
New York Sergeant Jeffrey Rearden kennt sich aus mit Autos. In einem Ford patrouilliert der Polizist auf den Straßen von Chattanooga, einer mittelgroßen Stadt im Bundesstaat Tennessee. Der Bereitschaftswagen ist schnell und wendig - das hilft bei Verfolgungsjagden.
Privat fährt Rearden einen Lexus. In seiner Freizeit arbeitet er jedoch auch noch als Chauffeur für Volkswagen. Der Konzern hat in Chattanooga ein Werk gebaut - und Rearden kutschiert Manager und deren Gäste, meist zum nahe gelegenen Flughafen. Dann fährt er einen schwarzen Passat. "Ein fantastisches Auto", sagt der Amerikaner, wenn nicht der Wind so arg an der Windschutzscheibe pfeifen würde. Auch sei die Straßenlage härter als die seiner anderen Fahrzeuge. "Das muss man mögen", sagt Rearden.
Reardens Gebrummel über den Passat wird bei VW nicht einfach abgetan. Die Manager hören dem Chauffeur genau zu, wenn er wieder lästert. Denn sie wollen etwas lernen - und das nicht ohne Grund: Denn in dem wichtigen Qualitätsranking der Konsumforscher von JD Powers rangiert die Marke unter 34 Konkurrenten auf Platz 29 - weit abgeschlagen hinter Marken wie Scion, Kia oder Suzuki, die in den USA als nicht sehr hochwertig angesehen werden.
Das miese Image in den USA ist für Volkswagen langfristig ein Problem, auch wenn der Konzern im November in den USA 28 400 Autos verkauft hat, ganze 41 Prozent mehr als im Vorjahr. Denn wenn das Unternehmen im Ranking nicht nach vorne kommt, dürfte das von Vorstandschef Martin Winterkorn genannte Absatzziel nicht zu halten sein. Der ehrgeizige Konzernboss will in sieben Jahren 800 000 Autos in den USA verkaufen - derzeit sind es gut 300 000. Um die Kundenzufriedenheit zu steigern, gehen die Wolfsburger jetzt ans Eingemachte. "Wir arbeiten hart daran, uns zu verbessern", sagt Hubert Waltl, Produktionsvorstand bei der Marke VW.
Volkswagen lud eigens den Mann ein, der bei JD Powers die Qualitätsumfragen leitet, damit er ihnen die Ergebnisse der jährlichen "US Initial Quality Study" persönlich vortragen konnte. Das Top-Management, einschließlich Winterkorn, war anwesend, als Dave Sargent die Probleme von 2000 Kunden mit VW schilderte. Die Umfrage ist ein Querschnitt von Fahrern, die den Wagen entweder gerade gekauft haben oder schon länger als drei Jahre besitzen. "Die Manager waren nicht sehr glücklich", sagt Sargent, Winterkorn sei ein Ingenieur, so der Experte: "Er mag es nicht, wenn etwas nicht funktioniert."
Unzählige Beispiele für die Schwierigkeiten
Für die Herren aus Wolfsburg war die Umfrage ein Kulturschock, waren sie bislang doch überzeugt: Unsere Autos sind besser als der Rest. Objektiv mag das stimmen, subjektiv ist es, was die USA angeht, eindeutig falsch. Entscheidend ist beim JD Powers Ranking der Eindruck des Kunden. Kinderkrankheiten wie ein fehlender Becherhalter sind schon längst beseitigt. Nicht aber all die anderen Probleme. Beispiel Handy: Wenn man mit Bluetooth sein Smartphone mit der Software vom Auto synchronisiert, meldet man sich mit Namen an. In Deutschland sagt man seinen Nachnamen zuerst. Doch für Amerikaner ist das ungewohnt, dort duzt sich jeder. "Eine untragbare Sache, wir haben die Software gewechselt", sagt Marc Trahan, in den USA zuständig für Qualität bei VW und Audi.
Die Beispiele lassen sich fortsetzen. Die Knöpfe für die Klimaanlage waren schwierig zu bedienen. In Deutschland braucht man sie nicht so oft wie in Amerika. Jetzt ist die Anlage intuitiver zu handhaben. Gleiches gilt für die Geschwindigkeitsregler: Amerikaner nutzen die Cruise Control sehr oft und wollen sie auf dem Lenkrad haben. Doch nicht alle Beschwerden der Amerikaner sind Kleinkram. Auch im Umfragepunkt "gesamte mechanische Qualität" schneidet VW schlecht ab. In Amerika sitzt jetzt ein
16-köpfiges Team unter Leitung von Trahan daran, jede einzelne bei JD Powers vorgebrachte Beschwerde zu prüfen und Mängel zu beheben. Dabei steht der Manager unter strenger Aufsicht aus Deutschland, allein in diesem Jahr musste der Manager 14-mal nach Wolfsburg reisen und über das Programm berichten. "Ich habe keine Wahl", sagt Trahan, "das muss ein Erfolg werden." Die JD-Powers-Studie listet insgesamt 50 Kundenbeschwerden über den Jetta auf.
Böse Zungen bei Volkswagen in Amerika sagen: Die Rankings seien so schlecht gewesen, weil man anfangs JD Powers nicht als Berater hereingeholt habe. Das ist jetzt anders, Consultants von JD Powers schauen sich in Chattanooga die neuen Autos an oder berichten dem Management über die neusten Umfrageergebnisse. Aber der Eindruck täuscht, sagt Trahan. "JD Powers ist ein unabhängiges Unternehmen - mit einem guten Ruf."
Aktuelle Umfragen von JD Powers - etwa bei den Händlern - zeigen erste Erfolge. Aber der Lackmustest wird die neue Qualitätsstudie 2012 sein. Was das Pfeifen an der Windschutzscheibe betrifft: Ursachen waren eine Lücke im Rückspiegel und zu schmale Dichtungen in der Tür. Auch beim Jetta gab es insgesamt 50 Beschwerden in der Studie. Trahans Truppe besuchte zwölf Kunden zu Hause, um den Dingen auf den Grund zu gehen: Schuld war unter anderem eine fehlerhafte Produktion im mexikanischen Werk Puebla. Dieses Problem wurde behoben. Andere harren noch einer Lösung.