VW-Markenchef Diess verbreitet Optimismus „Die Automobilindustrie hat eine goldene Zukunft“

Der Druck auf die angestammte Autoindustrie ist massiv gewachsen. Doch VW-Markenchef Herbert Diess übt sich trotzdem in Optimismus. Die Autoindustrie habe eine „goldene Zukunft“ vor sich, prophezeit er.

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VW-Markenvorstand Herbert Diess glaubt an eine goldene Zukunft der Autoindustrie. Quelle: dpa

Düsseldorf Trotz der anhaltenden Abgasdiskussion und der ungeklärten Fragen beim Elektroantrieb steht dem Auto eine sichere Zukunft bevor. Das glaubt zumindest Herbert Diess, Konzernvorstand bei Volkswagen und Chef der Marke VW. „Unsere Industrie hat eine goldene Zukunft. Das Auto wird auch morgen noch ein hoch emotionales Produkt sein, für das Menschen viel Geld ausgeben werden“, sagte Diess auf einer Veranstaltung in Berlin.

Schon seit den 70er-Jahren sei das Ende des Autos mehrfach heraufbeschworen worden, weil die weltweiten Automärkte gesättigt seien und keine neuen Produktionsstätten mehr benötigt würden. Doch das genaue Gegenteil sei eingetreten. Das Auto habe in den zurückliegenden 50 Jahren seine Bedeutung für die Mobilität der Menschen sogar noch ausbauen können – „und dieser Trend wird anhalten“.

Aus Sicht von Diess sind zwei wesentliche technische Veränderungen dafür verantwortlich, dass die Bedeutung des Autos auch in den kommenden Jahren noch weiter wachsen wird: Elektroantrieb und autonomes Fahren. Beides werde dem Pkw eine sichere Zukunft bescheren. Mit den batteriegetriebenen Fahrzeugen werde die wesentliche Umweltfrage gelöst. Die Autos der Zukunft würden viel sauberer sein als die Fahrzeuge von heute. Das autonome Fahren sorge für viel mehr Sicherheit auf den Straßen, die Zahl der Unfälle werde deutlich zurückgehen. Beides erzeuge eine höhere Akzeptanz des Autos in der Gesellschaft.

Schon heute sei das Auto weltweit mit großem Abstand das wichtigste Transportmittel. „Das gilt für Europa mit einem Anteil von über 70 Prozent bei den zurückgelegten Personenkilometern und für die USA mit 80 Prozent“, sagte Diess in Berlin. Die Tendenz sei weiter steigend. In China liege der Schienenverkehr im Moment noch leicht vorne. Mit der anhaltenden Motorisierung des Landes werde sich das allerdings ändern und auf absehbare Zeit werde das Auto auch in China auf dem ersten Platz liegen.

Das Auto sei eben nicht nur ein reines Fortbewegungsmittel, sondern sei immer auch mit emotionalen Werten verbunden. Mobilität – und damit das Auto – erfülle „unsere tiefe Sehnsucht nach Unabhängigkeit und Freiheit“. Der Pkw biete die Möglichkeit, die Individualität und einen eigenen Lebensstil auszudrücken. „Fakt ist, dass unser Produkt seit Generationen die Menschen begeistert und seine Begehrlichkeit weit über rationale Erwägungen hinausgeht“, so Diess weiter. Der Wunsch nach Individualisierung und Differenzierung werde im Zuge der weltweiten Urbanisierung noch weiter spürbar zunehmen.

Den ungebremsten Optimismus des VW-Markenchefs teilen längst nicht alle Marktbeobachter. Analysten zweifeln, dass ausgerechnet die deutschen Hersteller zu den Gewinnern bei der Neuausrichtung der Automobilbranche zählen werden. „Immerhin haben sie verstanden und akzeptiert, dass sich die Autoindustrie radikal verändert“, sagt Arndt Ellinghorst vom Investmentberater Evercore ISI. Die Zeiten des einfachen „Tesla-Bashing“ seien zwar vorüber. Doch die Hersteller hätten noch keine Antwort darauf gefunden, wie sie profitable und attraktive Geschäftsmodelle in Zeiten von Digitalisierung und Elektromobilität finden könnten. Es gebe viele Powerpoint-Präsentationen dazu, aber „keinen echten Cashflow“.


