So beginnt sein Amtsantritt mit einer unpopulären Entscheidung gegen die Begeisterung im Unternehmen und damalige Wachstumsfantasien. Heute nimmt es Zeschky mit Humor: „Die schlimmsten Dinge können Sie nur in den ersten sechs Monaten durchziehen.“
Und es kommt schlimmer. Zeschky schrumpft den Vorstand von fünf auf drei Köpfe und schließt im Spätherbst 2012 das Rotorblattwerk in China mit 130 Mitarbeitern – eine Konsequenz aus der rückläufigen Auslastung und den dadurch im Reich der Mitte entstandenen Verlusten. Lange hatte Nordex vergeblich einen Partner gesucht. Und ohne ging es nicht: „99,9 Prozent der Aufträge in China gingen und gehen an chinesische Hersteller“, moniert Zeschky.
Im Sommer 2013 zieht Zeschky auch den Stecker im US-Werk in Jonesboro im Bundesstaat Arkansas. Grund dafür ist die andauernd schwache Nachfrage aus den USA, weil nicht feststeht, ob und in welcher Höhe es Steuervergünstigungen für Windanlagen gibt. Rund 40 Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz.
Außer einem Büro mit einem Dutzend Mitarbeitern ist nicht viel übrig geblieben. Aber: „Wir gewinnen, anders als in China, in den USA wieder Aufträge“, sagt Zeschky. Vor wenigen Wochen holte sich Nordex den Zuschlag für den Windpark Fourmile Ridge im Bundesstaat Maryland mit 16 Turbinen und einem Wartungsvertrag über 20 Jahre.
Parallel zu Schließungen und Entlassungen arbeitet Zeschky am operativen Überleben: „Wir hatten keine Berater im Unternehmen und auch keinen tollen Namen für das Restrukturierungsprogramm. Wir haben es einfach gemacht.“
Alle Entscheidungen seien bis Spätsommer 2012 in Teams mit den 20 Top-Führungskräften erarbeitet worden, schildert der Nordex-Chef. Denn: „Die Mitarbeiter, die die Pläne ausführen, sollen sie auch machen.“ Nordex soll demnach künftig
- in jeder der drei Windklassen (stark, mittel, schwach) eine wettbewerbsfähige Anlage am Start haben,
- Materialkosten beim Windturbinenbau senken,
-Montagezeiten reduzieren sowie
-Pleiten und Pannen beim Bau schlüsselfertiger Parks vermeiden.
„Bei vielen Windparkprojekten fehlten wochenlang mal die Türme, mal die Rotorblätter auf den Baustellen“, sagt Zeschky. „2013 ist das fast gar nicht mehr vorgekommen.“ Auch die Materialkosten konnte er senken. So wird eine Nordex-Turbine heute rund 100 000 Euro günstiger gefertigt als noch vor zwei Jahren.
Rotorflügel aus der Türkei
Zur Kosteneinsparung tragen auch neue Lieferanten und Partner bei. So arbeitet Nordex seit August 2013 mit dem US-Komponentenhersteller TPI zusammen, der für die Hamburger im türkischen Izmir Rotorblätter montiert. Das Werk in Izmir ist ideal gelegen, um die riesigen Windflügel auf dem Land- und Wasserweg auf die Baustellen in der Türkei, aber auch in andere Länder zu transportieren. „Das ist ein wichtiger Markt und ein wichtiger Standort, bei dem wir von geringeren Lohn- und Logistikkosten profitieren“, sagt Zeschky.
Die Erfolge lassen nicht lange auf sich warten. Vor knapp zwei Wochen bestellten drei lokale türkische Energieversorger insgesamt 17 Windmühlen für drei Windparks.
Parallel senkt Zeschky auch die Arbeitszeiten im Werk in Rostock. Die Montagestunden für ein Getriebe reduzieren sich durch eine erhöhte Automatisierung und Fließbandproduktion um 16 Prozent, die Stunden für Rotorblätter sogar um 20 Prozent.
Für kräftigen Rückenwind sorgt ab Mitte 2012 auch die Einführung der neuen Windkraftanlage N117/2400, einer Mühle für Gebiete, in denen der Wind in der Regel nur schwach weht. „50 Prozent der Auftragseingänge entfallen auf diese Innovation“, schwärmt Zeschky. Um die Nachfrage bewältigen zu können, wurden im Blatt- und Maschinenhauswerk in Rostock wieder 150 Mitarbeiter eingestellt und die Kapazitäten hochgefahren.
Ralf Meier, seit mehr als 17 Jahren bei Nordex in Hamburg und seit einer Dekade Gesamtbetriebsratsvorsitzender, bezeichnet Nordex als „Stehaufmännchen der Windbranche“: „Wir haben eine Belegschaft, die anscheinend nie den Glauben daran verliert, dass es wieder aufwärtsgeht.“ Im Unternehmen stecke so viel Potenzial, dass „wir auch schwere Zeiten überstehen können“.
Für viele Analysten ist die Aktie des norddeutschen Windmühlenherstellers nach der gelungenen Wende eine Empfehlung. „Dank der strategischen Neupositionierung, erfolgreich durchgeführter Kostensenkungsprogramme sowie der Entwicklung neuer, innovativer Produkte ist 2013 die Trendwende gelungen“, kommentiert Nord/LB-Analyst Holger Fechner.
Commerzbank-Kollege Sebastian Growe sieht vor allem in der starken Entwicklung des Repowering in Deutschland einen großen Vorteil für Nordex. Mit Repowering bezeichnet man den Austausch bestehender alter Onshore-Windkraftanlagen durch neue, leistungsstärkere Windräder.
Entspannte Großaktionärin
Unterstützung erhält Nordex auch von der Europäischen Union. Die Europäische Investitionsbank in Luxemburg stellte Nordex Ende April für ein mehrjähriges Forschungs- und Entwicklungsprogramm ein Darlehen über 100 Millionen Euro zur Verfügung. Die positive Entwicklung freut nicht nur Mitarbeiter, Betriebsräte, Lieferanten, Analysten und Kunden. Auch die Milliardärin Susanne Klatten dürfte entspannter und freudiger auf ihr Investment blicken. Über die Beteiligungsgesellschaft Skion ist die BMW-Großaktionärin 2008 mit 20 Prozent bei Nordex eingestiegen und hält heute knapp 23 Prozent. Zur gelungenen Kehrtwende möchte sich Klatten dennoch nicht äußern.