Warnstreiks der IG Metall Nachtschicht startet neue Streikwelle

Hamburg: Gewerkschafter der IG Metall stehen vor dem Werk des Unternehmens Still an einer Feuertonne. Quelle: dpa

Nach den vorerst gescheiterten Verhandlungen zwischen IG Metall und Arbeitgebern wird die Gangart im Metall-Tarifkonflikt verschärft. Seit Beginn der Nachtschicht laufen in mehreren Bundesländern Streiks.

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Im Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie haben Metallarbeiter in mehreren Bundesländern mit ganztägigen Warnstreiks begonnen. Mit Beginn der Nachtschicht am späten Dienstagabend sind unter anderem in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bremen einzelne Betriebe bestreikt worden, wie Sprecher der IG Metall in den jeweiligen Bezirken sagten. Im Norden waren Betriebe in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen betroffen. Insgesamt rund 5000 Mitarbeiter in zehn Betrieben vom Großraum Oldenburg bis Flensburg waren aufgerufen, die Arbeit niederzulegen.

Der Betrieb soll nach dem Willen der Gewerkschaft 24 Stunden ruhen. Die IG Metall sprach vor Beginn von bis zu 500.000 Beteiligten über sämtliche Betriebsgrößen, Regionen und Branchen hinweg.

Im Münchner Stammwerk des Lastwagenherstellers MAN stand die Produktion nach Angaben der Gewerkschaft seit Mitternacht still. „Die Streiktore sind besetzt, die Zelte aufgebaut. Bisher haben wir eine hundertprozentige Beteiligung der Beschäftigten an den Streiks“, sagte der Münchner IG-Metall-Chef Horst Lischka am frühen Mittwochmorgen.

In Baden-Württemberg hätten sich am Dienstagabend bei der Heidelberg Manufacturing in Amstetten 30 Mitarbeiter der Nachtschicht an dem Ausstand beteiligt, sagte ein Gewerkschafter. „Die Tore sind geschlossen.“ Die Gewerkschaft wolle damit den Verhandlungsdruck auf die Arbeitgeber erhöhen, sagte er. Betroffen ist auch der Autozulieferer ZF Friedrichshafen. „Rund 15 Mitarbeiter besetzen seit 5 Uhr die Werktore“, sagte Enzo Savarino, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben.

Beim Autozulieferer Federal Mogul im rheinland-pfälzischen Herdorf (Kreis Altenkirchen) traten in der Nacht etwa 40 Mitarbeiter in den Warnstreik und etwa 120 ihrer Kollegen von der Frühschicht. Betroffen war auch das Unternehmen John Deere in Zweibrücken im selben Bundesland. Mehrere hundert Mitarbeiter traten hier in den Ausstand. „Wir sind bislang sehr zufrieden“, sagte Ralf Reinstädtler von der IG-Metall-Geschäftsstelle Homburg-Saarpfalz.

In Bremen legten rund 20 Angestellte des Industriezulieferers Gestra die Arbeit nieder. „Alle Räder stehen still“, so ein Sprecher der IG Metall. „Am Morgen geht es in großem Stil weiter.“ Bei dem Zulieferer arbeiten laut Gewerkschaft 400 Mitarbeiter. In Lippstadt in Nordrhein-Westfalen streikten beim Wälzlager-Hersteller Thyssenkrupp Rothe Erde zunächst rund 200 Beschäftigte der Nachtschicht.

Insgesamt waren in NRW Metallarbeiter in 30 Betrieben aufgerufen, sich dem Warnstreik anzuschließen. In Thüringen, Brandenburg und Sachsen ruhte die Produktion ebenfalls in mehreren Betrieben, etwa bei den Elbe Flugzeugwerken in Dresden

Die Arbeitgeber wollen derweil am Mittwoch entscheiden, ob sie gegen die 24-Stunden-Warnstreiks gerichtlich vorgehen. Sie kritisierten die neuerlichen Warnstreiks der IG Metall.

