Weiterbildungs-Markt "Bildung bedeutet auch häufig Business"

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Die Hilflosigkeit der Suchenden

Sind jetzt die Unternehmen allein schuld an der Ausbildungsmisere?

Urbanek: Nein. Natürlich nicht. Viele junge Menschen wissen gar nicht, wohin sie wollen in ihrem Leben. Es gibt ja zum Beispiel nicht umsonst Studienabbrecher-Quoten von 30 bis 40 Prozent.

Warum Menschen eine Weiterbildung machen

Liegt das an der Informationsflut, dem Überangebot  oder ist die Kompetenz, Relevantes von Irrerelevantem zu unterscheiden, verloren gegangen?

Mechthild Teupen: Sowohl als auch. In der Schule wird nicht ausreichend auf das Berufsleben mit all seinen Facetten vorbereitet,  die Eltern können und wollen dieses Defizit nicht ausgleichen und selbst im Freundeskreis wird offenbar auch nicht mehr genügend über das Berufsleben gesprochen. Viele haben nicht mal in einem richtigen Praktikum Erfahrungen sammeln können.

Urbanek: Und das in einer Zeit, in der das Angebot an Möglichkeiten immer noch wächst. Es entstehen fast jeden Tag neue Universitäten und Weiterbildungsangebote. Es geht schon gar nicht mehr darum herauszufinden, ob es eine gute oder eine bessere Alternative ist. Es geht um die Frage, ob die Aus- oder Weiterbildung überhaupt etwas wert ist.

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10. MechanikerNach kurzfristiger Entspannung ist in Deutschland der Anteil der Unternehmen, die offene Stellen nicht besetzen können, wieder kräftig von 35 auf 40 Prozent gestiegen. Auch weltweit ist der Wert mit 36 Prozent auf dem höchsten Niveau seit 2007, jedoch ist der Anstieg hier nur moderat. Die Folgen des Fachkräftemangels spüren viele Firmen laut des Personaldienstleisters ManpowerGroup-Studie bereits: 50 Prozent geben an, dass die Rekrutierungsprobleme ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährden. 45 Prozent sagen sogar, dass der Fachkräftemangel sich schon negativ auf die Kundenzufriedenheit auswirkt. Jetzt hat Dekra seinen Arbeitsmarkt-Report veröffentlicht, für den die Stellenanzeigen aus Printpublikationen, Online-Jobportalen und einem sozialen Netzwerk analysiert wurden. Die 15.111 offenen Stellen verteilen sich auf insgesamt 214 Berufe und Tätigkeiten. Das sind die am meisten gefragten Berufe. Im Dekra-Report tauchen in diesem Jahr erstmals Mechaniker unter den Top-Ten-Berufen auf. Ihr Anteil an den Stellenanzeigen entspricht 2,12 Prozent. Das ergibt im Dekra-Ranking Platz zehn. Quelle: ZB
9. Medizinisches Fachpersonal"Dem Mangel an qualifizierten Managern sollten die Unternehmen frühzeitig mit individuellen Entwicklungsplänen begegnen, ein Bestandteil können Führungskräfte-Coachings sein", so ManpowerGroup-Deutschland-Chef Herwarth Brune. Das sollten sich offenbar auch Kliniken und Labors zu Herzen nehmen. Ärzte und medizinische Fachangestellte liegen nämlich auf Platz acht der meistgesuchten Fachkräfte. Bei Dekra schaffen es die Gesundheits-und Krankenpfleger auf Platz neun. Ihr Anteil an Stellenanzeigen liegt bei 2,19 Prozent. Quelle: dpa
8. Ingenieure"Deutsche Unternehmen müssen jetzt Initiative ergreifen, damit sie den Wettbewerb um Fachkräfte nicht verlieren", sagt so Herwarth Brune. Das gilt ganz besonders für die Betriebe, die nach Ingenieuren suchen. Und diese scheinen Mangelware zu sein. Jedenfalls belegen sie mit 2,48 Prozent Platz acht der am stärksten nachgefragten Fachkräfte im Dekra-Report. Wer auf Elektrotechnik spezialisiert ist, dem stehen alle Türen offen. Innerhalb der Ingenieurberufe entfällt fast jedes dritte Stellenangebot auf sie (30,9 Prozent). Die Fachrichtung Maschinen- und Fahrzeugbau befindet sich auf Platz 13 und damit erstmals seit 2010 nicht unter den Top-Ten-Berufen. Vermutlich machen sich nun die gestiegenen Absolventenzahlen in diesem Fach bemerkbar. Bei Architekten und Bauingenieuren sorgt die anhaltend gute Lage am Immobilien- und Baumarkt für eine positive Stellensituation: Fast jede fünfte Ingenieurstelle ist für die Planungsspezialisten ausgeschrieben (19 Prozent). Quelle: dpa
7. IT-KräfteNahezu jedes zehnte Stellenangebot richtet sich an Bewerber mit IT-Hintergrund (9,2 Prozent). Die positive Entwicklung der Bereiche Software und IT-Services macht sich auch am Stellenmarkt bemerkbar: Software-Entwickler liegen an siebter Stelle der Top-Ten-Berufe. Mit der zunehmenden Digitalisierung steigt auch der Beratungsbedarf, weshalb der Stellenanteil von IT-Beratern kräftig zugenommen hat. Auf Anwenderseite fehlen vor allem IT-Fachleute wie Systemadministratoren. "Häufig scheitert die Mitarbeitersuche an fehlenden Fachkenntnissen der Bewerber. Doch Weiterbildungsprogramme für Quereinsteiger zahlen sich aus, wenn Kandidaten gut zum Unternehmen passen und eine hohe Motivation mitbringen", sagt Herwarth Brune, Vorsitzender der Geschäftsführung der ManpowerGroup Deutschland. Quelle: dpa
6. VertriebsmitarbeiterDie ManpowerGroup Studie "Fachkräftemangel" wird seit 2006 weltweit durchgeführt (international unter dem Titel "Talent Shortage Survey"). Mit 37.000 Teilnehmern aus 42 Ländern in 2014 zeigt die Studie, welche Stellen weltweit schwer zu besetzen sind. Für Deutschland wurden 1.000 Unternehmen befragt, die einen Querschnitt der gesamtdeutschen Wirtschaft darstellen. Und die deutschen Betriebe fragten Vertriebsmitarbeiter (Platz sieben) sehr viel stärker nach als noch im Jahr 2013. Im Dekra-Report belegen die Vertriebler sogar Platz sechs. Quelle: Fotolia
5. Callcenter-Agents und TelefonverkäuferLeicht gestiegen ist auch die Nachfrage nach qualifiziertem Personal für Callcenter-Agents und Telefonverkäufer. In diesem Jahr belegen sie Platz fünf. Quelle: dpa/dpaweb
4. ElektrikerUnverändert ist dagegen die Nachfrage nach Elektrikern, Elektroinstallateuren und Elektrotechnikern. Sie belegen im Dekra-Report Platz vier. Quelle: dpa

