VW-Abgas-Skandal Vorwürfe gegen Ministerpräsident Weil

Die CDU wirft Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) Untätigkeit im VW-Aufsichtsrat vor. Indes müssen Martin Winterkorn und andere wohl nicht mit Haftstrafen rechnen, heißt es bei der Staatsanwaltschaft.

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Winterkorn hat nach einem Bericht der „Bild am Sonntag“ mindestens zwei Monate vor Bekanntwerden des Diesel-Skandals von den Manipulationen erfahren. Mit einer Haftstrafe muss er aber wohl nicht rechnen. Quelle: dpa

Hannover/Wolfsburg/Frankfurt Im Abgas-Skandal bei Volkswagen hat die CDU in Niedersachsen den Vertretern der Landesregierung im VW-Aufsichtsrat Untätigkeit vorgeworfen. Ministerpräsident Stephan Weil und Wirtschaftsminister Olaf Lies (beide SPD) als Aufsichtsratsmitglieder ließen die „konsequente Aufklärung bei Volkswagen treiben, um sich über die Landtagswahl zu retten“, kritisierte der CDU-Landesvorsitzende und Spitzenkandidat, Bernd Althusmann, am Montag.

Weil solle „seiner Rolle als Aufsichtsrat endlich gerecht werden“, außerdem müsse das Kontrollgremium die Frage einer Schadenersatzklage gegen Ex-Konzernchef Martin Winterkorn neu prüfen, forderte Althusmann. „Seit bald zwei Jahren wird rechtlich taktiert.“ Weil scheine in „Schockstarre verfallen“. Die Landtagswahl in Niedersachsen ist für den 14. Januar 2018 geplant.

Winterkorn wird einem Bericht der „Bild am Sonntag“ zufolge von Kronzeugen und US-Ermittlungsakten belastet. Demnach hatte ein VW-Abgasspezialist dem damaligen VW-Chef sowie VW-Markenchef Herbert Diess am 27. Juli 2015 die Betrugssoftware erklärt, mit der weltweit elf Millionen Fahrzeuge manipuliert wurden. Volkswagen erklärte: „Vor dem Hintergrund laufender Ermittlungen äußern wir uns zu den genannten Sachverhalten inhaltlich nicht.“ Nach Konzernangaben hat die VW-Führungsspitze erst wenige Tage vor Bekanntwerden des Skandals detailliert von den Manipulationen erfahren.

Althusmann kündigte an, die CDU-Landtagsfraktion werde ihr parlamentarisches Recht auf Akteneinsicht einfordern, interne VW-Prüfberichte müssten dem Parlament zugänglich gemacht werden.


Wohl keine Haftstrafe für Winterkorn

Indes müssen der frühere VW-Chef Martin Winterkorn und andere im Dieselskandal Beschuldigte von Volkswagen müssen derzeit keine Haftbefehle der Ermittler in Deutschland fürchten. „Wir sehen wie bisher keinen Ansatzpunkt, einen unserer Beschuldigten wegen Fluchtgefahr festzunehmen“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. „Die überwiegende Zahl der Beschuldigten hat ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland, niemand hat sich bislang dem Ermittlungsverfahren entzogen.“ Die Braunschweiger ermitteln gegen insgesamt 37 Personen, unter ihnen Winterkorn, wegen des Verdachtes auf Betrug bei Dieselabgasen. Die Staatsanwaltschaft München hatte vergangene Woche einen ersten Beschuldigten von der VW-Tochter Audi festgenommen, die eine zentrale Rolle bei der Dieselmotorenentwicklung spielte.

Ende Januar hatte die Behörde erklärt, es gebe Anhaltspunkte, dass Winterkorn entgegen seiner eigenen Aussage schon vor dem 18. September 2015 über die Softwaremanipulation bescheid wusste. Das berichtete auch am Wochenende die „Bild am Sonntag“ mit Verweis auf Dokumente der US-Justiz. Demnach sollen Winterkorn und auch der damals gerade frisch angetretene VW-Markenchef Herbert Diess am 27. Juli 2015 in Wolfsburg über die Betrugssoftware informiert worden sein. Bei einer Besprechung am 25. August 2015 habe der Anfang dieses Jahres in den USA verhaftete VW-Manager die Summe von 18,5 Milliarden Dollar genannt, die als Strafzahlung auf den Konzern zukommen könnte. Winterkorn hatte im Januar im Untersuchungsausschuss des Bundestages bestritten, vor der Bekanntgabe des Verstoßes durch die US-Behörden im September 2015 von den Manipulationen erfahren zu haben.

Der Zeitpunkt, ab dem der VW-Spitze die drohenden finanziellen Folgen des Betruges in den USA klar waren, ist wichtig für die Ermittlungen wegen Marktmanipulation gegen damalige Vorstände von VW und der Hauptaktionärin Porsche SE. Die Nachricht über eine Manipulation von elf Millionen Fahrzeugen weltweit löste einen Kurseinbruch aus. Viele Anleger erlitten Kursverluste und verklagten VW und die Porsche SE, gezielt zu spät über den Fall informiert zu haben. Beide Unternehmen wiesen das zurück. Letztlich müssen Ermittler und Richter klären, ob die Manager schon vor dem 18. September die Summe der Belastung kannten und diese nicht nur für das schlechteste, aber unwahrscheinliche Szenario hielten.

Die Staatsanwaltschaft München bestätigte unterdessen, dass der vorige Woche inhaftierte Audi-Manager gegenüber der Behörde zur Aussage bereit ist. „Der Beschuldigte macht Angaben“, erklärte eine Sprecherin. Die „Süddeutsche Zeitung“ zitierte den Anwalt des italienischen Staatsbürgers damit, dass sein Mandant kooperiere und einen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhaltes leisten wolle. Audi hatte den Ingenieur im Frühjahr entlassen. Die Münchner Staatsanwälte ermitteln noch gegen mehrere Beschuldigte von Audi.

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