Es könnte ein zäher Gerichtstermin für VW werden. Der Autobauer wird am Donnerstag wahrscheinlich keine Einigung mit der US-Umweltbehörde EPA präsentieren, wie das Handelsblatt aus Verhandlungskreisen erfuhr. Zwar hätten sich die beiden Seiten angenähert, für einen finalen Beschluss bräuchten sie jedoch noch etwas mehr Zeit, hieß es. Weder die EPA noch VW wollten sich dazu äußern.
Bezirksrichter Charles Breyer hatte VW beim vergangenen Gerichtstermin Ende Februar eine Frist gesetzt. Am Donnerstag will er eigentlich von VW hören, ob die vom Dieselskandal betroffenen Autos so repariert werden können, dass sie die Vorgaben der US-Umweltbehörde einhalten werden. „Sechs Monate müssten doch genug Zeit sein, um festzustellen, ob es eine technische Lösung bei Volkswagen gibt, die für die US-Regierung akzeptabel ist“, hatte Breyer Ende Februar gefordert.
Doch eine Antwort darauf zu finden, ist offenbar nicht so einfach. VW verhandelt mit der EPA und der kalifornischen Schwesterbehörde Carb über eine große Lösung im Dieselskandal, verlautete es aus Konzernkreisen. In den vergangenen Tagen war von einer Reihe von Optionen die Rede.
So könnte VW zwei Umweltfonds aufsetzen, einen auf Bundesebene und einen für den Staat Kalifornien, hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg gemeldet. Die „Wirtschaftswoche“ berichtete vom Bau einer Elektroauto-Fabrik in den USA sowie vom Kauf von Verschmutzungsrechten für Stickoxide. Zudem könnte VW wohl einen Teil der knapp 600.000 betroffenen Autos in den USA zurückkaufen.
Unklar ist, wie Breyer auf eine mögliche Verzögerung reagieren wird. Er ist der Richter über eine umfassende Sammelklage von Autobesitzern gegen Volkswagen, die in San Francisco verhandelt wird. Beobachter gehen davon aus, dass er beiden Seiten nur dann mehr Zeit einräumen könnte, wenn er den Eindruck hat, dass eine Einigung kurz bevorsteht.
VW-Anwälte drängen auf einen Vergleich
Im schlimmsten Fall könnte Breyer tägliche Strafzahlungen fordern, um VW zu einer schnellen Einigung zu zwingen. Sollten die beiden Seiten nicht übereinkommen, dann könnte auch der Rückkauf aller Fahrzeuge drohen. Das würde jedoch teuer werden. Der Analysedienst Bloomberg Intelligence schätzt die Kosten dafür auf 9,4 Milliarden Dollar.
Auch in einer anderen Sache könnte es zu Verzögerungen kommen: Die Klägeranwälte verlangen Zugang zu der internen Untersuchung von Jones Day sowie zu weiteren Dokumenten aus Deutschland. Breyer hatte ebenfalls gefordert, dass die Kläger bis Donnerstag eine Lösung finden.
Die Abgas-Tests in Deutschland und Europa
Neue Modelle werden in Deutschland und der EU nach dem Modifizierten Neuen Fahrzyklus (MNEFZ) getestet. Die Tests laufen unter Laborbedingungen, das heißt auf einem Prüfstand mit Rollen. Dies soll die Ergebnisse vergleichbar machen. Der Test dauert etwa 20 Minuten und simuliert verschiedene Fahrsituationen wie Kaltstart, Beschleunigung oder Autobahn-Geschwindigkeiten.
Getestet wird von Organisationen wie dem TÜV oder der DEKRA unter Beteiligung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA). Dieses untersteht wiederum dem Verkehrsministerium.
Die Prüfungen der neuen Modelle werden von ADAC und Umweltverbänden seit längerem als unrealistisch kritisiert. So kann etwa die Batterie beim Test entladen werden und muss nicht - mit entsprechendem Sprit-Verbrauch - wieder auf alten Stand gebracht werden. Der Reifendruck kann erhöht und die Spureinstellungen der Räder verändert werden. Vermutet wird, dass etwa der Spritverbrauch im Alltag so häufig um rund ein Fünftel höher ist als im Test.
Neben den Tests für neue Modelle gibt es laut ADAC zwei weitere Prüfvorgänge, die allerdings weitgehend in der Hand der Unternehmen selbst sind. So werde nach einigen Jahren der Test bei den Modellen wiederholt, um zu sehen, ob die Fahrzeuge noch so montiert werden, dass sie den bisherigen Angaben entsprechen, sagte ADAC-Experte Axel Knöfel. Zudem machten die Unternehmen auch Prüfungen von Gebrauchtwagen, sogenannte In-Use-Compliance. Die Tests liefen wieder unter den genannten Laborbedingungen. Die Ergebnisse würdem dann dem KBA mitgeteilt. Zur Kontrolle hatte dies der ADAC bei Autos bis 2012 auch selbst noch im Auftrag des Umweltbundesamtes gemacht, bis das Projekt eingestellt wurde. In Europa würden lediglich in Schweden von staatlicher Seite noch Gebrauchtwagen geprüft, sagte Knöfel.
Die EU hat auf die Kritik am bisherigen Verfahren reagiert und will ab 2017 ein neues, realistischeres Prüfszenario etablieren. Damit sollen auch wirklicher Verbrauch und Schadstoffausstoß gemessen werden ("Real Driving Emissions" - RDE). Strittig ist, inwiefern dafür die bisherigen Abgas-Höchstwerte angehoben werden, die sich noch auf den Rollen-Prüfstand beziehen.
Doch auch hier könnte es zu Verzögerungen kommen, hieß es in Verhandlungskreisen. Erst vergangenen Freitag hatten sich die beiden Seiten getroffen, um über dieses Thema zu diskutieren. In Deutschland gelten deutlich stärkere Datenschutzgesetze, die den Austausch der Dokumente verkompliziert.
Breyer drückte von Anfang an aufs Tempo. Er will nicht, dass sich dieser Fall über Jahre hinzieht. Der Richter führt den viel beachteten Fall mit harter Hand und lässt sich nicht gern von Anwälten mit Schaulaufen oder Trödelei auf der Nase herumtanzen.
Noch befindet sich das Verfahren im vorprozessualen Stadium, in dem es unter anderem darum geht, die Sichtung der Dokumente im sogenannten Discovery-Verfahren zu organisieren.
VWs Anwälte wollen es gar nicht erst zu einem Prozess kommen lassen und drängen auf einen Vergleich. Schließlich hat der Autobauer die Manipulationen bereits zugegeben. Doch wenn es nicht bald deutliche Fortschritte gibt, dann wird Breyer den Prozess rasch vorantreiben, das hat er bereits klargemacht.
„VW wird Entscheidungen treffen müssen, die ernsthafte Konsequenzen für das Unternehmen haben werden“, hatte Breyer auf der vergangen Sitzung im Februar klargestellt. Er will, dass die VW-Führung über die Entwicklungen in seinem Verfahren informiert wird, und hat angekündigt, seinen Sondergesandten für diesen Fall, den früheren FBI-Chef Robert Mueller, dafür nach Deutschland zu schicken.