Wasserstoff-Tankstellen Die Zukunft kommt aus Wuppertal

Wasserstoff soll in Zukunft unsere Autos antreiben. In Wuppertal eröffnet nun die erste H2-Tankstelle. Sie soll zum Modell für ganz Deutschland werden. Nicht alle sind von einem Erfolg überzeugt.

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Wird die H2-Tankstelle in Wuppertal zum Modell für ganz Deutschland? Quelle: Shell

Wuppertal Es ist ein bisschen zu viel Wasser, das an diesem Mittwoch vom Himmel fällt. Die Festgemeinschaft, die zur Eröffnung der ersten Wasserstofftankstelle in Wuppertal gekommen ist, muss sich in einem weißen Pavillon unterstellen, um nicht nass zu werden. Hier an der Shell-Tankstelle in Oberbarmen soll heute Mobilitäts-Geschichte geschrieben werden. Die neue Wasserstoff-Station in Wuppertal ist die erste dieser Art in Nordrhein-Westfalen – und soll zum Modell für ganz Deutschland werden.

Über zehn Jahre hat die Clean Energy Partnership, eine Forschungsgemeinschaft von etlichen Unternehmen der Wasserstoffwirtschaft geforscht, um sich einen gemeinsamen Standard zu entwickeln. Wuppertal ist das Ergebnis. Die Technik habe sich als zuverlässig und sicher erwiesen, heißt es auf Nachfrage eine Anwohnerin. Betankt werden die Fahrzeuge hier mit einem hohen Druck 700 Bar. Ein Tankvorgang dauert damit nur vier Minuten.

Für alle, die sich über die langen Ladezeiten und das hohe Gewicht eines batteriebetriebenen Elektroautos beschweren, ist ein Wasserstoff-Auto die Alternative. Über eine Brennstoffzelle wird der Treibstoff in Energie umgewandelt. Aus dem Auspuff kommt am Ende nur Wasser. Doch bislang fehlt das Tankstellennetz, um die Technik massentauglich zu machen. Bundesweit sind es gerade einmal 21.

Dass die Premiere des neuen Standards ausgerechnet in Wuppertal stattfindet, wirkt auf den ersten Blick merkwürdig. Immerhin gibt es deutschlandweit selbst in vielen Metropolen wie Köln bislang noch keine Möglichkeit für Privatkunden, Wasserstoff zu tanken. Ausschlaggebend sei die Lage in Wuppertal-Oberbarmen gewesen, erklären die Verantwortlichen. Die Tankstelle liegt verkehrsgünstig im Autobahndreieck zwischen A1, A43 und A46.

„Hier können bis zu 3.500 Kilometer pro Stunde vertankt werden“, betont Mathias Kranz von Linde. Theoretisch können also bis zu sieben Fahrzeuge pro Stunde vollgetankt werden. Linde liefert die Technik für dreiviertel aller Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland – auch für die Tankstelle in Wuppertal. Zum Start ist genug Wasserstoff für 30 Fahrzeuge am Tag vorhanden, bei mehr Bedarf können die Tanks erweitert werden.

Dass es schnell dazu kommt, ist aber unwahrscheinlich. Derzeit sind in Deutschland gerade einmal 210 Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb zugelassen. Und auch bei den Modellen besteht erheblicher Nachholbedarf. Serienreif sind gerade mal drei Modelle von asiatischen Herstellern: der Mirai von Toyota, der ix35 von Hyundai und der Clarity von Honda.

„Damit die Fahrzeuge jetzt auf die Straße kommen, brauchen wir ein großes H2-Tankstellennetz in Deutschland“, sagt Norbert Barthle, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Er appelliert an die deutschen Hersteller, mit eigenen Modellen nachzuziehen. Über den Konzeptstatus hinaus hat bislang nur Mercedes mit dem GLC F-Cell, einen serienreifen Wasserstoff-Hybrid angekündigt, der 2017 auf den Markt kommen soll.


Die Ziele bleiben unkonkret

„Der Betrieb eines Brennstoffzellenfahrzeugs, das mit H2 fährt, verursacht weder CO2 noch umweltschädliche und gesundheitsgefährdende Stickoxide oder Feinstaub-Emissionen“, wirbt eine Broschüre, die verteilt wird. Gerade für die Politik ein wichtiges Argument, den Wasserstoff zu fördern. 28 Millionen Euro stellt die Politik für die ersten 50 Tankstellen zur Verfügung. Der Bau in Wuppertal wurde mit 670.000 Euro gefördert. „Unser Ziel ist es, bis zum Jahr 20430 emissionsfrei mobil zu sein“, betont Horst Becker, Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Umweltministerium. Er erinnert bei der Eröffnung an die verschmutzen Innenstädte und die Verwarnung der EU-Kommission. Sollte es nicht gelingen, die Luftqualität zu verbessern, drohe Deutschland eine Geldstrafe aus Brüssel.

Die Brennstoffzelle arbeitet zwar lokal emissionsfrei, komplett sauber ist der Wasserstoff, der in Wuppertal vertankt wird, allerdings nicht. Der Anteil an grünem Wasserstoff aus erneuerbaren Energien liegt bei etwa 50 Prozent. Perspektivisch denke man darüber nach, den Wasserstoff komplett aus regenerativen Quellen herzustellen. Andernfalls wäre der Betrieb wohl noch teurer.

