfsburg bei einer Versammlung vor gut 20.000 Mitarbeitern gesagt.

Osterloh verwies auf Verhandlungen am Mittwoch. Wie die Deutsche Presse-Agentur am Freitag aus Unternehmenskreisen erfuhr, verliefen die Gespräche zum T-Shirt-Sparen aber ergebnislos. Die Debatte sei vertagt worden.

Osterloh hatte bei der Betriebsversammlung den Plan zur Abschaffung der T-Shirts als „indiskutabel“ zurückgewiesen. dpa liegt eine Mitschrift seiner Rede vor. Demnach kündigte Osterloh an, notfalls alternativ die IG Metall für T-Shirts sorgen zu lassen. „Ich weiß schon, was dann auf den T-Shirts geschrieben steht: „Die IG Metall lässt Dich nicht ohne Hemd dastehen““, sagte Osterloh demnach.

Teilnehmer der Betriebsversammlung bestätigten, dass Osterloh das Thema T-Shirts tatsächlich zu Sprache brachte. Fassungslos sagte er demnach: „Volkswagen könnte Milliarden sparen, wenn die richtigen Hebel bewegt und die Prozesse eingehalten werden. Aber dass unsere Kolleginnen und Kollegen unter ihren Latzhosen künftig mit freiem Oberkörper arbeiten sollen – das machen wir nicht mit.“

Wie hoch die Verhandlungen zu den T-Shirts hängen und ob der Vorstoß womöglich eine Einzelmeinung darstellt oder tatsächlich offiziell vom Management als Sparvorschlag abgesegnet ist, ließ sich am Freitag zunächst nicht klären. Ein VW-Sprecher wollte den Vorgang prüfen.

Die finanziellen Folgen der Abgas-Affäre bedrohen auch tausende Stellen in der Verwaltung. Bei den Mitarbeitern im Haustarif soll in den Büro-Abteilungen außerhalb der Produktion nach Informationen aus Konzernkreisen bis Ende 2017 jeder zehnte Job wegfallen. Wegen der laufenden Beschäftigungssicherung müsse allerdings niemand fürchten, arbeitslos zu werden, erfuhr die dpa am Donnerstag aus sicherer Quelle.

Der geplante Stellenabbau der Bürokräfte sei über Personalschwankungen, Altersteilzeit oder die Zuweisung neuer Aufgaben für die betroffenen Kollegen möglich. Es dürfte den Angaben aus Unternehmenskreisen zufolge dabei um gut 3000 Stellen gehen. Ein Konzernsprecher sagte, das bekannte Programm zur Steigerung der Effizienz der Kernmarke VW betreffe alle Bereiche - und damit auch die Personalkosten. Die Aussage des neuen VW-Markenchefs Herbert Diess, dass man „fest zu unserer Stammbelegschaft“ stehe, gelte weiterhin.

Trotzdem zeichnet sich eine schwere Verstimmung zwischen dem Land Niedersachsen als zweitgrößtem Anteilseigner und dem Autobauer ab. Wirtschaftsminister Olaf Lies – der wie Ministerpräsident Stephan Weil im VW-Aufsichtsrat sitzt – ließ am Freitag über seinen Sprecher erklären: „Der Minister ist sehr verärgert über die Kommunikation bei VW; da werden spekulativ Zahlen in die Welt gesetzt, die offiziell nicht kommuniziert wurden.“ Lies war am Vorabend von der Opposition im niedersächsischen Landtag scharf attackiert worden, weil dem SPD-Politiker der geplante Abbau Tausender Stellen bei Volkswagen nicht bekannt war.

Nicht nur in Niedersachsen droht dem Konzern weiterer Ärger, auch in den USA spitzt sich die Situation für den Autobauer weiter zu.


Was Informatik-Experten über das Schummel-Update herausfanden

Sollte sich bewahrheiten, dass die Schummelei umfangreicher war als bisher bekannt, könnte sich dies nach Ansicht der kalifornischen Umweltbehörde (Carb) auf die Höhe der Strafe auswirken. „Das wird die Strafzahlungen beeinflussen, denn das zeigt die Haltung von VW von Anfang an, nicht mit uns zu kooperieren, um Schaden für die Umwelt abzuwenden“, sagte Carb-Sprecher Stanley Young am Freitag dem ARD-Morgenmagazin.

