VW-Streik in der Slowakei Böses Erwachen im Autoparadies

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Fachkräfte sind längst Mangelware

Doch die Gewerkschaft sieht sich in einer starken Position. Denn längst sind im Autoland Slowakei motivierte Fachkräfte zur Mangelware geworden. Das gilt insbesondere im boomenden Westen des Landes mit dem Zentrum Bratislava. Derzeit wirbt der amerikanische Internethändler Amazon rund tausend Mitarbeiter für ein Logistikzentrum in der Nähe der Hauptstadt an.

„Der Druck auf die Arbeitgeber wächst. Die Forderungen nach höheren Löhnen wird lauter“, sagte Norbert Halt, Vize-Geschäftsführer der Deutsch-Slowakischen Industrie- und Handelskammer in Bratislava. Nach einer Konjunkturumfrage der Organisation werden die Arbeitskosten in diesem Jahr um 6,8 Prozent steigen. Wenn sich dieses Entwicklung über die nächsten Jahre fortsetzen sollte, droht der Standort seine Attraktivität zu verlieren

Volkswagen konnte Umsatz und Ergebnis im ersten Quartal kräftig steigern – trotz eines leichten Rückgangs der Auslieferungen. Vor allem bei der Hauptmarke VW lief es zu Jahresbeginn gut.

Ähnlich wie das Nachbarland Tschechien verzeichnet Slowakei ein hohes Wirtschaftswachstum. Die österreichische Erste Group erwartet für 2017 eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts von 3,1 Prozent, im nächsten Jahr sogar von 3,5 Prozent. Die Folge des Booms: die Löhne steigen. „Noch sind die Arbeitskosten ein positiver Standortvorteil“, sagt Slowakei-Experte Norbert Halt. Neben Korruption und Bürokratie würden ausländische Investoren mittlerweile insbesondere der Mangel an Fachkräften als Standortnachteil sehen.

In Bratislava baut VW jährlich rund 390.000 Autos, darunter Luxusautos wie den Porsche Cayenne, Audi Q 7 und den VW Touareg. Volkswagen hat vier Standorte in der Slowakei, die für sechs Konzernmarken produzieren. Andere Autohersteller wie PSA oder Kia verfolgen mit Argusaugen den Arbeitskampf. Denn beide Autohersteller sind ebenfalls mit eigenen Werken in der Slowakei präsent.

Nach der Abgasaffäre müssen die Volkswagen-Aufsichtsräte auf ihre Bonuszahlungen verzichten. Der Aufsichtsratsvorsitzende solle künftig ein Festgehalt erhalten.

Ende 2018 will zudem der indische Autokonzern Tata im westslowakischen Nitra für 1,2 Milliarden Euro ein Werk errichten, dass jährlich 150.000 Autos der Marke Jaguar und Land Rover herstellen wird. Inklusive der Zulieferer will Tata nach eigenen Angaben rund 10.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Nitra liegt 93 Kilometer nordöstlich von der Hauptstadt Bratislava.

Die Slowakei mit ihren 5,4 Millionen Einwohnern ist seit 2004 EU-Mitglied. Fast die Hälfte der gesamten industriellen Exporte entfällt auf die Autoindustrie. Angesichts der schlechten Bildungspolitik fehlen Arbeitskräfte.

Volkswagen hat darauf reagiert. Seit wenigen Jahren bilden die Wolfsburger in ihrem Ausbildungszentrum Mechatroniker, Elektroniker und Werkzeugmechaniker aus. 2016 startete die duale Akademie, die hochqualifizierte Spezialisten ausbildet. Im kommenden September bietet VW Mitarbeitern auch ein duales Studium in Zusammenarbeit mit der Slowakisch Technischen Universität in Bratislava an.

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