Wegen der geringen Anzahl an Fahrzeugen, ist die Tankstelle in Wuppertal wirtschaftlich noch ein Zuschussgeschäft. Shell stellt zwar das Gelände zur Verfügung, doch als Betreiber fungiert die H2 Mobility, ein Zusammenschluss aus sechs namhaften Unternehmen aus der Gase-, Mineralöl- und Automobilindustrie: Air Liquide, Daimler, Linde, OMV, Shell und Total. Eine Schicksalsgemeinschaft, die sich die Kosten für den Ausbau teilt. Der Initiative verbunden sind weitere Unternehmen wie BMW, Honda, Hyundai, Toyota und Volkswagen. Beratend steht zudem die Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) zur Seite.

Auch der neue Geschäftsführer der H2 Mobility ist nach Wuppertal gekommen. Nikolas Iwan, ein junger, smarter Manager im blauen Sakko und T-Shirt, der an diesem Tag der Ansprechpartner für die neue Technologie ist. „Wir werden unser Netz in kommenden Jahren schnell ausbauen“, verspricht Iwan. Konkret will die H2 Mobility bis zum Jahresende 50 Tankstellen deutschlandweit eröffnen. Bis Ende 2018 sollen es schon 100 sein. Wie es dann weitergeht, hängt davon ab, wie schnell die Zahl der Wasserstoff-Autos auf deutschen Straßen wächst.

Nur dann werden auch die angekündigten 400 Tankstellen bis 2023 entstehen. „Wenn viele Wasserstofffahrzeuge unterwegs sind, können es auch mehr werden“, sagt Stijn van Els, Chef von Shell in Deutschland. Auf eine konkrete Zahl, die bis 2018 erreicht sein muss, damit der Ausbau weitergeht, will auch er sich allerdings nicht festlegen.

Denn rosig sind die Perspektiven nach bisherigen Schätzungen nicht: Bis 2027 sollen 17 neue Wasserstoffmodelle auf den Markt kommen und die jährliche Produktion von Wasserstoffautos auf 70.000 wachsen, sagte vor kurzem das britische Marktforschungsinstitut IHS voraus. Damit wäre der Anteil an der Weltproduktion mit 0,1 Prozent immer noch sehr gering, der Klimaschutzeffekt überschaubar.


Der Marktführer macht nicht mit

Dass die Nachfrage nicht allzu schnell wächst, hat seinen Grund. Denn auch der Preis für den Wasserstoff ist momentan noch ein politischer. Gemeinsam haben sich die Partner der H2 Mobility auf 9,50 Euro pro Kilo verständigt. Soviel kostet der Wasserstoff an jeder Zapfsäule in Deutschland. Mit einem geschätzten Verbrauch von einem Kilo auf 100 Kilometer ist ein Wasserstoffauto im Betrieb kaum günstiger als ein normaler Verbrenner. Im Wettbewerb mit dem Elektroauto ein entscheidender Nachteil. Iwan ist trotzdem optimistisch, den Kunden gute Argumente für den Kauf eines Elektroautos zu liefern.

Nicht alle teilen die Euphorie. Aral, der Marktführer am deutschen Tankstellenmarkt, ist nicht bei H2 Mobility vertreten. 1997 hatte Aral die erste öffentliche Tankstelle für flüssigen und gasförmigen Wasserstoff am Münchener Flughafen errichtet, wo erfolgreich die prinzipielle Praxistauglichkeit der Wasserstoffantriebs- und Betankungstechnik getestet wurde. In Berlin folgte dann 2004 eine Station im Rahmen der Clean Energy Partnership.

Doch die anfängliche Euphorie scheint bei Aral mittlerweile abgekühlt zu sein. Kurz- bis mittelfristig stünden keine Wasserstofftankstellen im Plan, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. „Welche Rolle Wasserstoff langfristig spielen wird, ist nicht absehbar“, heißt es bei der BP-Tochter. Noch sei nicht geklärt, „ob Wasserstoff in ausreichender Menge, umweltfreundlich und zu wettbewerbsfähigen Preisen produziert werden kann.“

Und auch in Wuppertal ist die Zurückhaltung spürbar. Obwohl die Shell-Tankstelle technisch auch darauf ausgelegt werden kann, Busse zu betanken, sagten die Stadtwerke schon vor dem Bau ab. Man habe kein Interesse, die Tankstelle zu nutzen. Derzeit sei es unwirtschaftlich, die Tankstelle für den öffentlichen Personennahverkehr zu nutzen, teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. Sie liege einfach zu weit entfernt vom Stadtkern. Man prüfe den Betrieb einer eigenen Tankstelle.

Doch auch der hohe Preis von Wasserstoffbussen dürfte derzeit noch eine Rolle für die Zurückhaltung der öffentlichen Verkehrsbetriebe sorgen. Zum einen ist das Angebot begrenzt, zum anderen kostet ein Bus ohne öffentliche Förderung noch etwa 1,2 Millionen Euro und ist damit fast viermal so teuer wie ein konventioneller Dieselbus.

In Wuppertal will man sich die gute Laune durch die komplizierten Rahmenbedingungen aber nicht verderben lassen. „Wir gehen davon aus, dass der Wasserstoff ab den zwanziger Jahren in Märkten wie Deutschland, England, Benelux und den USA eine immer größere Rolle spielt“, sagt Shell-Deutschlandchef van Els. „H2 ist ein Kraftstoff der Zukunft“ – und Wuppertal der erste Schritt.

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