VW äußerte sich nicht. Ein Sprecher sagte: „Der gesamte Themenkomplex wird derzeit intensiv untersucht. Vor Abschluss der internen und externen, unabhängigen Untersuchungen können wir hierzu jedoch keine Auskunft geben.“

Nach Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung sollen VW-Entwickler noch Monate nachdem Volkswagen bereits wegen überhöhter Abgaswerte im Visier der Umweltbehörde war, weitere Manipulationen an Dieselmotoren vorgenommen haben. Demnach soll die illegale Abschalteinrichtung noch zum Jahreswechsel 2014/2015 unbemerkt von den US-Behörden durch ein Software-Update verfeinert worden sein. Dadurch konnten die Fahrzeuge noch genauer erkennen, ob sie sich auf einem Prüfstand oder auf der Straße befanden. Der Konzernvorstand soll davon nichts gewusst haben.

Neu an der Software war dem Bericht zufolge, dass auch die Stellung des Lenkrads erfasst wurde. Zu diesem Schluss seien Informatik-Experten gekommen, die im Auftrag des NDR die Steuerungssoftware des US-Passat vor und nach der Überarbeitung untersucht hätten, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ (Freitagausgabe).

Die kalifornische Umweltbehörde hatte Volkswagen im Frühsommer 2014 aufgefordert, zu hohe Stickoxidwerte bei Dieselautos im Straßenbetrieb zu erklären. Die Wolfsburger hatten daraufhin Ende 2014, Anfang 2015 rund 500.000 betroffene Fahrzeuge in die Werkstätten gerufen. Bei einem Teil davon wurde ein Software-Update aufgespielt. Bislang ist bekannt, dass die Wagen auch danach die Grenzwerte überschritten. Daraufhin intensivierte die Umweltbehörde ihre Prüfung und entdeckte die Abschalteinrichtung.


Deftiger Verkaufsrückgang in China

Bereits im Mai 2014 und damit fast eineinhalb Jahre vor Bekanntwerden der Affäre um manipulierte Abgaswerte wurde der damalige Vorstandschef Martin Winterkorn in einem Vermerk über Unregelmäßigkeiten bei Diesel-Motoren informiert. Nach VW-Darstellung ist unklar, ob er diese Notiz, die seiner umfangreichen Wochenendpost beigelegt war, überhaupt zur Kenntnis genommen hat.

Am 18. September vergangenen Jahres machte die US-Umweltbehörde EPA den Vorgang öffentlich. VW räumte die Manipulationen, die weltweit rund elf Millionen Fahrzeuge betreffen, daraufhin öffentlich ein. Dem Konzern drohen wegen Verstößen gegen US-Umweltgesetze hohe Strafzahlungen sowie Schadensersatzforderungen von Autohaltern und Anlegern.

Die Negativschlagzeilen wirken sich offenbar auch auf die Absatzzahlen aus: Der kurze Aufwärtstrend bei den Verkäufen der VW-Kernmarke ist im Februar wieder abgeflaut. Die Pkw-Marke um Golf und Passat lieferte im zweiten Monat des neuen Jahres weltweit 394.400 Fahrzeuge aus. Das waren 4,7 Prozent weniger als im Februar des Vorjahres, wie Volkswagen am Freitag in Wolfsburg mitteilte. Im Januar hatten die Verkäufe im Jahresvergleich noch um 2,8 Prozent zugelegt, nun liegen sie im Jahresverlauf bei minus 0,5 Prozent.

Auslöser des Dämpfers ist vor allem der Februar-Rückgang von 3,0 Prozent in China. VW erklärte das mit den Feiertagen zum diesmal später gelegenen chinesischen Neujahrsfest. Sorgenkinder mit kräftigen Rückgängen bleiben die Märkte Südamerika und Russland.

Der Abgas-Skandal sorgt zudem weiter für einen Verkaufsstopp von Diesel-Fahrzeugen in den USA, wo die Kernmarke auf Jahressicht 13,8 Prozent weniger Autos verkaufte. Für den Einzelmonat Februar lag das Minus in den Vereinigten Staaten bei 13,2 Prozent. Aus Sicht von VW-Markenvorstand Jürgen Stackmann gibt es auf Jahressicht global gesehen ein beinahe positives Bild: „Die Verkäufe der Marke Volkswagen bleiben weltweit betrachtet nahezu stabil.“

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