Siemens-Mitarbeiter gehen auf die Straße
Nach der Ankündigung massiver Einschnitte bei Siemens haben Beschäftigte bei Protestaktionen ihrem Ärger über die Pläne Luft gemacht. Etwa in Berlin, Offenbach und Erfurt. Quelle: REUTERS
Siemens hatte am Vortag angekündigt, weltweit in der Kraftwerks- und der Antriebssparte 6900 Arbeitsplätze zu streichen, davon etwa die Hälfte in Deutschland. Zwei Standorte im sächsischen Görlitz und in Leipzig mit zusammen 920 Arbeitsplätzen sollen geschlossen werden, auch der Standort Offenbach, wo rund 700 Beschäftigte mit Planung und Bau von Kraftwerken beschäftigt sind, ist stark bedroht. Quelle: REUTERS
Arbeitnehmervertreter fordern jetzt von der Konzernleitung ein Umdenken und Kompromissbereitschaft. „Diese Ankündigung von Standortschließungen und von Personalabbau, der angeblich aus Strukturgründen alternativlos ist, das ist für uns gar keine Basis für Verhandlungen“, sagte Siemens-Gesamtbetriebsratschefin Birgit Steinborn der Deutschen Presse-Agentur. Quelle: REUTERS
Steinborn pochte vor allem auf Zusagen des bei Siemens geltenden Paktes zur Standort- und Beschäftigungssicherung. Sollte es tatsächlich zu betriebsbedingten Kündigungen kommen, die Siemens-Personalchefin Janina Kugel nicht ausgeschlossen hatte, würde das zu einem „ernsthaften Zerwürfnis“ zwischen Management und Betriebsräten führen, sagte die Betriebsrätin. Quelle: REUTERS
Über die geplanten Maßnahmen seien „alle wirklich geplättet und geschockt“ gewesen, sagte Steinborn. Nun würden die Informationen bei der kommende Woche anstehenden Betriebsräteversammlung und Mitte Dezember dann bei der Gesamtbetriebsratssitzung diskutiert. Quelle: REUTERS
In Berlin sollen 870 Arbeitsplätze wegfallen. Alleine in dem Dynamowerk (im Bild) sind es rund 570 Stellen. Quelle: dpa
Bereits kurz nach der Verkündung der geplanten Schließung des Werks in Görlitz am Donnerstagabend hatten mehrere Siemens-Mitarbeiter sich auf dem Gelände versammelt. Quelle: dpa

Am vergangenen Wochenende waren Verhandlungen in der fünften Runde mit den Arbeitgebern in Stuttgart abgebrochen worden. Beide Seiten machten sich gegenseitig dafür verantwortlich.

Bayerns IG-Metall-Bezirkschef Jürgen Wechsler machte am Dienstag erneut klar, dass es während der aktuellen Warnstreikwelle keine neuerlichen Gespräche geben könne. Frühestmöglicher Termin für eine sechste Verhandlungsrunde wäre damit der Samstag.

Die Gewerkschaft verlangt sechs Prozent mehr Geld und Möglichkeiten zur Reduzierung der Arbeitszeit auf 28 Wochenstunden. Bestimmte Gruppen wie Schichtarbeiter, pflegende Angehörige oder Eltern junger Kinder sollen nach ihrer Vorstellung einen Teilausgleich für entgangenen Lohn erhalten, was die Arbeitgeber strikt ablehnen. Sie verlangen zudem, das verfügbare Arbeitsvolumen zu erhalten.

Bis einschließlich Freitag sollen nach jüngsten Zählungen an die 275 Betriebe im gesamten Bundesgebiet bestreikt werden, ohne dass zuvor eine Urabstimmung stattgefunden hätte. Die IG Metall hatte nach eigenen Angaben nur die Beschäftigten in den betroffenen Betrieben gefragt und dort jeweils klare Mehrheiten für die Aktionen erhalten. Die Teilnehmer bekommen im Unterschied zu kürzeren Warnstreikaktionen von der Gewerkschaft einen finanziellen Ausgleich für Lohnverluste.

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