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Zukunft der Industrie Wie deutsche Konzerne an der Zukunft tüfteln

Früher hatten Zukunftsforscher die Rolle von Hofnarren, heute gehören sie zu Unternehmen wie Analysten und Buchhalter. Ein Blick hinter die Kulissen.

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Ein Blick in die Zukunftlabors deutscher Konzerne. Quelle: Fotolia

Vor den schicken 3-D-Druckern in der Filiale der Deutschen Post bilden sich lange Schlangen. Denn es ist Montag, und die Kunden wollen ihre Online-Bestellung vom Wochenende abholen – Modeschmuck, ein Ersatzteil für den Staubsauger, den kleinen Buddha als Geschenk für die gestresste Freundin. Nur noch die Alten erinnern sich, dass früher Postboten das nach Hause brachten. Heute drucken sich die Leute solche Artikel aus.

Plastik aus Erdöl – längst vorbei. Stattdessen züchtet der Essener Chemiekonzern Evonik Kunststoffe mithilfe von Bakterien.

Und Wind speichern für den Fall, dass Flaute herrscht und der Strom nur von Rotoren draußen auf dem Feld kommt, die jetzt aber stillstehen? Kein Problem, die Anlage von Siemens im Keller macht’s möglich. Schwankungen beim Wind- oder Sonnenstrom gehören der Vergangenheit an.

Welche Unternehmen in Europa am meisten forschen
Platz 10 - EADS - 3,63 Milliarden Euro Forschungsausgaben im Jahr 2012Der europäische Rüstungsriese soll bald den Namen seiner zivilen Luftfahrttochter Airbus annehmen. In Sachen Forschung und Entwicklung ist das Unternehmen vorne mit dabei. Die treibstoffsparende Airbus A350 XWB Ende 2014 auf den Markt kommen und zum Verkaufsschlager werden.Quelle: EU-Kommission Quelle: dpa
Platz 9 - Ericsson - 3,86 Milliarden Euro ForschungsausgabenDie Handyproduktion liegt mittlerweile komplett in der Hand von Sony, doch als Netzwerkausrüster ist der schwedische Konzern noch aktiv. Ericsson-Chef Hans Vestberg investiert dafür massiv in die Zukunft. Quelle: dpa
Platz 8 - BMW - 3,95 Milliarden Euro ForschungsausgabenDer deutsche Premiumautohersteller hat massiv in die Entwicklung des Elektroautos i3 investiert und will die Submarke um weitere Modelle erweitern. Die Forschungsausgaben sind damit europaweit in der Spitzengruppe. Quelle: REUTERS
Platz 7 - Nokia - 4,17 Milliarden Euro ForschungsausgabenDen Trend zum Smartphone haben die Finnen verschlafen. Mit massiven Investitionen in der Entwicklungsabteilung will Nokia-Chef Stephen Elop die Nutzer zurückgewinnen. Quelle: REUTERS
Platz 6 - GlaxoSmithKline - 4,23 Milliarden Euro ForschungsausgabenIn der Londoner Zentrale des Pharmariesen, zu dem auch Corega und Odol gehört wird kräftig geforscht. Nur ein Pharmakonzern in Europa gibt mehr Geld für die Entwicklung aus. Quelle: REUTERS
Platz 5 - Siemens - 4,57 Milliarden Euro ForschungsausgabenDer neue Chef Joe Kaeser will den Industrieriesen aus München wieder zurück auf die Erfolgsspur führen - und verfügt dafür über einen der größten Forschungsetats Europas. Quelle: dpa
Platz 4 - Sanofi - 4,91 Milliarden Euro ForschungsausgabenDer forschungsstärkste Pharmakonzern Europas kommt aus Frankreich und ist seinen Beinamen Aventis mittlerweile wieder los. Weltweit beschäftigt das Unternehmen über 100.000 Mitarbeiter. Quelle: dpa

Deutschland 2030 – so oder ähnlich stellen sich hiesige Konzerne die Welt spätestens in einem Vierteljahrhundert vor. Oft abseits der Zentralen haben Unternehmen wie Evonik in Marl im Ruhrgebiet oder die Deutsche Post in Troisdorf bei Köln Zukunftswerkstätten eingerichtet. Hier tüfteln Forscher an Technologien, die Verbrauchern und Unternehmen Möglichkeiten eröffnen, die heute vielfach noch wie Fantasterei erscheinen.

Flucht nach vorne

Die Angst geht um in deutschen Chefetagen, dass bisher nur ansatzweise bekannte Technologien jahrzehntelang Bewährtes plötzlich wegfegen könnten wie einst die Speicherplatten in Fotokameras die Farbfilme oder Digitalanzeigen die Quecksilber- oder Alkoholröhren im Fieberthermometer.

Denn klar ist: Von der einen heutigen zur anderen künftigen Technologie gibt es keinen Weg, keine schrittweise Entwicklung, sondern nur den totalen Bruch, weshalb solche Veränderungen auch disruptiv heißen.

von Dieter Dürand, Andreas Menn, Jürgen Rees, Oliver Voß

Dabei geht es für die Unternehmen um nichts weniger als das eigene Überleben. Denn US-Konzerne wie Google oder Amazon bedrohen Player in Branchen, in denen die US-Giganten gar nicht zu Hause sind.

Amazon hat Drohnen präsentiert zur Zustellung von Päckchen, ein Angriff auf Unternehmen wie die Post? Google arbeitet am selbstfahrenden Auto, werden VW, BMW und Co. dadurch irgendwann einmal Zulieferer des Internet-Giganten? Es gehe schlicht darum, die „Welt zu verändern“, sagt Google-Gründer Larry ­Page ganz unbescheiden.

Spätestens der Knockout für den einstigen Handy-Weltmarktführer Nokia durch Apple und die Smartphones anderer Hersteller hat die deutschen Konzerne Zukunftsabteilungen gründen lassen, die mit schicken Namen wie „Corporate Foresight“ oder „Strategic Foresight“ daherkommen, um Zukunft zu üben.

Experten unterschiedlicher Disziplinen vom Ingenieur über den Naturwissenschaftler bis zum Philosophen wagen sich oft in Zusammenarbeit mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen teilweise Jahrzehnte voraus. Sie erstellen Studien und Reports zu „China 2037“ oder den „Trendradar Logistik“, erarbeiten kühne Ideen und füttern Kollegen aus Fachabteilungen damit.

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