Die Tragweite des bis dato eher geselligen Abends wurde sogleich klar. Wo früher eine kleine Band beim Aufbau ihrer Utensilien darauf geachtet hatte, dass davor noch etwas Platz für den Gastgeber war, damit der einige kurze Worte an die Geladenen richten konnte, da stand nun ein Bühne mit einem Glastisch. Groß, weiß, staatstragend.
Der erste öffentliche Auftritt des neuen Volkswagen-Chefs Matthias Müller in den USA war schließlich nicht irgendein Grußwort eines Autochefs im Vorfeld der größten amerikanischen Automesse. Jeden Januar, wenn sich Detroit, diese geschundene Stadt, auch noch von der hässlichsten Seite zeigt, versammelt sich hier die automobile Welt zum glamourösen Schaulaufen. Auch diesmal bei Schneetreiben, beißendem Wind und Minusgraden.
Die Abgas-Tests in Deutschland und Europa
Neue Modelle werden in Deutschland und der EU nach dem Modifizierten Neuen Fahrzyklus (MNEFZ) getestet. Die Tests laufen unter Laborbedingungen, das heißt auf einem Prüfstand mit Rollen. Dies soll die Ergebnisse vergleichbar machen. Der Test dauert etwa 20 Minuten und simuliert verschiedene Fahrsituationen wie Kaltstart, Beschleunigung oder Autobahn-Geschwindigkeiten.
Getestet wird von Organisationen wie dem TÜV oder der DEKRA unter Beteiligung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA). Dieses untersteht wiederum dem Verkehrsministerium.
Die Prüfungen der neuen Modelle werden von ADAC und Umweltverbänden seit längerem als unrealistisch kritisiert. So kann etwa die Batterie beim Test entladen werden und muss nicht - mit entsprechendem Sprit-Verbrauch - wieder auf alten Stand gebracht werden. Der Reifendruck kann erhöht und die Spureinstellungen der Räder verändert werden. Vermutet wird, dass etwa der Spritverbrauch im Alltag so häufig um rund ein Fünftel höher ist als im Test.
Neben den Tests für neue Modelle gibt es laut ADAC zwei weitere Prüfvorgänge, die allerdings weitgehend in der Hand der Unternehmen selbst sind. So werde nach einigen Jahren der Test bei den Modellen wiederholt, um zu sehen, ob die Fahrzeuge noch so montiert werden, dass sie den bisherigen Angaben entsprechen, sagte ADAC-Experte Axel Knöfel. Zudem machten die Unternehmen auch Prüfungen von Gebrauchtwagen, sogenannte In-Use-Compliance. Die Tests liefen wieder unter den genannten Laborbedingungen. Die Ergebnisse würdem dann dem KBA mitgeteilt. Zur Kontrolle hatte dies der ADAC bei Autos bis 2012 auch selbst noch im Auftrag des Umweltbundesamtes gemacht, bis das Projekt eingestellt wurde. In Europa würden lediglich in Schweden von staatlicher Seite noch Gebrauchtwagen geprüft, sagte Knöfel.
Die EU hat auf die Kritik am bisherigen Verfahren reagiert und will ab 2017 ein neues, realistischeres Prüfszenario etablieren. Damit sollen auch wirklicher Verbrauch und Schadstoffausstoß gemessen werden ("Real Driving Emissions" - RDE). Strittig ist, inwiefern dafür die bisherigen Abgas-Höchstwerte angehoben werden, die sich noch auf den Rollen-Prüfstand beziehen.
Jahrelang hat Volkswagen ebenfalls so getan, als wäre man hier in der Heimat der „Big three“ General Motors, Ford und Chrysler eine große Nummer. Obwohl die Verkäufe im Gegensatz zur Konkurrenz immer weiter sanken. Bei der Kernmarke VW zuletzt auf das Niveau eines Nischenplayers mit einem Marktanteil von rund zwei Prozent.
2016 sollte das anders werden. Das Jahr der an selber Stelle erstmals 2014 angekündigten großen SUV-Offensive sollte es werden. Doch das ist jetzt in den Hintergrund gerückt.
Die Stimmung wird lockerer
Matthias Müller muss vieles erklären. Warum es zu dem Skandal kommen konnte, den die Welt seit September Diesel-Gate nennt. Er muss besänftigen und zuhören. Und er muss vor allem Lösungen liefern für die gut 580.000 US-Kunden, deren Motoren wegen einer manipulierten Software weit mehr Schadstoffe ausstoßen als angegeben.
Gut zwei Dutzend Fernsehteams haben bereits aufgebaut, als er das traditionelle amerikanische Burger-Lokal Fishbones in Detroits Vergnügungsviertel Fishbones betritt. Es ist sein erster Auftritt als Volkswagen-Chef auf amerikanischen Boden. Müller weiß, dass es auf jedes Wort jetzt ankommt. Entsprechend angespannt könnte er sein.
Stattdessen geht er bewusst auf bekannte Journalistengesichter zu, lächelt, schüttelt Hände. Und weiß natürlich, dass sofort die immer wieder gleichen Fragen zum Dieselskandal kommen. „Wir sind seit Monaten mit der EPA im Gespräch“, sagt er und zeigt dabei sein charmantestes Lächeln. Dass es einen Austausch mit der obersten US-Umweltbehörde gibt, ist nun wahrhaft nicht neu. Die Stimmung wird aber lockerer so. Kein Vergleich auch zu Martin Winterkorn, seinem Vorgänger. Der mischte sich in den Vorjahren zwar auch unters Volk, begrüßte Gäste und nippte an einer Weinschorle, war aber sonst eher nicht für Charmeoffensiven bekannt. Doch da war Diesel-Gate auch noch ein Fremdwort.