VW-Tochter Porsche geht in China mit eigenem Rundkurs auf Kundenfang

Porsche hat in der chinesischen Millionenmetropole sein neuestes „Experience Center“ eröffnet. Das ist Kundenbindung der besonderen Art.

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Schanghai Die Nachbarschaft hätte besser nicht sein können: Nur wenige Meter entfernt liegt die Formel-1-Strecke von Schanghai. Der Rundkurs kann im Moment zwar nicht benutzt werden, weil der chinesische Volkswagen-Partner SAIC die Rennstrecke zu einem riesigen Parkplatz für frisch produzierte Neuwagen umfunktioniert hat. Das ändere aber nichts daran, dass Porsche-Kunden trotzdem auf die Strecke dürften, versichern die deutschen Manager. Das dann allerdings nur nach Rücksprache mit den chinesischen Eigentümern des Rennkurses.

Porsche ist nicht unbedingt auf die unmittelbare Unterstützung der Formel-1-Macher aus der chinesischen Metropole angewiesen. Denn die schwäbische Volkswagen-Tochter hat vorgesorgt: Schnelles und sportliches Fahren geht mit Porsche in Schanghai trotzdem – auf einem hauseigenen Rennkurs. Der ist zwar etwas kleiner als der Formel-1-Ring, erfüllt aber trotzdem seinen Zweck. Insgesamt 1,4 Kilometer eigene Strecke stehen den Porsche-Kunden zur Verfügung.

Die VW-Tochter hat in dieser Woche ihr neues „Porsche Experience Center“ in Schanghai eröffnet. Ein Instrument der Kundenbindung ganz besonderer Art. 25 Millionen Euro hat Porsche in neue Gebäude und Rennanlagen gesteckt. Die Kunden von Porsche sollen dort erleben können, wofür die Marke und das Unternehmen stehen: für Sportlichkeit und authentische Rennkultur.

Schnell mit dem eigenen Auto fahren zu dürfen, das dürfte wohl etliche Porsche-Fahrer aus der Millionenmetropole zum neuen Experience-Center locken. 35 Kilometer ist das Stadtzentrum entfernt. Angesichts der Megastaus und der problematischen Verkehrsbedingungen samt der damit verbundenen Umweltprobleme dürfte Porsche in Schanghai eine Marktlücke besetzen. Der Diesel-Ärger und die Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft vor zehn Tagen in der Stuttgarter Porsche-Zentrale werden auch keine besonderen Auswirkungen auf das Kundenverhalten unter den Chinesen haben. Deutschland ist Tausende Kilometer weit weg – und Dieselmodelle werden in China sowieso nicht verkauft.
„Das neue Experience-Center soll den Markenwert von Porsche in China steigern“, sagte Vertriebsvorstand Detlev von Platen zur Eröffnung. Autos würden am Stadtrand von Schanghai nicht verkauft. Das Marketing stehe im Vordergrund, weil die Kunden auf der hauseigenen Rennstrecke die Markenwerte von Porsche einmal selbst erleben dürften. Immerhin gibt es in dem Center einen Raum, in dem Porsche alle denkbaren Konfigurationen für Sitzbezüge von Serienmodellen ausstellt – immerhin eine Hilfe bei einer späteren Kaufentscheidung.

Porsche-interne Vorbilder für das neue Experience-Center von Schanghai gibt es bereits. Vertriebsvorstand von Platen nannte an erster Stelle die beiden Center in Atlanta und Los Angeles in den USA, die seit ihrer Gründung vor zwei Jahren schon etwa 200.000 Besucher angelockt hätten.

