Wolfgang Büchele So tickt der neue Linde-Chef

Als bodenständigen Schwaben beschreiben Wegbegleiter Wolfgang Büchele. Über Stärken, Schwächen, Freunde und Gegner, Ziele und Visionen des neuen Linde-Chefs.

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Wolfgang Büchele Quelle: Petri Artturi Asikainen Kemira Oyj dpa

Ganz leicht war es nicht, einen Nachfolger für den charismatischen wie schillernden Linde-Chef Wolfgang Reitzle zu finden. Der Münchner Konzern setzte einen Headhunter ein. Die Wahl fiel schließlich auf Wolfgang Büchele, zuletzt Chef des finnischen Chemieunternehmens Kemira. Am Dienstag, mit Ablauf der Hauptversammlung, tritt der 54-jährige promovierte Chemiker an. Vor ihm liegen große Fußstapfen. Reitzle hinterlässt Büchele ein hervorragend bestelltes Feld. Konsequent hat der frühere Automanager die Aktivitäten des Konzerns ausgedünnt, die Gabelstaplersparte abgegeben und sich auf das renditeträchtige Geschäft mit Industriegasen und den Anlagenbau konzentriert.

Durch die Übernahme des US-Konzerns Lincare, eines Anbieters medizinischer Gase für die Patientenversorgung zu Hause, stieß Linde in den Wachstumsmarkt Gesundheit vor. Es wird nicht sehr lange dauern, bis Büchele ein Wiedersehen feiern dürfte: In zwei Jahren, nach Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen Abkühlphase, will der bisherige Linde-Lenker Chefaufseher bei seinem langjährigen Arbeitgeber werden.

Vorbilder: Schnell reagieren

Als Büchele 1993 für seinen damaligen Arbeitgeber BASF nach China ging, wurde ihm klar, wie schnell sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen ändern können. Reformpatriarch Deng Xiaoping hatte das Reich der Mitte mit seiner Öffnungspolitik binnen weniger Jahre in ein boomendes Land verwandelt. „Auf solche Veränderungen muss man als Unternehmer schnell reagieren können“, sagt Büchele. Eingeimpft hat ihm diese Fähigkeit zur schnellen Reaktion sein Vater. Der betrieb am Rand des schwäbischen Städtchens Geislingen, wo Büchele aufwuchs, ein Baugeschäft. Sich auf Veränderungen schnell einstellen zu können sei im Geschäft das Wichtigste, erklärte er seinem Sohn. „Es bringt nichts, langfristig um jeden Preis, 150 Jobs erhalten zu wollen, wenn tatsächlich nur 100 wettbewerbsfähig sind“, sagt Büchele heute. Auch bei Ex-Chrysler-Chef Lee Iacocca bedient sich der neue Linde-Chef. Der Autoboss habe es immer wieder geschafft, neue Herausforderungen mit unkonventionellen Methoden zu meistern.

Vorlieben: In die Berge

Um seinen Lieblingssport auszuüben, muss Büchele nun nicht mehr weit fahren. Im Süden Münchens geht es auf die Autobahn, und in einer guten Stunde ist der Linde-Chef in Garmisch oder Kitzbühel, wo er im Winter die Berge hinunterwedeln kann. In Helsinki, wo der leidenschaftliche Skifahrer Büchele bisher arbeitete, war das anders. „Da fährt man eher horizontal Ski“, sagt Büchele. Einmal im Jahr ist er darum mit seiner Familie zum Urlaub in die Alpen gefahren. „Ein enormer Aufwand“, sagt Büchele, „das ist jetzt zum Glück vorbei.“ Kaum fehlen wird dem neuen Linde-Chef die finnische Sauna. In seinem Haus in Helsinki hatte er eine. Benutzt hat er sie nie. Einfach nicht sein Ding, sagt er. Vermissen wird Büchele den finnischen Sommer mit den langen Abenden auf der Terrasse.

Absolut unprätentiös

Stärken &Schwächen: China-Narr

Absolut unprätentiös – so beschreibt ein früherer Weggefährte den neuen Linde-Chef. Als Wolfgang Büchele in den Neunzigerjahren für BASF in China stationiert war, zog er teilweise wochenlang alleine über Land und verkaufte für sein Unternehmen Katalysatoren. Manchmal hat Büchele dabei drei Wochen und mehr in kleinen Herbergen zwischen Ölfeldern gewohnt. „Der ist sich für nichts zu schade“, sagt ein damaliger Kollege, „ein absoluter Macher-Typ.“

An China habe Büchele einen Narren gefressen. Für Verwunderung im Kollegenkreis habe er gesorgt, als er eines Morgens mit blond gefärbten Haaren auftauchte, erinnert sich einer. Eigentlich hat Büchele dunkle Haare. „Von da an galt er als deutsches Pendant zu Robert Redford“, sagt der frühere Kollege. Eitel sei er allerdings nicht. Doch nicht nur durch sein Äußeres versteht Büchele es, Menschen auf sich aufmerksam zu machen und für sich einzunehmen. Der künftige Linde-Chef kann auf Leute zugehen und gilt als eloquent sowie kommunikativ.

Freunde & Gegner: Nicht verwunden

Der BASF-Aufsichtsrat hatte Ende 2007 getagt, und die Entscheidung stand schnell fest: Der promovierte Chemiker Büchele sollte in den Vorstand des Ludwigshafener Chemieriesen aufrücken. Er gehörte in dem Konzern, in dem er seine Karriere 1987 begonnen hatte, neben Asien-Vorstand Martin Brudermüller zu den engsten Vertrauten von Vorstandschef Jürgen Hambrecht. Doch kurz vor seinem Wechsel ins Führungsgremium eröffnete der ihm, dass es mit dem neuen Job nichts werden würde. Die Umstände der plötzlichen Kehrtwende sind bis heute nicht geklärt. Büchele wechselte Anfang 2008 zum Finanzinvestor Blackstone; verwunden hat er den Rausschmiss bis heute nicht. Aufmerksam beobachtet werden dürfte Büchele von Benoît Potier, dem Chef des großen französischen Rivalen Air Liquide – und von Linde-Chefkontrolleur Manfred Schneider, der Büchele geholt hat.

Ziele & Visionen: Nummer eins

Die spektakulären Schritte beim Umbau des Linde-Konzerns seien sicherlich vorbei, sagt Büchele und meint damit etwa den Milliardenzukauf Lincare, einen US-Anbieter medizinischer Gase für Patienten zu Hause und im Hospital. Kleinere Übernahmen kann sich der neue Chef allerdings vorstellen.

Vorrangig will Büchele den Konzern nun als unangefochtene Nummer eins der Branche etablieren und den Abstand zum französischen Rivalen Air Liquide ausbauen. Außerdem will der neue Chef sich künftig stärker um Außendarstellung und Image des Konzerns kümmern. Denn durch Lincare ist Linde nun im Geschäft mit Endverbrauchern unterwegs. „Das ist sicherlich ein Thema bei unserem Marketing“, sagt Büchele.

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