Wirtschaftsdelegation nach China Der 153-Milliarden-Euro-Flieger

Bundeskanzler Olaf Scholz reist nicht allein nach China Quelle: dpa

Eine zwölfköpfige Wirtschaftsdelegation begleitet Kanzler Scholz nach China. Die Chefs und Chefinnen vertreten Milliardenumsätze in der Region – und wollen weiter wachsen. Das könnte die Abhängigkeit von China erhöhen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Die Reise ist kurz und ohne Übernachtung. Die Regierungsmaschine mit Ziel Peking startete am gestrigen Nachmittag in Berlin und wird schon am morgigen Samstag wieder in der deutschen Hauptstadt landen. Ein Hotel-Stopp in China ist nicht geplant. Bundeskanzler Olaf Scholz trifft Chinas Staatspräsidenten Xi am heutigen Freitag nur auf kurzer Stippvisite – und hat ein Dutzend Wirtschaftsvertreter mitgenommen.

Die Unternehmen repräsentieren einen Großteil des Dax – und viel China-Umsatz. Mindestens 153 Milliarden Euro setzten die mitreisenden Unternehmen 2021 in China gemeinsam um – bei einigen Konzernen liegt der China-Anteil bei mehr als 20 Prozent. Konzerne wie Adidas weisen ihr Geschäft wegen der hohen Bedeutung inzwischen separat aus, andere Firmen wie BMW sind zurückhaltender. Klar ist aber bei nahezu allen Delegierten: Ihre Unternehmen sollen in China wachsen.

Dabei ist der asiatische Markt längst zu einem Politikum avanciert – und der Umgang mit dem Regime in Peking daher auch innerhalb der Unternehmen durchaus umstritten. Beim Chemiekonzern BASF etwa sickerte unlängst durch, dass die Mega-Investition der Ludwigshafener in einen Verbundstandort in China nicht von allen Vorständen kritiklos geteilt wird.

Die hohe Abhängigkeit von China könnte Unternehmen angreifbar machen. Sollte China militärisch etwa Taiwan angreifen, wären Sanktionen des Westens unvermeidbar. Damit wären auch die China-Umsätze der deutschen Unternehmen gefährdet. Von den sonstigen Unwägbarkeiten wie der Menschenrechtssituation, dem fehlenden Datenschutz oder dem politischen Einfluss auf Unternehmen ganz zu schweigen.

Die Unternehmensvertreter werden bei den Gesprächen in China zuhören, mitdiskutieren und für sich werben. Es lohnt daher ein Blick auf die Passagierliste der Kanzlermaschine – und den Umsatz, den sie in China machen und künftig machen wollen.

Volkswagen
Umsatz in China: etwa 93 Milliarden Euro (37 Prozent des Gesamtumsatzes)
Delegations-Teilnehmer: VW-Chef Oliver Blume

Kein anderer Autohersteller ist so stark von China abhängig wie Volkswagen – und so überrascht nicht, dass der neue VW-Chef Oliver Blume mitfliegen wird. Der Konzern verkaufte im vergangenen Jahr fast 42 Prozent seiner Neuwagen – oder 3,6 Millionen Autos – in China. Deshalb trägt China fast 40 Prozent zum Gewinn bei. Volkswagen ohne China, das ist eigentlich undenkbar. Müsste VW aus politischen Gründen das Geschäft in China abwickeln, so wie es etwa in Russland nötig war, dann wäre der Konzern, wie wir ihn heute kennen, Geschichte. Der derzeit zweitgrößte Autokonzern läge dann nur noch im Mittelfeld der weltweit führenden Hersteller.

