Vorwerk Thermomix soll mit Skype-Partys die USA erobern

Das Wuppertaler Familienunternehmen Vorwerk lebt gut von Kobold und Thermomix. Staubsauger mit App-Steuerung und der Thermomix mit Rezepten per Wlan sollen nach dem erneuten Umsatzrekord 2015 auch in diesem Jahr die Markposition sichern.

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Blick in die Produktion des Thermomix TM5 von Vorwerk. Quelle: dpa

"Wir wollen nicht in Euphorie verfallen", sagt Reiner Strecker in einem Tonfall, in dem man ihm das sofort glaubt. Höchster Umsatz in 132 Jahren Firmengeschichte, Zuwächse von 16, 49, gar 91 Prozent, Rekorde bei Stückzahlen und Marktanteilen - und vermutlich auch beim Gewinn. "Das werden wir auch dieses Jahr wieder zurückhaltend kommentieren", sagt Strecker, einer von drei persönlich haftenden Gesellschaftern der Wuppertaler Vorwerk & Co. KG. Man sei mit dem Ergebnis zufrieden und freue sich über die zurückhaltende Entnahmepolitik der Eignerfamilie.

Im Stammhaus in Wuppertal wurde eine zweite Montagelinie für die Produktion des Topstars des Unternehmens installiert: Der Thermomix. Genauer: Der TM5, der vergangenes Jahr mit 39 Prozent den größten Anteil am Gesamtumsatz des Konzerns von 3,46 Milliarden Euro ausmachte.

Die Staubsauger der Marke Kobold trugen 30 Prozent bei, die Kosmetiktochter lieferte 13 Prozent, ebenso wie die hauseigene Mittelstandsbank afk-Gruppe. Mit 88 Millionen Euro und damit nur noch 3 Prozent Anteil tragen die Teppiche zum Umsatz bei, jenes Produkt, mit dem alles begann.

Die sechs Sparten von Vorwerk

16.000 freiberufliche Berater ("überwiegend Damen") reisen allein in Deutschland umher, um den Menschen die Vorzüge von Staubsaugern, Saugrobotern und vor allem dem Thermomix nahezubringen, auf den die Kunden in Spitzenzeiten bis zu 13 Wochen warten mussten. Derzeit sind es sechs Wochen, in den kommenden Monaten sollen sie nur noch ein bis zwei Wochen warten müssen.

Ist der Hype um das 1199 Euro teure Gerät vorbei, das bei Stiftung Warentest nur ein "Ausreichend" bekam und kürzlich Schlagzeilen in Australien machte, weil eine Nutzerin sich verletzt hatte.

Wenn es nach Frank van Oers geht, dann auf keinen Fall. Auch in Deutschland, dem traditionell stärksten Land, sei noch Potential. Bis zu 15 Prozent aller deutschen Haushalte hat das Unternehmen als potentielle Kunden für ein Küchengerät wie den Thermomix ausgemacht. "Die meisten verkaufen wir in Süddeutschland", sagt van Oers.

Mit dem eigenen Web-Auftritt, derzeit 50 und schlussendlich 70 bis 80 Shops und natürlich den freien Mitarbeitern im Direktvertrieb sollen die bislang Unerreichten für die Maschine begeistert werden.

Thermomix testet Kooperation mit Hello Fresh

Dabei soll sowohl beim Thermomix als auch beim Kobold die Digitalisierung helfen. Mitte Juni kommt mit dem "Cook-Key" ein Zusatzteil auf den Markt, das per Wlan Zugriff auf die Rezeptdatenbank im Internet hat und das Kochen nach Displayangabe ("Guided Cooking") noch weiter erleichtern soll. "Auch eine Einkaufsliste kann erstellt werden", sagt Gesellschafter Rainer Christian Genes, der nach zehn Jahren in Vorwerks Beirat seinen Job bei Daimler gegen die Geschäftsführung bei Vorwerk eintauschte.

Im nächsten Schritt stünde nicht nur die Einkaufsliste, sondern auch die automatische Bestellung und Lieferung der nötigen Lebensmittel. Derzeit testet Vorwerk eine Kooperation mit dem Lieferdienst Hello Fresh, an dem Vorwerk seit vier Jahren auch beteiligt ist. Trotz des abgesagten Börsengangs von Hello Fresh gibt sich der Konzern zuversichtlich: "Wir sind zufrieden mit unserer Beteiligung", sagt Strecker, der selbst am Mittwoch sein erstes Paket geliefert bekam. Zuverlässigkeit und Überraschung lobt er: "Schweinefilet mit Rhabarbersauce - da wäre ich doch nie drauf gekommen."

Einen potentiell riesigen Markt hat Vorwerk mit den USA identifiziert. Nicht nur sind Kunden in den USA an Direktvertrieb gewöhnt, sondern nun auch bereit für "gesunde Ernährung". Von der Bay-Area an der Westküste aus soll das Land erobert werden. Bis zu 10.000 freiberufliche Vertriebsmitarbeiter sollen in den kommenden Jahren den Thermomix vorführen und die Kunden zum Kauf verführen.

"Es ist natürlich sinnlos, einen Berater von San Francisco nach New York fliegen zu lassen", sagt van Oers. Stattdessen setzt das Unternehmen auf sogenannte Skype-Partys, wo per Liveübertragung die potentiellen Kunden das Gerät vorgeführt bekommen - mit dem Unterschied, dass sie das Ergebnis nicht probieren können.

Der Kobold wiederum soll ebenfalls digitaler werden. Der Saugroboter VR200 soll künftig per App gesteuert werden können, Grundrisse der Wohnung in der App hinterlegt werden. Für Gesellschafter Genes ist das Reinigen von Fußböden längst nicht alles, was an Aufgaben übertragen werden kann. "Sensoren wie für Feuchtigkeit jeder Art können in einem Saugroboter enthalten sein", sagt Genes. Eine Kamera könne so konstruiert sein, dass sie per App gesteuert würde und beispielsweise zeigen könnte, ob die Fenster geschlossen seien.

Laut Strecker ist es Tradition von Vorwerk, jährlich ein neues Gerät zu präsentieren. 2015 war es das Set an Akkuschrauber, Heißklebepistole, Elektrotacker und Akkustichsäge. 2016 ist es der "Cook-Key". Für 2017 ist bereits klar, dass es eine weitere Neuheit für die Küche wird. Ein Roboter zum feuchten Wischen von glatten Böden wird also noch etwas auf sich warten lassen. "Es gibt Studien", sagt Strecker und klingt dabei so aufgeregt wie bei den Konzernzahlen.

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