VW-Haustarif Die großen Hürden kommen erst noch

IG Metall und VW haben sich auf einen neuen Haustarifvertrag verständigt. Dem angeschlagenen Unternehmen verschafft das eine dringend notwendige Atempause. Doch die wahren Probleme sind noch nicht gelöst. Ein Kommentar.

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Bauarbeiten an der VW-Zentrale in Wolfsburg: Der Konzern muss viel produktiver werden. Quelle: dpa

Bei Volkswagen stehen die Zeichen auf Kompromiss – zumindest vorerst noch. Die mächtige IG Metall und die Konzernführung haben sich in der Nacht auf Freitag auf einen neuen Haustarifvertrag verständigt. Sowohl Gewerkschaft als auch das Unternehmen können sich in der aktuell extrem schwierigen Situation keine Streiks erlauben. Das Thema Dieselgate dominiert alles, neuen Streit braucht niemand.

Details zum neuen Haustarifvertrag sind noch nicht durchgesickert, sie sollen erst am Freitag in Hannover präsentiert werden. Doch schon jetzt ist klar, in welche Richtung der Kompromiss von Volkswagen laufen wird. Europas größer Automobilkonzern dürfte im Wesentlichen den Flächentarifvertrag übernehmen, den die IG Metall bereits vor einer Woche in Nordrhein-Westfalen ausgehandelt hatte. In diesem Vertrag stehen eine zweistufige Lohnerhöhung von 4,8 Prozent, eine Laufzeit von 21 Monaten und zudem gibt es eine Einmalzahlung von 150 Euro für das aktuelle Quartal.

Dass sich IG Metall und der Volkswagen-Konzern auf diesen Kompromiss verständigen würden, hatte sich schon in den vergangenen Wochen abgezeichnet. Ganz wichtig war dabei vor Pfingsten die Einigung auf eine neue Gewinnbeteiligung von 3950 Euro für jeden VW-Beschäftigten – und das trotz des durch die Abgasaffäre ausgelösten Milliardenverlustes in der Bilanz für 2015.

Doch trotz dieser aktuell deutlich erkennbaren Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten ist die Einigung auf einen neuen Haustarif für die 120.000 deutschen Volkswagen-Beschäftigten nur eine Durchlaufstation. Die echten Probleme bei VW sind noch lange nicht gelöst, dem Wolfsburger Unternehmen dürfte eine ziemlich unruhige zweite Jahreshälfte bevorstehen.

Neue Strategie und ein möglicher Stellenabbau – das sind die echten großen Themen bei VW. Mehrere tausend Stellen in der Konzernverwaltung in Wolfsburg stehen schon einmal zur Disposition, bis zum nächsten Jahr könnte in diesem Bereich jeder zehnte Job gestrichen werden. Doch die Verwaltung ist nur der Anfang, auch an anderer Stelle will und muss VW sparen.

Die Dieselgate-Affäre hat die grundsätzlichen Probleme bei Volkswagen nur noch einmal verschärft und schonungslos aufgedeckt. Im Zentrum steht dabei die Kernmarke VW, deren Ertragskraft im Vergleich zu anderen Automobilherstellern viel zu gering ist. Der Volkswagen-Konzern hat dieses Problem bislang durch die Erfolge der Premiummarken Audi und Porsche kaschieren können. Wegen ihrer günstigen Kostenstruktur bekommen auch die Werke in Osteuropa eine immer größere Bedeutung für den Konzern. Die Kernmarke VW ist im vergangenen Jahr nur auf einen operativen Gewinn von einigen hundert Euro pro Auto gekommen, die tschechische Konzerntochter Skoda hingegen auf mehr als 1000 Euro.

Die echte Kompromissbereitschaft der IG Metall wird sich während der kommenden Monate erst beim Thema Stellenabbau zeigen. Auch die Führung der Gewerkschaft weiß ganz genau, dass es bei VW Veränderungen geben muss. Der gesamte Konzern braucht zudem zusätzliche Reserven, weil die Folgen des Diesel-Skandals schwer abzuschätzen sind und die finanziellen Lasten der Affäre noch viel größer als bislang werden könnten.

Die nächsten Monate werden bei Volkswagen extrem spannend. Belegschaft, Betriebsrat und Gewerkschaft sollten sich nur über eines im Klaren sein: Ohne eigene Opfer wird es nicht gehen.

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