
Vor den schicken 3-D-Druckern in der Filiale der Deutschen Post bilden sich lange Schlangen. Denn es ist Montag, und die Kunden wollen ihre Online-Bestellung vom Wochenende abholen – Modeschmuck, ein Ersatzteil für den Staubsauger, den kleinen Buddha als Geschenk für die gestresste Freundin. Nur noch die Alten erinnern sich, dass früher Postboten das nach Hause brachten. Heute drucken sich die Leute solche Artikel aus.
Plastik aus Erdöl – längst vorbei. Stattdessen züchtet der Essener Chemiekonzern Evonik Kunststoffe mithilfe von Bakterien.
Und Wind speichern für den Fall, dass Flaute herrscht und der Strom nur von Rotoren draußen auf dem Feld kommt, die jetzt aber stillstehen? Kein Problem, die Anlage von Siemens im Keller macht’s möglich. Schwankungen beim Wind- oder Sonnenstrom gehören der Vergangenheit an.





Deutschland 2030 – so oder ähnlich stellen sich hiesige Konzerne die Welt spätestens in einem Vierteljahrhundert vor. Oft abseits der Zentralen haben Unternehmen wie Evonik in Marl im Ruhrgebiet oder die Deutsche Post in Troisdorf bei Köln Zukunftswerkstätten eingerichtet. Hier tüfteln Forscher an Technologien, die Verbrauchern und Unternehmen Möglichkeiten eröffnen, die heute vielfach noch wie Fantasterei erscheinen.
Flucht nach vorne
Die Angst geht um in deutschen Chefetagen, dass bisher nur ansatzweise bekannte Technologien jahrzehntelang Bewährtes plötzlich wegfegen könnten wie einst die Speicherplatten in Fotokameras die Farbfilme oder Digitalanzeigen die Quecksilber- oder Alkoholröhren im Fieberthermometer.
Denn klar ist: Von der einen heutigen zur anderen künftigen Technologie gibt es keinen Weg, keine schrittweise Entwicklung, sondern nur den totalen Bruch, weshalb solche Veränderungen auch disruptiv heißen.
Amazon hat Drohnen präsentiert zur Zustellung von Päckchen, ein Angriff auf Unternehmen wie die Post? Google arbeitet am selbstfahrenden Auto, werden VW, BMW und Co. dadurch irgendwann einmal Zulieferer des Internet-Giganten? Es gehe schlicht darum, die „Welt zu verändern“, sagt Google-Gründer Larry Page ganz unbescheiden.
Experten unterschiedlicher Disziplinen vom Ingenieur über den Naturwissenschaftler bis zum Philosophen wagen sich oft in Zusammenarbeit mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen teilweise Jahrzehnte voraus. Sie erstellen Studien und Reports zu „China 2037“ oder den „Trendradar Logistik“, erarbeiten kühne Ideen und füttern Kollegen aus Fachabteilungen damit.