VW Müllers Interview-Debakel

Der VW-Chef ist in die USA gereist, um die Wogen zu glätten und Vertrauen zurückzugewinnen. Doch im Interview mit dem Radiosender NPR gibt er sich so realitätsfern, dass VW darum bittet, das Gespräch neu aufzuzeichnen.

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VW-Chef Matthias Müller sorgt mit seinen Antworten zur Abgasaffäre während eines Interviews in den USA für Verwunderung - auch im eigenen Haus. Ein Vertreter des Autobauers meldete sich nach Veröffentlichung beim Reporter - mit der ungewöhnlichen Bitte, das Interview mit Müller noch einmal zu führen. Quelle: AFP

New York Das Interview am Sonntagabend dauerte nur wenige Minuten. VW-Chef Matthias Müller hatte gerade seinen ersten Auftritt in den USA hinter sich gebracht, sich entschuldigt und eingestanden, dass VW „Kunden, Behörden, Aufseher und die Öffentlichkeit enttäuscht hat“. Doch als ihm kurz darauf ein Reporter des öffentlichen Radiosenders NPR ein paar Fragen stellt, zeigt sich ein ganz anderer Müller. Dessen Antworten alarmieren die Presseabteilung des Autobauers.

„Ehrlich gesagt, war es ein technisches Problem”, spielt Müller den Emissionsskandal herunter. VW hatte „nicht die richtige Interpretation der amerikanischen Gesetze.“ Die Ingenieure des Konzerns hätten lediglich „Lösungen gefunden, die mit den amerikanischen Gesetzen nicht kompatibel“ gewesen seien.

Auf die Anmerkung des Reporters, Amerikaner hielten den Vorfall nicht für ein technisches, sondern ein ethisches Problem, entgegnet Müller kühl: „Ein ethisches Problem? Ich kann nicht verstehen, warum Sie das sagen.“

Doch NPR-Reporter Sonari Glinton lässt sich nicht beirren: „Weil Volkswagen in den USA die EPA absichtlich angelogen hat, als sie VW nach dem Problem fragte, bevor alles ans Licht gekommen ist“, erwidert er. Müllers anschließende Reaktion sorgt für noch mehr Verwunderung. „Wir haben nicht gelogen. Wir haben zunächst die Frage nicht verstanden“, erklärt der VW-Chef.

Die Aussage steht im scharfen Gegensatz zu den Eingeständnissen des Konzerns, Schummelsoftware in amerikanischen Dieselautos eingebaut zu haben. Dies passierte noch unter Müllers Vorgänger Martin Winterkorn, der seinen Posten nach Bekanntwerden des Diesel-Skandals räumen musste.

Sie steht auch im Gegensatz zu den Aussagen der US-Umweltbehörde EPA und des US-Justizministeriums. Die hatten erst vergangene Woche Klage gegen VW eingereicht und in der Klageschrift moniert, der Konzern habe die Ermittlungen durch irreführende Angaben und durch das Vorenthalten von Informationen behindert.


Im zweiten Anlauf mit den richten Antworten

Müllers Aussagen sind auch VW-intern auf große Verwunderung gestoßen. Nachdem Teile des Interviews am Montagmorgen gesendet wurden, meldete sich ein Vertreter des Autobauers bei dem Reporter, wie dieser in seinem Artikel über den Vorfall schildert. VW hatte eine ungewöhnliche Bitte: Glinton solle das Interview mit Müller noch einmal führen.

Im zweiten Anlauf hat der VW-Chef dann die richtigen Antworten parat. „Ich muss mich für gestern entschuldigen“, beginnt Müller das Gespräch. „Die Situation war etwas schwierig für mich, vor so vielen von Ihren Kollegen, jeder hat gerufen.“ Dann die Kehrtwende zum Vortag: „Zunächst einmal: Wir akzeptieren den Verstoß in vollem Maße. Da gibt es keinen Zweifel.“

Später räumt Müller ein, auf die Vorwürfe der Behörden falsch reagiert zu haben und sich dafür entschuldigen zu müssen. Damit der Imagewandel gelinge, bedürfe es nicht nur technischer Lösungen, so Müller. „Es bedeutet auch viel Arbeit für die Anwälte und für die Pressestelle.“

Müllers Aussagen werden auch in Washington genau verfolgt. Am Mittwoch trifft sich der VW-Chef mit EPA-Chefin Gina McCarthy und mit politischen Vertretern. Die gemeinnützige Organisation International Conservation Caucus Foundation habe Kongressabgeordnete zu einem Mittagessen mit Müller geladen, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg. VW gehöre zu den Geldgebern der Organisation.

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