In Deutschland ist der Konsum von Tabakwaren pro Kopf von 1700 Stück im Jahr 2000 auf heute unter 1000 gesunken. Es ist doch kurios, dass unsere aufgeklärte Bildungsgesellschaft Rauchen überhaupt noch toleriert. Wo wir doch sagen: Das Recht des Einzelnen zu tun endet dort, wo die Rechte des anderen anfangen.
Ich sage das ohne Groll gegen Raucher. Es fasziniert mich aber. Besonders klar wird das Phänomen, wenn man Zigaretten gedanklich durch Vergleichbares ersetzt.
Erstens verbietet der Camel-Konzern Reynolds jetzt das Rauchen am Arbeitsplatz. Bei UHU wird schließlich im Großraumbüro auch kein Klebstoff geschnüffelt. Zweitens ist Passivrauchen gesundheitsschädlich. Stellen Sie sich eine Kneipe vor, in denen einige Gäste aus reiner Genusssucht anderen Gästen plötzlich eine schallende Ohrfeige geben. Und wer keine geschmiert bekommen will, soll eben Zuhause bleiben. Was wäre das für eine Welt? Und von passivem Ohrfeigenkonsum bekommt man keinen Krebs.
Drittens: Wer andere vorsätzlich mit einer Taschenlampe blendet, macht sich mitunter strafbar. Wer andere aus Spaß mit einem lauten "BUH!" erschrickt, auch. Was ist dann mit krebserregendem Rauch?
Das Amtsgericht Erfurt hat entschieden: Wer jemandem absichtlich Rauch ins Gesicht bläst, begeht eine Körperverletzung. Im konkreten Fall war Rauchen dort verboten. Ich behaupte: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Einqualmen generell als Körperverletzung gilt. Weil es konsequent wäre. Wer raucht, dem signalisiert das vom Nikotin umprogrammierte Gehirn: Rauchen ist gut. Tue es wieder und wieder.
In welchem anderen Fall würde unsere Gesellschaft öffentlich ausgelebter Drogensucht solch einen Raum einräumen? Stehen Raucher vor der Kneipe gerne an einem Tisch mit jemandem, der sich Heroin in den Arm spritzt? Und wer schadet dem anderen durch seinen Drogenkonsum mehr?
Der Tabakkonzern hat ja so recht mit seinem Verbot. Und konsequent zu Ende gedacht - wo wird Rauchen am Ende noch möglich sein?
Am Arbeitsplatz: nein. In Restaurants und Kneipen: nein. Im Flugzeug und im Zug: nein, nein. Vor Restaurants und Kneipen, im Freibad, auf dem Campingplatz: nicht, solange andere gegen ihren Willen passiv rauchen könnten.
Zuhause: Nur solange der Vermieter oder die Eigentümergemeinschaft nichts dagegen haben und andere Hausbewohner keinen Rauch über offene Fenster und Treppenhaus abbekommen (wäre bei dauernden Klebstoffdämpfen auch nicht hinnehmbar). In Gegenwart von Kindern: Wer da raucht, dem hat das Nikotin ja eh schon die Vernunft weggelötet.
Letztendlich bleiben zwei Orte: Entweder das eigene Auto - solange es stets nur allein genutzt wird. Da ist dann aber jede Zigarette mehr doppelt so teuer, weil mit jedem Ausblasen der Wiederverkaufs-Wert des Autos sinkt. Zweitens: Ein einsamer Platz im Wald im Regen (bei Trockenheit Waldbrandgefahr). Für Raucher scheint die Lage also aussichtslos. Und dennoch rebellieren sie nicht. Wie sind die zwei Geschichten von eben ausgegangen?
In beiden Fällen haben alle Raucher ihre Zigaretten sofort ausgedrückt. Ohne Maulen, sondern freundlich, schon fast devot: "Ja, da haben Sie natürlich recht". Wir leben eben bereits in der Ära nach der großen Rauchverbots-Depression. Raucher sind zwar meistens drogensüchtig, aber meistens keine Unmenschen. Sie lenken ein.
Die von den Nikotin-Verdampfern ausgehenden Gesundheitsgefahren insbesondere für Passivdampfer sind noch nicht sonderlich gut erforscht. Die Regelungen zu Verkauf und Dampferlaubnis in der Öffentlichkeit ein Chaos. Das wird noch andauern. Darauf setzten die Konzerne in ihrer Not.
Aber Tabakrauch wird sicher bald ein Merkmal der ewig Gestrigen sein. Die graue, matte Haut bleibt als Erkennungszeichen wegen des Nikotins aber selbst beim Umstieg auf E. Das ist auch konsequent.