VW-Chef fordert Subventionsende Das müssen Sie in der Dieseldebatte wissen

Keine Subventionen mehr für den Diesel – das fordert ausgerechnet VW-Chef Matthias Müller. Warum Diesel bislang an der Zapfsäule günstiger ist – und was für ein Ende der staatlichen Förderung spricht.

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Wenn es nach VW-Chef Müller geht, ist die Zeit des billigen Diesels bald vorbei. Quelle: dpa

Düsseldorf Ein Vorschlag, der Industrie und Politik spaltet: Im Handelsblatt-Interview hat VW-Chef Matthias Müller dafür plädiert, das Steuerprivileg für Dieselkraftstoffe abzuschaffen. „Das Geld könnte sinnvoller in die Förderung umweltschonender Antriebstechniken investiert werden“, sagte Müller. Während SPD und Grüne positiv auf Müllers Initiative reagierten, kam von Union und FDP scharfe Kritik. Doch wie genau funktionieren die Steuervergünstigungen für den Diesel – und um wie viel Geld geht es? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Dieselprivileg.

Warum gibt es das Dieselprivileg überhaupt?

Ursprünglich wurde die Steuervergünstigung für Dieselkraftstoff eingeführt, um die heimische Autoindustrie vor dem internationalen Kostenwettbewerb zu schützen. Konkret ging es darum, Nutzfahrzeuge und den gewerblichen Lkw-Verkehr gegenüber der Konkurrenz aus dem Ausland besserzustellen. Für den Pkw-Markt spielte das Dieselprivileg anfänglich dagegen noch keine Rolle. Doch das änderte sich ab Mitte der 1980er-Jahre grundlegend. Zwischen 1986 und 1999 wurde der künstliche Steuervorteil für Dieselkraftstoff laut dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft so stark ausgeweitet, dass in der Folge auch der Absatz von Diesel-Pkws drastisch zulegte. Mittlerweile wird etwa ein Drittel der 45 Millionen Pkws, die auf deutschen Straßen rollen, mit Diesel angetrieben. Allein seit 2008 sind fünf Millionen neue Dieselfahrer hinzugekommen, so dass den 30 Millionen Benzinern hierzulande etwa 15 Millionen Diesel-Pkw gegenüberstehen. 

Wie viele Einnahmen gehen dem Staat bei Abschaffung des Dieselprivilegs verloren?

Die Energiesteuer (früher Mineralölsteuer) zählt zu den wichtigsten Einnahmequellen für den deutschen Staat. Sie wird von der Zollverwaltung erhoben, und ihr jährliches Aufkommen beträgt etwa 40 Milliarden Euro. Mehr als 80 Prozent dieser Einnahmen stammen aus der Besteuerung von Diesel und Benzin. Die Subventionierung des Diesels mindert die jährlich möglichen Einnahmen bei der Energiesteuer aber um fast acht Milliarden Euro. Allerdings wird nicht nur der Kraftstoff besteuert. Für Pkw müssen auch Kfz-Steuern entrichtet werden – und die sind bei Dieselfahrzeugen höher als bei Benzinern. Nach Abzug der höheren Kfz-Steuern ergibt sich für Dieselautos aber insgesamt noch immer ein Privileg. Die staatlichen Subventionen für den Selbstzünder belaufen sich fair gerechnet auf rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Wie wichtig ist der Diesel für die deutsche Autoindustrie?

Der Diesel ist für die heimischen Autohersteller enorm wichtig. Mehr als die Hälfte aller in der Bundesrepublik neu zugelassenen Autos der Marke VW hatten 2016 einen Dieselmotor. Bei der Oberklasse-Tochter Audi waren es sogar zwei Drittel, BMW und die Daimler-Kernmarke Mercedes-Benz kamen auf ähnliche Werte. Ein Grund für den hohen Anteil ist die deutlich niedrigere Besteuerung von Dieselkraftstoff im Vergleich zu Benzin. Der Kauf von Dieselwagen ist daher für Firmen oder Privatleute mit hoher Fahrleistung attraktiv.

Macht das Dieselprivileg heute noch Sinn?

Nein, die Steuervergünstigungen für Diesel sind laut vielen Experten überholt. Dieselfahrer zahlen laut Bundesumweltamt pro Liter Kraftstoff bis zu 18,4 Cent weniger als für Benzin. Dabei stoßen Dieselmotoren bei vergleichbarer Leistung oft mehr umweltschädliche Stickstoffoxide und gesundheitsbelastenden Feinstaub aus als Benziner. Mittlerweile drohen in mehreren deutschen Städten wegen der hohen Stickstoffoxide Fahrverbote. Die Subventionierung des Diesels beeinflusst die Kaufentscheidung der Verbraucher. Sie stammt aus einer Zeit, als Dieselfahrzeuge noch als umweltfreundlich galten. Heute schneiden Elektroautos in der Klimabilanz aber deutlich besser ab. Das Dieselprivileg führt daher dazu, dass ausgerechnet eine vergleichsweise unökologische Antriebstechnik gefördert wird.

Wie könnten Alternativen aussehen?

Um einen Anreiz zu umweltschonenden Antriebstechniken zu setzen, könnten die Kraftstoffe auf Basis ihres Energie- und CO2-Gehalts besteuert werden. Der Steuersatz auf Diesel müsste demnach um bis zu 13 Prozent über jenem von Benzin liegen. Ein anderer Vorschlag kommt von Ferdinand Dudenhöffer. Der Leiter des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen plädiert dafür, die Dieselförderung in die Nachrüstung von dreckigen Dieselfahrzeugen umzuleiten. Er befürwortet einen 2000-Euro-Gutschein, um etwa zehn Millionen Dieselfahrzeuge in Deutschland mit einem Reinigungskatalysator auszurüsten. Dies könnte laut Dudenhöffer den Ausstoß der Stickstoffoxide mindern, die Luftqualität verbessern, und so könnten womöglich Fahrverbote noch verhindert werden.

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