VW-Betriebsversammlung Der Dauerstreit in Wolfsburg geht weiter

Im VW-Stammwerk Wolfsburg ist heute mal wieder Betriebsversammlung. Diese dürfte zur Bühne für den Betriebsrat und dessen Managerschelte werden. Wann findet der Dauerstreit bei Volkswagen endlich ein Ende?

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Der umstrittene Zukunftspakt bei VW mit Stellenstreichungen und Zukunftsinvestitionen ist am Dienstag Thema in Wolfsburg. Quelle: dpa

Wolfsburg Im Fußball würde man sagen: Dieser Verein ist untrainierbar. Streitende Funktionäre, verunsicherte Spieler und jetzt grätscht auch noch der ehemalige Vereinspräsident dazwischen. Volkswagen ist zwar kein Fußballclub, sondern ein Konzern mit 625.000 Beschäftigten. Dennoch kommt es bei Europas größtem Autobauer immer wieder zu Rudelbildung.

Als gäbe es bei VW nicht ohnehin genug Probleme, keilt seit kurzem der Betriebsrat immer wieder öffentlich gegen das Management der VW-Kernmarke aus. An diesem Dienstag dürfte es Betriebsratschef Bernd Osterloh einmal mehr krachen lassen.

Im Stammwerk in Wolfsburg ist Betriebsversammlung. Osterloh wird erneut gegen seinen Lieblingsfeind wettern: den Chef der ertragsschwachen Kernmarke VW, Herbert Diess. Aber auch Diess will wohl vor den Werkern sprechen. Der Manager gilt als Kostenkiller, als beharrlicher Kämpfer, der nicht locker lässt.

Im November erst rauften sich die Streithähne zusammen, um einen Sparpakt zu verkünden: Bis zu 30.000 Stellen fallen bis 2025 weg, 23.000 davon in Deutschland. Auf der anderen Seite sollen Tausende neue Stellen in Zukunftsbereichen wie Software und mobilen Dienstleistungen entstehen. Doch nach der mühsamen Einigung rummst es wenige Wochen später schon wieder gewaltig.

Der Betriebsrat schlägt Alarm: Diess betreibe Wortbruch, sei „unsozial“. Das Unternehmen übt sich eher in Zurückhaltung, Diess wolle eine „sachliche Klärung“, Personalchef Karlheinz Blessing sprach von „Missverständnissen“. Wohl auch deswegen, weil man schneller Leiharbeiter abbauen will als es sich der Betriebsrat in den Verhandlungen zum Sparpakt notiert hat. Nach außen sieht es schließlich nicht gerade nach Sparen aus, wenn die Mitarbeiterzahlen erst einmal deutlich in die Höhe gehen.

Der Streit eskaliert immer mehr: Zunächst sickerten Notizen von Diess durch, wonach er sich nach der Gewerkschaftsmitgliedschaft von einigen Managern erkundigte. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann gab sich sofort alarmiert: Gewerkschaftsangehörigkeit dürfe nicht zum Hindernis für die Karriere werden. Diess wiederum sagte der „Bild“-Zeitung, womöglich komme bei VW besser voran, wer in der IG Metall sei - und das könne nun auch nicht sein.

Es ist ein heikles Thema in Wolfsburg. Die Arbeitnehmervertreter haben hier auch aus historischen Gründen eine ungewöhnlich starke Stellung. Das Unternehmen wurde schließlich von den Nazis aus enteignetem Gewerkschaftsvermögen gegründet.


Gehälter sind immer wieder Reizthema

Der engste Partner des Betriebsrats in Wolfsburg ist die niedersächsische Landesregierung. Niedersachsen ist VW-Großaktionär, Ministerpräsident Stephan Weil und Wirtschaftsminister Olaf Lies (beide SPD) sitzen im VW-Aufsichtsrat. Zusammen haben beide arbeitnehmernahen Lager – bei einem Konzern dieser Größenordnung in Deutschland einzigartig – eine Blockade-Mehrheit im Aufsichtsrat.

Reizthema immer wieder: Die Manager-Gehälter. Die Rente von knapp 3100 Euro pro Tag für Ex-VW-Chef-Winterkorn, der im Zuge des Dieselskandals zurücktrat. Die millionenschwere Abfindung für die nur gut ein Jahr amtierende Ex-Rechtsvorständin Christine Hohmann-Dennhardt. Die Managerboni sollen nun reformiert werden.

Die Politik versucht das Thema für sich zu nutzen. Die Rente von Winterkorn bekomme er den Bürgern gar nicht erklärt, sagte Ministerpräsident und Aufseher Weil kürzlich dem Handelsblatt. Er halte Managergehälter für zu hoch und eine Begrenzung für notwendig. Die Abfindung von Hohmann-Dennhardt hatte er dagegen im Aufsichtsrat selbst mitgetragen.

Im Frühjahr 2016 wollten Land und der Betriebsrat die hohen Bonuszahlungen der VW-Vorstände angesichts von „Dieselgate“ am liebsten ganz streichen - konnten sich aber nicht durchsetzen. Heraus kam ein teilweiser Verzicht. Vorerst. Wenn der Aktienkurs bis 2019 stark steigt, bekommen die Vorstände die Boni doch noch.

Das ganz große Hauen und Stechen könnte aber erst noch bevorstehen. Dann nämlich, wenn VW bei der Aufarbeitung des Dieselskandals Schadenersatzansprüche gegen frühere Top-Manager geltend machen sollte - es ginge um Milliarden.

Derzeit prüft der Konzernvorstand Ansprüche etwa gegen den früheren Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch. Der Ex-Firmenpatriarch, der im April 80 Jahre wird, musste im Frühjahr 2015 nach einem internen Machtkampf mit dem damaligen Vorstandschef Winterkorn zurücktreten.

Piëch hat sich zuletzt mit allen Großkopferten bei VW angelegt. Medienberichten zufolge hat er gegenüber der Staatsanwaltschaft ausgesagt, dass unter anderem Weil und Osterloh bereits im März 2015 von Hinweisen auf Abgas-Manipulationen in den USA erfahren haben sollen - viel früher als behauptet. Weil warf Piëch daraufhin vor, er verbreite „Fake News“, auch Osterloh wies die Anschuldigungen scharf zurück.

So außergewöhnlich VW auch ist: Streit zwischen Betriebsrat und Managern gibt es wohl nahezu in jedem Konzern und schmutzige Wäsche gibt es fast überall zu waschen. Doch kaum irgendwo in der deutschen Wirtschaft geschieht das alles so andauernd und öffentlich wie bei Volkswagen.

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