VW und Dieselgate Der große Zahltag für Volkswagen

Lange hat VW mit den US-Behörden verhandelt. Nun muss der Konzern vor Gericht erläutern, was mit den gut 600.000 betroffenen Diesel-Fahrzeugen passieren soll. Erste Details sind durchgesickert. Es wird teuer werden.

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Der Autobauer muss einem US-Richter erklären, was mit den betroffenen Diesel-Autos geschehen soll. Quelle: dpa

San Francisco/Frankfurt Bezirksrichter Charles Breyer aus San Francisco hatte Volkswagen klare Vorgaben gemacht: Bei der nächsten Anhörung am heutigen Donnerstag muss ihm der Autobauer „einen konkreten Vorschlag machen“, wie die vom Diesel-Skandal betroffenen Fahrzeuge von der Straßen genommen werden. Sonst droht der Prozess.

Nach intensiven Verhandlungen hat sich VW nun mit den Behörden auf ein Rahmenabkommen geeinigt, wie aus Verhandlungskreisen verlautet. Zwar müssten viele Details noch ausgearbeitet werden. Doch wichtige Eckpunkte stehen offenbar fest und werden bei der Anhörung dem Richter vorgelegt. Breyer muss am Ende entscheiden, ob er der vorgeschlagenen Lösung zustimmt oder nicht.

Rückkäufe und Reparaturen

Ein großer Teil der gut 600.000 betroffenen Autos muss zurückgekauft werden. Von den Abgasmanipulationen in den USA sind Autos der Marken VW, Audi und Porsche betroffen und insgesamt drei Generationen an Motoren. Davon sind gut 500.000 Fahrzeuge mit einem Zwei-Liter-Motor ausgestattet und gut 85.000 Fahrzeuge mit Drei-Liter-Motoren. Da sich die Reparatur der kleineren Aggregate als besonders schwierig herausstellt, könnte VW anbieten, im schlimmsten Fall alle Zwei-Liter-Fahrzeuge zurückzukaufen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

VW hat den Behörden in den vergangenen Monaten mehrfach Vorschläge unterbreiten, wie die Autos repariert werden können. Ob die Behörden die Reparaturen jedoch akzeptieren, ist noch unklar. Die Umweltbehörden EPA und Carb hatten VWs Rückrufpläne für die Zwei-Liter-Autos mehrfach zurückgewiesen.

Auch der Rückrufplan für die Drei-Liter-Autos, der von Audi erarbeitet wurde, ist noch nicht genehmigt. Audi hatte den Plan im März eingereicht. Die kalifornische Umweltbehörde Carb, die den Skandal maßgeblich mit aufgedeckt hatte, hat in den vergangenen Wochen zusätzliche Informationen von Volkswagens Premiumtochter verlangt, bestätigte ein Carb-Sprecher dem Handelsblatt. Die Aufseher prüfen derzeit die nachgereichten Informationen.

Carb-Chefin Mary Nichols hatte bereits im November im Gespräch mit den Handelsblatt klare Anforderungen an die technischen Lösungen gestellt. Die Reparaturen dürften weder die Leistung, noch den Benzinverbrauch der Fahrzeuge verändern. VW-Chef Matthias Müller hatte sich lange gegen Rückkäufe gewehrt und noch im Januar bei seinem Besuch in den USA einen neuen Katalysator angepriesen, mit dem das Problem behoben werden sollte. Bislang wurde der Katalysator nicht von den Behörden genehmigt.

Auch wenn Volkswagen heute eine Einigung schafft, so wird diese doch sehr teuer werden für den Konzern. Mit 12 Milliarden Euro veranschlagt Patrick Hummel, Analyst bei der Schweizer Großbank UBS, allein die Gesamtkosten einer Einigung mit den US-Autobesitzern. Bei 19 Milliarden Euro könnten die Summe aller straf- und zivilrechtlichen Kosten liegen. Hinzu kommen noch einmal 14 Milliarden Euro für die Aufarbeitung der Dieselaffäre im Rest der Welt. Das wären insgesamt 45 Milliarden Euro. Da die Kosten für eine Einigung mit den US-Autobesitzern steuerlich absetzbar sind, würde das seiner Einschätzung nach am Ende eine Gesamtbelastung von 38 Milliarden Euro für den Konzern bedeuten.


Finanzielle Entschädigungen für die Autofahrer

Die Wolfsburger werden den amerikanischen Autobesitzern wohl unabhängig von Reparatur oder Rückkauf eine finanzielle Entschädigung bieten. Die Zeitung „Die Welt“ berichtet von Zahlungen in Höhe von 5000 Dollar. Aus Verhandlungskreisen heißt es, die Summe sei ein grober Wert und könnte im Einzelfall mal darüber und mal darunter liegen. VW hatte bereits im Dezember den US-Staranwalt Kenneth Feinberg angeheuert, um einen Entschädigungsfonds zu organisieren.

Ein Zeichen für die Umwelt

Volkswagen wolle zudem ein Art Umweltfonds auflegen, der sich vor allem mit der Verbesserung der Luftqualität befassen soll, verlautet aus Verhandlungskreisen. So könnte der Konzern die verursachten Umweltschäden ausgleichen. Schließlich haben die Fahrzeuge seit 2009 die zulässigen Grenzwerte für Stickoxide um das Zehn- bis Vierzigfache überschritten.

Strafzahlungen

Volkswagen drohen für die Abgasmanipulationen Strafen in Milliardenhöhe. Die genaue Summe ist jedoch noch nicht bekannt. Unklar ist, ob der Betrag bei der Verhandlung genannt werden wird. Analysten würden den Ausblick sicherlich begrüßen. „Wir glauben, es könnte sich positiv auf die Aktie auswirken, wenn VW die gesamten potenziellen Kosten der Diesel-Affäre beziffert“, schreibt Arndt Ellinghorst vom Analysehaus Evercore ISI in einem aktuellen Bericht. VW muss dringend Klarheit schaffen, um bis Ende April den Jahresabschluss vorzulegen.

Da die interne Untersuchung bei VW noch nicht abgeschlossen ist und auch die strafrechtliche Untersuchung des Justizministeriums weitergeht, könnte sich die Behörde auch mit einem Vorbehalt arbeiten: VW zahlt zunächst eine bestimmte Summe an Strafen. Sollte sich in den kommenden Monaten herausstellen, dass es etwa deutlich mehr Mitwisser gab als bislang angenommen, könnten die Strafen um eine bestimmte Summe aufgestockt werden.

In Wolfsburg tagt der Aufsichtsrat

Am Freitagmorgen beginnt dann die entscheidende Aufsichtsratssitzung in Wolfsburg. Auf der Tagungsordnung dürften im Kern vier Punkte stehen: der Jahresabschluss 2015, die Dividende, die Höhe der Boni für den Vorstand und der Zwischenbericht der Anwaltskanzlei Jones Day, die den Diesel-Skandal aufklären soll. Es wird eine rege Diskussion erwartet, vor allem um den letzten Punkt. Im Anschluss wollen sich mehrere Mitglieder des Aufsichtsrats öffentlich äußern. Auch Vorstandschef Matthias Müller will sich der Presse stellen und Fragen beantworten.

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