VW überholt Toyota Volkswagen ist die neue Nummer Eins

Der Wolfsburger Konzern hat es tatsächlich geschafft: Mitten in der Dieselaffäre überholt Volkswagen erstmals seinen Dauerkonkurrenten Toyota als weltgrößten Autohersteller. Grund sind gute Verkaufszahlen auf einem einzigen Markt.

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Volkswagen ist jetzt der Platzhirsch in der Autowelt. Quelle: dpa

Düsseldorf Ausgerechnet in Zeiten der Dieselaffäre erreicht der Volkswagen-Konzern das stärkste Verkaufsergebnis seiner Geschichte und überholt zugleich Toyota als weltgrößten Automobilhersteller. Nach den am Montag vorgelegten Daten verkaufte die Toyota-Gruppe, zu der auch der Kleinwagen-Anbieter Daihatsu Motor und der Nutzfahrzeug-Hersteller Hino Motors gehören, im vergangenen Jahr insgesamt 10,17 Millionen Autos. Das ist ein knapper Anstieg um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Der deutsche Erzrivale aus Wolfsburg setzte dagegen 10,31 Millionen Fahrzeuge ab - ein Plus von 3,8 Prozent gegenüber 2015. Es ist das erste Mal seit fünf Jahren, dass der japanische Branchenprimus damit die Führung als größter Autobauer abgeben musste. Die Werte hatten sich zwar zuvor schon abgezeichnet, sind nun aber von Toyota offiziell bestätigt worden. Mit knapp zehn Millionen verkauften Autos liegt General Motors (GM) aus den USA auf dem dritten Platz.

Der japanische Autokonzern spielte die Bedeutung des ersten Platzes bei den Verkaufszahlen herunter. „Wir bei Toyota sind nicht darauf fokussiert, nach Volumen zu jagen“, teilte das Unternehmen mit. Ziel sei es vielmehr, die Nummer Eins bei den Kunden mit der technischen Entwicklung und Produktion immer besserer Autos zu sein.

Volkswagen gibt sich selbst bedeckt. Auch am Montag wollte der Konzern die erstmals errungene Spitzenposition nicht besonders kommentieren. Angesichts der noch immer nicht abgeschlossenen Dieselaffäre dominiert in der öffentlichen Außendarstellung die Zurückhaltung. Der Konzern agiert in der Öffentlichkeit vielmehr nach der Devise der „stillen Demut“. Außerdem sind die Verkaufszahlen nicht die wichtigsten Kenndaten. Am Ende entscheidend ist die Rendite. Und in Sachen Ertragsstärke hat Volkswagen – insbesondere die Kernmarke VW – gerade gegenüber Toyota noch einigen Nachholbedarf.

„2016 war ein sehr anspruchsvolles Jahr für uns. Wir haben die Auf- und Abarbeitung der Dieselkrise vorangetrieben und parallel mit der Konzernstrategie 2025 einen fundamentalen Veränderungsprozess begonnen“, sagte ein Konzernsprecher. Dennoch sei es gelungen, das operative Geschäft unter schwierigen Bedingungen zu stabilisieren. Das stärke dem Konzern und seinen Marken den Rücken auf dem Weg in die Zukunft.

Die Dieselaffäre hat Volkswagen sicherlich im vergangenen Jahr geschadet. Aber eben nicht überall, sondern nur in einzelnen Regionen der Welt. Besonders betroffen von dem Skandal sind etwa die USA, wo der Konzern 2016 große Einbußen bei den Verkäufen hinnehmen musste. VW leidet dort etwa darunter, dass in den USA keine Dieselmodelle mehr verkauft werden.

Auch in Deutschland ging es für den Konzern wegen der Dieselaffäre im vergangenen Jahr kaum voran, die Verkaufszahlen liegen ungefähr auf dem Ergebnis des Vorjahres. Nicht wegen des Abgasskandals, sondern vor allem aus konjunkturellen Gründen ist das Verkaufsergebnis zudem in Südamerika und Russland sehr schlecht ausgefallen.

Der Volkswagen-Konzern kann diese Ergebnisse jedoch mehr als ausbügeln. In Europa außerhalb Deutschlands hat das Wolfsburger Unternehmen deutlich zulegen können, das gilt ganz besonders für die osteuropäischen Länder (ohne Russland), wo sich etwa die Konzernmarke Skoda besonderer Beliebtheit erfreut. Ein sehr gutes Ergebnis meldet auch die Nutzfahrzeugsparte der Marke Volkswagen.


Ohne China keine Nummer Eins

Der Erfolg für das Jahr 2016 wäre allerdings ohne China nicht möglich geworden. Auf dem chinesischen Markt werden keine Dieselmodelle verkauft, deshalb hatte die Abgasaffäre dort auch keine Auswirkungen. Im Gegenteil: Bis Ende November sind dort fast 3,6 Millionen Autos abgesetzt worden, was ein Plus von fast zwölf Prozent bedeutet. „2016 dürfte die Marke VW erstmals in ihrer Geschichte mehr als die Hälfte ihrer Autos nur in China verkauft haben“, sagte Evercore-Autoexperte Arndt Ellinghorst zu den VW-Zahlen.

Toyota muss sich für 2016 erstmals mit dem zweiten Platz hinter Volkswagen in der Rangliste der weltgrößten Automobilhersteller begnügen. Für den japanischen Konzern ist dieser Platz etwas ungewohnt: Die vorangegangenen vier Jahre thronte Toyota immer auf Rang Eins.

Der japanische Autokonzern hatte 2016 mehrfach größere Probleme mit seinen Zulieferern, die manchmal gleich für Wochen nicht mehr liefern konnten und dadurch für länger anhaltende Produktionspausen sorgten. Im Februar war ein Stahllieferant ausgefallen, wenig später traf es den Hersteller eines Bremssystems. Diese Ausfälle vom Jahresanfang hat Toyota in den Folgemonaten nicht mehr komplett aufholen können.

Der erste Platz für Volkswagen dürfte eine besondere Genugtuung für den früheren Vorstandschef Martin Winterkorn sein, der im September 2015 die Verantwortung für die Dieselaffäre übernommen hatte und zurückgetreten war. Winterkorn hatte in seiner Amtszeit die Devise ausgegeben, dass Volkswagen den japanischen Konkurrenten Toyota bis 2018 als weltgrößten Autohersteller ablösen müsse. Jetzt erreicht der Konzern dieses Ziel sogar schon zwei Jahre früher.

Der neue Vorstandschef Matthias Müller hatte hingegen das Streben allein nach Größe als Unternehmensziel für obsolet erklärt. Viel bedeutender seien heute Nachhaltigkeit und Profitabilität, hatte Müller gefordert - und trotzdem kommt Volkswagen jetzt auf den ersten Rang.

Toyota hatte erstmals im Jahr 2008 den ersten Platz als weltgrößter Autohersteller erreicht und den US-Konkurrenten General Motors damit nach mehr als 70 Jahren auf den zweiten Platz verdrängt. Wegen der verhängnisvollen Konsequenzen des gewaltigen Tsunamis aus dem Jahr 2011 vor der japanischen Küste musste Toyota den ersten Platz wieder an GM abgeben, holte sich ihn 2012 aber wieder zurück.

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