VW-Abgasaffäre Volkswagen kann in Deutschland keine Milde erwarten

Gut 15 Milliarden Dollar zahlte Volkswagen für den Abgas-Vergleich in den USA. Die Höhe des Bußgeldes in Deutschland ist noch unbekannt. Bei der Errechnung der Strafe gibt es eine Schwierigkeit.

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Im Rahmen des Bußgeldverfahrens könnte die Staatsanwaltschaft Braunschweig die Gewinne abschöpfen, die VW durch den weltweiten Verkauf von elf Millionen manipulierten Fahrzeugen erzielt hat. Quelle: dpa

Hamburg Der gut 15 Milliarden Dollar teure Abgas-Vergleich in den USA wird Volkswagen voraussichtlich nicht auf mögliche Strafen in Deutschland angerechnet. „Wir können bei der Berechnung des Bußgelds nicht darauf achten, was VW etwaig in anderen Ländern zahlen muss“, sagte Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe am Montag. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig geht dem Anfangsverdacht nach, dass Volkswagen im Zusammenhang mit der Manipulation von Abgaswerten eine Ordnungswidrigkeit begangen haben könnte. Im Rahmen des Bußgeldverfahrens könnte die Behörde Gewinne abschöpfen, die VW durch den weltweiten Verkauf von elf Millionen manipulierten Fahrzeugen erzielte. Zur Höhe eines möglichen Bußgelds machte die Staatsanwaltschaft keine Angaben.

Das deutsche Gesetz gegen Ordnungswidrigkeiten sieht vor, dass eine Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil übersteigen soll, den ein Täter aus einem Vergehen gezogen hat. Schwierig dürfte es allerdings werden, den Gewinn zu ermitteln, den VW durch den Verkauf der betroffenen Fahrzeuge erzielt hat. „Die Grundlagen der Gewinnberechnung müssen noch festgestellt werden“, sagte Ziehe. Es würden vermutlich Schätzwerte genommen. „Wer kann den Gewinn schon rechnerisch genau bemessen, der sich durch Verkäufe von abgasmanipulierten Fahrzeugen ergeben hat?“

Die bisher in den Medien genannten Zahlen seien jedenfalls „spekulativ“, sagte Ziehe. Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte unter Verweis auf andere Fälle berichtet, einige hundert Millionen Euro seien denkbar. Siemens hatte wegen der Korruptionsaffäre vor einigen Jahren in den USA und Deutschland rund eine Milliarde an Geldbußen zahlen müssen.

Volkswagen bestätigte am Montag den Eingang eines Schreibens der Staatsanwaltschaft. Darin werde dem Unternehmen mitgeteilt, dass Ermittlungen aufgenommen worden seien, sagte ein Sprecher. „Details sind uns nicht bekannt. Daher können wir uns auch zur Sache weiter nicht äußern.“

In den USA, wo der Skandal im September aufgeflogen war, hatte Volkswagen jüngst mit Behörden und Privatklägern einen umgerechnet rund 13,8 Milliarden Euro teuren Vergleich ausgehandelt. Es ist die höchste Wiedergutmachung, die ein Autobauer je in den USA leisten musste. Damit sind die 16,2 Milliarden Euro, die VW wegen der Abgaskrise zur Seite gelegt hat, fast aufgezehrt. Volkswagen hat mehrfach erklärt, dass derzeit keine weiteren Rückstellungen geplant seien.


Warum die Staatsanwaltschaft anders als Dobrindt denkt

Der US-Vergleich betrifft lediglich die zivilrechtlichen Forderungen und muss noch vom Gericht abgesegnet werden. Die strafrechtlichen Ermittlungen laufen weiter. Zudem ist Volkswagen mit Klagen von Investoren konfrontiert, die Schadensersatz für erlittene Kursverluste verlangen.

Ziehe betonte, die Ermittler hätten keine andere Wahl, als dem Anfangsverdacht gegen Volkswagen nachzugehen. „Wir können nicht nach Gutsherrenart vorgehen und sagen: VW wird in den USA schon so stark zur Kasse gebeten, dann sind wir mal nicht so. Das geht nicht. Wir werden das sachlich-objektiv prüfen.“

Damit nimmt die Staatsanwaltschaft eine andere Position ein als Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Sein Ministerium verzichtet darauf, Bußgelder gegen Volkswagen zu verhängen und verweist darauf, dass der Konzern die manipulierten Fahrzeuge repariere. Volkswagen ruft derzeit in Europa millionenfach betroffene Fahrzeuge in die Werkstätten, um eine neue Software aufzuspielen.

Auch in Deutschland sind Schadensersatzforderungen von Anlegern und Dieselbesitzern anhängig. Beim Landgericht Braunschweig lagen zuletzt 55 Klagen von VW-Kunden sowie 130 Klagen von Aktionären, darunter Forderungen mehrerer institutioneller Anleger über fast 3,2 Milliarden Euro. Zur Bewältigung der Abgasaffäre schafft Niedersachsens Justiz sechs neue Richterstellen.

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