Kurs und Weiterbildungsangebote gibt es tatsächlich zuhauf, auch ziemlich dubiose.

Teupen: Bildung bedeutet heutzutage auch häufig Business. Es gibt mittlerweile unfassbar viele Weiterbildungsangebote. Allein in Düsseldorf sind es über 360 Träger, die die unterschiedlichsten Qualifizierungsangebote vorhalten. Und da sind nicht nur immer gute darunter. Das Bedeutsame dabei ist: Bildung ist keine Ware, die ich bei Nichtgefallen zurückgeben kann.

Urbanek: Darunter gibt es auch windige Abschlüsse, die auf dem Markt gar nichts wert sind. Auch im Umschulungsbereich gibt es schlechte Anbieter, die ein Versprechen, das sie geben, gar nicht halten können.

Sie machen Weiterbildungssuchenden ja Mut.

Teupen: Das richtige Weiterbildungsangebot zu finden bedeutet angesichts der Fülle von Broschüren, Programmheften und so weiter Arbeit. Ferner  gibt es diverse Beratungsstellen. Die Stiftung Warentest hat dazu einen aktuellen Katalog zusammengestellt. Es gibt aber kein Patentrezept. Deshalb kann unser Tipp nur lauten: Nutzen Sie die Chance, sich beraten zu lassen. Das bedeutet aber auch: Wenn sich jemand weiterbilden will, sollte er vorher sozusagen Hausaufgaben machen.

Was erfolgreiche Unternehmen für ihre Mitarbeiter tun

Hausaufgaben schon vor Schule?

Teupen: Hausaufgaben im Sinne von sich auf das Beratungsgespräch vorbereiten; sich Gedanken zu machen: Was will ich? Was kann ich? Wie viel Zeit und Geld habe ich? Ebenfalls: Was möchte ich unter keinen Umständen? Wenn jemand so vorbereitet einen Berater aufsucht, ist es auch für diesen einfacher, zu helfen. Das Angebot ist so vielfältig, dass es ganz schwierig ist, überhaupt noch durchzublicken. Der Grad der Hilfs- und Planlosigkeit ist teilweise erschreckend. Und das ist bei denjenigen, die eine Ausbildung machen wollen genauso wie bei denjenigen, die einen Master oder Bachelor machen wollen.

Man sollte sich niemals in eine Ecke drängen oder sich von hohen Preisen und noch höheren Versprechen blenden lassen.

Wir haben aber eben schon geklärt, dass es in vielen Fällen auch für die Unternehmen nicht reicht, nur eine Ausbildung zu machen. Läuft es dann da wenigstens rund oder ist der Deutsche denn ein Weiterbildungsmuffel?

Teupen:  Nein, überhaupt nicht. Alle Zahlen sprechen dagegen. Vor allem der Bedarf, Wissen anzupassen, ist enorm.  Berufstätige werden immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Das reicht von der Softwareschulung bis zur rechtlichen Änderungen im  Arbeitsbereich. Und es gibt natürlich ein Interesse der Firmen, das Wissen ihrer Mitarbeiter aktuell zu halten. Denn das ist auf Sicht ein geldwerter Vorteil.

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