„Die Branche macht zu wenig“

„Die deutschen Hersteller sind voll auf das klassische Segment und die Produktion von Autos fokussiert“, kritisiert auch Willi Diez, der im schwäbischen Geislingen das Institut für Automobilwirtschaft leitet. Große Defizite sieht er vor allem bei den neuen Mobilitätsdiensten. „Die Branche redet über Veränderungen, macht aber zu wenig“, beklagt der Professor. So habe Volkswagen vor einem Jahr seine neue Mobilitätstochter Moia mit großem Aufwand in der Öffentlichkeit präsentiert. Doch wahrnehmbar sei die neue Volkswagen-Tochter noch immer nicht.

Am großen Abstand zu weltweit führenden Mobilitätsdienstleistern wie Uber, Lyft und Didi habe sich nichts geändert. Sorgen bereitet dem Hochschullehrer auch die Entwicklung der Autowerte an den Aktienmärkten: Die großen Geldströme flössen an den deutschen Herstellern vorbei. Investoren interessierten sich heute viel stärker für Unternehmen, die sich um die Mobilitätsthemen der Zukunft kümmerten.

Ferdinand Dudenhöffer, Automobilprofessor an der Universität Duisburg-Essen, warnt vor den aufstrebenden Autoherstellern aus China. „Die Chinesen sind sehr schnell und setzen künftig die Maßstäbe“, sagt der Hochschullehrer. Während in Europa weiterhin über Elektroantrieb und autonomes Fahren debattiert werde, würden in China Fakten geschaffen und beides bald im Realbetrieb eingeführt.

Die deutschen Hersteller müssten aufpassen, dass sie von der neuen chinesischen Konkurrenz nicht abgehängt würden. Zudem engagierten sich starke chinesische IT-Konzerne wie Baidu und Tencent im Automobilbereich. Dadurch werde eine schnelle Verzahnung zwischen Computer- und Autobranche möglich. Bei den deutschen Autoherstellern fehle hingegen eine ausgeprägte IT-Kompetenz.

Dudenhöffer rät der deutschen Automobilindustrie deshalb dazu, verstärkt Entwicklungsabteilungen nach China zu verlagern. Dort könnten die deutschen Hersteller bald in der Praxis auf den Straßen und nicht auf einer Teststrecke lernen, wie Elektroautos und autonomes Fahren die Welt der Mobilität prägen werden. „Die Deutschen dürfen nicht einfach in ihren Konzernzentralen sitzen bleiben“, warnt der Professor.


„Das Auto bleibt das effizienteste Transportmittel“

Aus Sicht von VW-Markenchef Diess kommen noch ganz einfache praktische Überlegungen, die das Überleben des Pkw sichern würden. Man könne das Auto jederzeit ohne Fahrplan und ohne Rücksicht auf Mitreisende nutzen. „Man ist in seiner eigenen vertrauten Umgebung unterwegs.“ Neue Mobilitätsdienste und multimodulare Konzepte könnten die Mobilität der Zukunft zwar bereichern. „Sie werden die Attraktivität des Autos auf absehbare Zeit aber nicht erreichen“, betonte Diess.

Volkswagen sehe deshalb auch in weitgehend gesättigten Märkten wie etwa Europa und den USA verlässliche Wachstumschancen für das individuell genutzte Fahrzeug. In den stark wachsenden Schwellenländern sei das Auto ohnehin nicht aufzuhalten. „Trotz Megastaus wollen die Menschen in China ihr eigenes Auto besitzen und geben alles, um sich diesen Wunsch zu erfüllen“, betonte Diess.

Niederländische Forscher seien in einer neuen Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen, dass „das Auto auch aus Sicht der öffentlichen Haushalte das mit Abstand effizienteste Verkehrsmittel bleibt“. Die Forscher der Technischen Universität Eindhoven hätten das Auto mit dem öffentlichen Nahverkehr und der Eisenbahn verglichen. Dabei seien auch die Infrastruktur- und die Umweltkosten sowie die Steuerbeiträge berücksichtigt worden.

Im Gesamtergebnis habe sich gezeigt, dass das Auto sogar für den Staat die wirtschaftlichste Art der Fortbewegung sei – unter Berücksichtigung der erforderlichen Infrastruktur und der noch negativen Auswirkungen durch die Umweltbelastung. „Das Auto ist also gesetzt“, sagte Diess. In letzter Konsequenz könne es man nur verbieten, wenn man es den Menschen wegnehmen wolle.

Etablierte Autohersteller wie Volkswagen müssten neue Anbieter wie Tesla nicht fürchten, wenn sie rechtzeitig auf Digitalisierung und Elektroantrieb umschwenkten. Diess: „Zur Zeit gilt Tesla als das Maß der Dinge in der E-Mobilität. Unser Ziel: Mit unserem neuen Elektrobaukasten MEB werden wir Tesla im Volumensegment stoppen.“

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