Ein Schlag ins Gesicht der Industrie? Nun, die Hersteller sprachen am Tag der Entscheidung des Bundestages hierzu von einem "rabenschwarzen Tag für die deutsche Tabakwirtschaft" und befürchten den Verlust von vielen Arbeitsplätzen.
"Rabenschwarz" - Ich muss gerade an Teerlungen denken. Wenn man bedenkt, dass jährlich rund 120.000 Menschen durch den Konsum von Tabak in Deutschland sterben, wirkt die Bedrohung von Arbeitsplätzen plötzlich irgendwie viel weniger bedrohlich.
Die deutsche Tabakindustrie profitiert seit Jahren davon, dass der deutsche Gesetzgeber die Gefahren des Rauchens deutlich defensiver bekämpft als der Rest der EU. So gesehen war bisher jeder einzelne Tag ein großartiger Jubeltag für die Zigaretten-Lobby. Sie muss einem nicht Leid tun.
Nein, aber zu bemitleiden sind jetzt erst recht all die, die diese hässlichen Schachteln kaufen müssen. Finde ich ein Hemd bieder, dann kaufe ich ein anderes. Finde ich einen Blumenstrauß kitschig, lasse ich einen anderen binden. Bei der Zigarettenschachtel aber muss ich gegen meinen Ekel ankonsumieren. Das ist schon wieder einzigartig.
Raucher werden ab jetzt behandelt wie Patienten. Sie sollen vor der Kneipe und auf dem Balkon therapiert werden. Die Bilder sind aber nicht nur Warnung, sie sind auf der Metaebene auch Ausdruck dessen, was der Gesetzgeber von Rauchern hält:
Unsere Gesellschaft traut dem Raucher keine rationale Konsumentscheidung zu seinen eigenen Gunsten mehr zu und versucht, ihn mit Bildchen emotional aufzurütteln. Die Schock-Schachteln stilisieren den Tabak-Konsumenten damit endgültig zum Drogenopfer. Geht es demütigender?
Für die Tabak-Industrie hingegen ist dies nur auf den ersten Blick ein Nachteil. Zwar stellt sich die Frage: Wie kann man eine Ware optisch so verhunzen, die doch ganz legal verkauft werden darf? Aber: Die vernünftige Alternative wäre ein komplettes Verkaufsverbot. Insofern ist die Schock-Schachtel ein kurioser Kompromiss zwischen Vernunft und Sucht-Tradition.
Die Tabak-Industrie kann also schon wieder jubeln. Jedes andere vergleichbar gesundheitsschädliche Produkt würde sofort verboten, bevor der Hersteller piep sagen könnte. Die Diskussion um manipulierte Diesel-Autos zeigt, wie sensibel wir an anderer Stelle längst auf Schadstoffe in der Atemluft reagieren.
Rauchen gilt ab sofort wohl nicht mehr nur als ein unvernünftiges Laster zum Wegschmunzeln, sondern es wirkt pathologisch. Das ist unsexy aber immerhin ehrlich.
Ich habe kürzlich eine E-Mail von Gauloises bekommen. Darin bewirbt der Zigarettenhersteller sein Uni-Campus-Frühstück mit Croissant, Müsli und Kaffee: von Zigaretten kein einziges Wort und kein einziges Bild. Wahrscheinlich dürfen sie das gar nicht. Aber ohnehin passt rauchen ja nun wirklich nicht mehr zum unbeschwerten jungen Lebensstil, den Gauloises vermitteln will. Wer raucht, ist der Statistik nach älteren Kalibers und schlechter gebildet. Womöglich ist es der Tabakindustrie mittlerweile selber peinlich, Zigarettenhersteller zu sein.