Deshalb müssen die Wolfsburger faktisch fast alles mitmachen, was China von ihnen verlangt. Das umstrittene Werk in der Region Xinjiang, wo laut Menschenrechtlern auch unterdrückte Minderheiten arbeiten müssen, wurde vorwiegend aus politischen Gründen errichtet. Hätte Volkswagen frei entscheiden können, wäre das Werk wohl nie gebaut worden. Angesichts der massiven Kritik an der Fabrik würde Volkswagen es wohl am liebsten schließen, tut das aber nicht, um die chinesische Regierung nicht zu brüskieren. Dies ist für VW umso wichtiger, da die Geschäfte in China ohnehin nicht rund laufen. Noch ist der Konzern dort der Platzhirsch, doch der Marktanteil sinkt seit Jahren. Bei den Elektroautos kann VW in China bislang ohnehin nicht vorne mitspielen. Hier sind chinesische Autobauer deutlich erfolgreicher.

Doch nicht nur der große chinesische Markt ist aus VW-Sicht bedroht. Sollten sich die Beziehungen des Westens und Chinas derart verschlechtern, dass es zu Handelsembargos oder gar einem Handelskrieg kommt, könnte China ohne Probleme große Teile der weltweiten E-Auto-Produktion zum Erliegen bringen. Denn drei Viertel aller E-Auto-Batterien kommen aus China. Bei einzelnen Batterierohstoffen, ohne die der Bau von Batteriezellen nicht möglich ist, liegt der chinesische Weltmarktanteil laut Internationaler Energieagentur (IEA) sogar bei 90 Prozent. Die Zukunft der Autoindustrie, sie liegt fast komplett in chinesischer Hand.



BMW
Umsatz in China: rund 25,3 Milliarden Euro (22,8 Prozent des Gesamtumsatzes)
Delegations-Teilnehmer: BMW-Chef Oliver Zipse

Für den Autobauer aus München gilt China inzwischen als wichtigster Einzelmarkt. 2021 erzielte der Konzern dort einen neuen Absatzrekord – und verkaufte insgesamt 847.935  Fahrzeuge. Das waren stolze 34 Prozent aller 2021 von BMW weltweit verkauften Fahrzeuge. Und die Bedeutung des chinesischen Marktes nimmt weiter zu. Im Februar 2022 übernahm BMW die Mehrheit am Joint Venture BMW Brilliance Automotive. BMW hält daran nun 75 Prozent. BMW Brilliance produziert überwiegend für den chinesischen Markt. Das nun vollkonsolidierte Unternehmen ließ den Gewinn im ersten Halbjahr 2022 auf 13,2 Milliarden Euro förmlich explodieren.

Eine Herausforderung für BMW ist der Konflikt zwischen den USA und China, da der Autobauer in beiden Ländern produziert und Fahrzeuge teilweise hin- und herschifft. Aus dem US-amerikanischen Spartanburg exportiert BMW die dort gebauten X-Modelle nach China, außer dem X5, den BMW seit diesem Jahr auch in China fertigt. Aus China exportiert BMW den vollelektrischen iX3, den BMW ausschließlich in China baut. Mögliche Zollerhöhungen oder Import- und Exportbeschränkungen könnten das Geschäft erschweren.

Siemens
Umsatz in China: 8,2 Milliarden Euro (13 Prozent des Gesamtumsatzes)
Delegations-Teilnehmer: Siemens-Chef Roland Busch

Siemens-Chef Roland Busch ist zwar seit einem Jahr als Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses (APA) quasi der Klassensprecher der deutschen Wirtschaft in Fernost. Öffentliche Äußerungen über China überlässt er trotzdem lieber anderen, etwa seinem Vorgänger Joe Kaeser oder BASF-Chef Brudermüller. Dabei ist Busch ein enger Kenner Chinas: Er lebte ab 2005 ein paar Jahre in Shanghai und spricht ein wenig die Sprache. Später trieb er Siemens' Geschäfte in China als Vorstand voran, erst mit Zuständigkeit für Asien, jetzt als Vorstandschef. Die Erfolge wuchsen, und mit ihnen die Abhängigkeit. 13 Prozent seines Konzernumsatzes macht Siemens inzwischen in China. Vor allem die Geschäfte der Automatisierungssparte boomen, trotz der Covid-Lockdowns.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%