Windenergie Aufblasen oder Sterben

In der Windenergiebranche beginnt das große Fressen: Nordex fusioniert mit Acciona, Siemens greift nach Gamesa und Senvion drängt an die Börse. Im Überlebenskampf der Turbinenbauer zählt Größe. Wer zu klein ist, stirbt.

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Auf dem Markt für Windturbinen herrscht ein knallharter Kampf ums Überleben. Quelle: dpa

Frankfurt Lars Bondo Krogsgaard hat gesucht und gesucht. Der Däne hat inständig gehofft, dass es nicht so weit kommen würde. Am Ende stand für den Chef des Windturbinenherstellers Nordex mit der markanten Nickelbrille aber die bittere Erkenntnis: So wie bisher geht es nicht weiter. Eine langfristig robuste Nische, in der Nordex überleben kann, gibt es einfach nicht. Die Strategie der letzten Jahre, sich auf kleine und mittelgroße Kunden zu fokussieren, ist überholt. Ohne Kurskorrektur droht der Untergang.

„Ich sehe keinen Platz mehr für einen kleinen Spieler“, resümierte Krogsgaard mit seinen Vorstandkollegen bereits vor mehr als einem Jahr. Anstatt im immer härteren Wettbewerb mit Weltkonzerne wie Siemens und General Electric (GE) oder den Branchenriesen Vestas und Enercon zerrieben zu werden, schaltete Nordex selbst in den Angriffsmodus. Und kündigte im Oktober 2015 die Übernahme der Windsparte des spanischen Mischkonzerns Acciona an – für 785 Millionen Euro.

Jetzt meldet Krogsgaard den Vollzug des größten Deals in der Firmengeschichte. Die Kartellbehörden haben keine Einwände vorgebracht. Anfang April ist die Transaktion damit auch juristisch und handelsrechtlich durch. Die Windenergiebranche hat einen neuen Giganten: Im Gespann mit Acciona peilt Nordex dieses Jahr einen Umsatz von mehr als 3,4 Milliarden Euro an. Mittelfristig will das Unternehmen zu einem der fünf größten Turbinenhersteller weltweit für Windkraft an Land aufzusteigen.

Der Zusammenschluss ist nur das jüngste Beispiel für die fortschreitende Konsolidierung in der Windenergieindustrie. Anfang des Jahres schluckte Vestas bereits den Wartungsspezialisten Availon, Siemens will sich alsbald den Konkurrenten Gamesa einverleiben, und chinesische Hersteller wie Goldwind suchen in Europa aktiv nach Übernahmekandidaten.

Es gibt zu viele Akteure im Markt, kleinen Herstellern droht das Aus. Der Wettbewerb wird immer härter. Und im Kampf ums Überleben wird Größe zur alles entscheidenden Dimension.

„Die meisten Windturbinenhersteller haben zuletzt eine gute Profitabilität erreicht, indem sie sich konsequent auf ihre Kernstärken fokussiert haben“, sagte Wolfgang Krenz dem Handelsblatt. „Aber das ist ein endliches Spiel und reicht nicht aus, um das mittelfristig notwendige Wachstum zu erzeugen“, stellt der Windenergieexperte der Unternehmensberatung Oliver Wyman klar. Denn das Geschäft mit der Erzeugung von grüner Energie ist längst kein Selbstläufer mehr.

Zwar wurden weltweit noch nie so viele Windräder an Land oder auf hoher See errichtet wie im vergangenen Jahr. Nach Berechnungen des Analysehauses FTI Intelligence gingen Windenergieanlagen mit einer Leistung von fast 60 Gigawatt neu an Netz, was in etwa der Leistung von 60 Kernkraftwerken entspricht. Doch der Boom der Windkraft dürfte in den nächsten Jahren deutlich abflauen.


Turbulenter Börsengang von Senvion

Die politischen Rahmenbedingungen für die Industrie verschlechtern sich zusehends. Ab 2017 ändern etwa viele Länder in der EU wie Deutschland ihr Subventionsregime. Statt bisher staatlich garantierter Vergütungen müssen sich Windparkbetreiber dann im Wettbewerb untereinander um die Höhe der Förderungen streiten. Derjenige, der sich mit dem wenigsten Staatsgeld begnügt, bekommt den Zuschlag.

Weil die Windenergieindustrie noch immer von der Spendierlaune der Politik abhängig ist, verlagern sich die Wachstumszentren der Branche oft sprunghaft von einem Markt zum nächsten. Ein Beispiel: War Großbritannien 2015 neben Deutschland noch der wichtigste Markt für Windenergie an Land in Europa, rechnet die Industrie 2016 mit einem Totaleinbruch des Wachstums auf der Insel. Denn die britische Regierung hat die Förderungen komplett gekappt.

„Eine globale Aufstellung und eine breite Abdeckung unterschiedlicher Marktanforderungen helfen hier“, erklärt Branchenkenner Krenz. Im Klartext heißt das: Wer überleben will, muss hochspezialisierte Windturbinen für Europa ebenso im Portfolio haben wie günstige Massenmühlen für Südamerika, Asien und Afrika.

„Kleine Unternehmen tun sich da schwer“, sagt Krenz. Denn nur mit Skaleneffekten lasse sich die notwendige Profitabilität erreichen. „Wer das globale Spiel mitspielen will“, erklärt der Windkraftexperte, „muss mittelfristig einen Umsatz von mindestens vier, fünf Milliarden Euro erreichen.“

Der Windturbinenhersteller Senvion ist davon noch weit entfernt. Die Hamburger erzielten 2015 einen Umsatz von 2,14 Milliarden Euro. Um unabhängig zu bleiben und Geld zur Eroberung neuer Märkte einzusammeln, wollte Senvion Ende vergangener Woche den Sprung an die Börse wagen. Doch das Unternehmen zog allerdings seine Pläne überraschend zurück. Und begründete den Schritt mit der Volatilität der Märkte.

Bei der Roadshow des Unternehmens haben potenzielle Investoren offenbar die mangelnde Präsenz von Senvion in Asien und den Entwicklungsländern bemängelt. Dabei verlagert sich das Wachstum in der Windenergie-Industrie gerade immer stärker in Märkte wie Indien, Mexiko oder Südamerika. Und weg aus Europa, wo Senvion mehr als 60 Prozent seines Umsatzes generiert.

Dennoch unternimmt der Hamburger Windturbinenbauer jetzt einen weiteren Anlauf an die Börse. Schon am Mittwoch soll der erste Handelstag erfolgen. Statt wie ursprünglich angedacht wird Senvion aber nicht 30 Millionen Papiere auf den Markt werfen, sondern nur rund 18,7 Millionen Aktien. Und auch die Preisspanne haben die Hamburger nolens volens deutlich abgesenkt. Eine Aktie ist jetzt für maximal 17 Euro erhältlich. Angestrebt war zuvor ein Preis von bis 23,50 Euro. Die Zeiten des unbeschwerten Wachstums und der Traumrenditen mit Öko-Strom sind eben endgültig vorbei.

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