Die Kundenbindung der besonderen Art wird sich Porsche allerdings in Schanghai bezahlen lassen. Die Nutzung der Rennstrecke gibt es auch für gute Kunden dort nicht umsonst. Der Stuttgarter Autohersteller verlangt einen Mindesteinsatz von knapp 3000 Renminbi, das sind umgerechnet rund 375 Euro. Dieser Betrag wird fällig, wenn sich ein Kunde von einem Fahrer im Macan oder Boxster für 90 Minuten in die Grundlagen des sportlichen Fahrens einweisen lässt. Nach oben sind dem keine Grenzen gesetzt: Porsche hilft auch solchen Kunden, die unbedingt eine Rennlizenz erwerben wollen. Dafür kann schnell ein fünfstelliger (Euro-)Betrag fällig werden.


China ist der wichtigste Einzelmarkt

Porsche glaubt an den wirtschaftlichen Erfolg des neuen Experience-Center in Schanghai. Die Stuttgarter VW-Tochter besetze zwar auch in China nur eine kleine Nische auf dem Automarkt. Doch zwischen Peking und in Schanghai sei die Marke inzwischen zu einer festen Größe geworden. Nach dem Markteintritt vor bald 20 Jahren hat Porsche in China zunächst einmal jährlich nur etwa 5000 Autos verkauft. Daraus sind in der Zwischenzeit mehr als 70.000 Fahrzeuge geworden, Tendenz weiter steigend.

China ist damit für Porsche zum wichtigsten Einzelmarkt aufgestiegen, danach folgen die USA und Deutschland. Und ein Ende der China-Euphorie ist nicht in Sicht. „Das Wachstum der Autohersteller wird noch lange anhalten, da die gesamte Wirtschaft in China weiter wächst“, erwartet Ferdinand Dudenhöffer, Automobilprofessor an der Universität Duisburg-Essen. Luxusanbieter wie Porsche profitieren davon, dass die Zahl der Wohlhabenden und Reichen ebenfalls weiter zunehmen wird – bei einer Gesamtbevölkerung von 1,3 Milliarden Menschen ein potenziell gewaltiges Kundenpotenzial.

Porsche profitiert in China auch von der – im Vergleich zu Deutschland – viel jüngeren Bevölkerung. Der chinesische Porsche-Kunde ist im Durchschnitt 35 Jahre alt, in Europa und in den USA liegt der Schnitt etwa 20 Jahre darüber. Wer früh seinen ersten Porsche kauft, kann in den folgenden Jahrzehnten zu einem zahlungskräftigen Stammkunden werden.

In China kommt noch eine weitere Besonderheit dazu. „Wir haben hier viel mehr Frauen als Kunden“, sagte Vertriebsvorstand von Platen bei der Eröffnung des Experience-Center. Der Frauenanteil unter den Porsche-Kunden liegt in China bei etwa 30 Prozent. Zum Vergleich: 20 Prozent sind es in den USA, gerade zehn Prozent in Deutschland. In China sind überraschenderweise besonders die Sportwagen auch für Frauen interessant: 42 Prozent der 911er-Käufer sind Frauen.

Alle Kunden, egal ob Männer oder Frauen, werden auf dem Kurs des Experience-Centers schnell fahren können – auf jeden Fall um einiges schneller als auf den verstopften Straßen von Schanghai. „Bei uns bekommen sie das ultimative Fahrerlebnis“, sagt Jon Roach, der das 70-köpfige Team des neuen Porsche-Centers leitet. „Ganz ohne Stau“, verspricht er.

Seine Erfahrungen aus Schanghai könnten übrigens bald an anderer Stelle in der Porsche-Welt gefragt sein. Analog zum ersten Experience-Center in Asien soll bald in Deutschland ebenfalls ein neuer Porsche-Ableger entstehen – am Hockenheim-Ring in Baden-Württemberg. Der Baubeginn soll noch in diesem Jahr erfolgen, die Inbetriebnahme ist für 2019. Eine schlechte Idee ist das nicht für diejenigen, die gerne einmal schnell unterwegs sein wollen. Denn auch in Deutschland werden die Staus immer länger und die Zahl der Geschwindigkeitsbegrenzungen wächst.

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