Zwischen Recycling und Import Das US-Dilemma um die Kohlenasche

Kohlenasche gilt als Abfallprodukt. Aufbereitet kann sie aber ein wertvoller Rohstoff für Beton oder für den Straßenbau sein. In den USA setzt ein Umdenken ein: Recycling ist günstiger als das Abladen auf einer Deponie.

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Mit der in der Anlage aufbereiteten Asche wurde unter anderem das Milwaukee Art Museum gebaut. Quelle: AP

Richmond Die Container mit Kohlenasche im Hafen von Virginia kommen aus China, Polen oder Indien. Ausländische Firmen haben einen Markt gefunden für die Substanz, die bei der Verbrennung von Kohle entsteht. US-Unternehmen tun sich damit noch schwer. Kritiker sehen das als verpasste Chance. Denn die Asche kann wertvoller Rohstoff sein, etwa im Straßenbau, für Beton oder Wandplatten. Sie fordern Recycling jener Kohlenasche, die schon da ist – und die eine ernste Umweltgefahr werden kann.

„Wir haben Millionen von Tonnen hier entlang unserer Flussufer“, sagt der Aktivist Travis Blankenship, ehemaliger Manager der Umweltschutzgruppe Virginia League of Conservation Voters. „Warum um alles in der Welt sollen wir die Kohlenasche dann aus anderen Staaten und Ländern importieren?“

Weil die USA weniger Strom aus Kohle erzeugen, ist der Nachschub an frischer Kohlenasche zurückgegangen. Die Industrie muss sich anderweitig versorgen. Einige lassen sich aus dem Ausland beliefern. Andere überlegen, wie sie alte Asche, die vor Jahren in Gruben und Tümpeln abgeladen wurde, wieder aufbereiten können.

Kohlenasche ist ein Oberbegriff. Er umfasst die Schlacke, die bei Verbrennung entsteht, dazu die pulverartige Flugasche, die etwa in Kaminen zu finden ist, und den synthetischen Gips, ein Nebenprodukt von Kohlekraftwerksabgasen. Diese Materialen sind meist relativ preiswert direkt bei den entsprechenden Unternehmen zu erhalten. Wenn sie jahrzehntelang unter der Erde oder unter Wasser lagen, sind sie deutlich teurer. Deswegen können sich Importe lohnen, wenn der Nachschub knapp wird.

US-weit gibt es mehr als 1100 Kohlenasche-Deponien. Im Jahr 2014 bezeichnete die Umweltbehörde EPA den Stoff als ungefährlich, auch um ein Stigma zu vermeiden, das eine angemessene Aufbewahrung und Wiederaufbereitung behindert, wie die EPA einräumte. Sie betonte jedoch auch, dass dieses Abfallprodukt mit Schwermetallen wie Arsen, Quecksilber oder Blei angemessen behandelt werden müsse, um Gesundheitsgefahren für den Menschen auszuschließen.

Inzwischen hat Kohlenasche einen wirklichen Wert und die Technologie, sie aufzubereiten, wird immer häufiger eingesetzt. „Wir können das Material, das eine Umweltbelastung wäre, nehmen und in etwas verwandeln, was einen wirklichen Nutzen hat“, sagt Jimmy Knowles von der SEFA Group, die mit Partnern in South Carolina und Maryland sowohl alte wie neue Asche aufbereitet. Mitbewerber Separation Technologies tut das Gleiche.

Recycling-Firmen sehen langfristige Einsparungen, weil die Deponien nicht mehr in Stand gehalten und beobachtet werden müssen. Betonhersteller könnten ihre Produkte günstiger und haltbarer machen, wenn sie einen Teil des Zements durch Kohlenasche ersetzen würden.


„Wir haben einen Engpass“

In Virginia kommt Flugasche vor allem bei Bauprojekten der Verkehrsbehörde zum Einsatz. Doch die Ascheproduktion ist seit etwa 2008 zurückgegangen, wie der amerikanische Kohlenasche-Verband (ACAA) erklärt. „Ganz klar, wir haben einen Engpass. Es ist schwierig, unsere Verpflichtungen zu erfüllen“, sagt Morgan Nelson vom Zementhersteller S.B. Cox.

Nachdem der demokratische Senator Scott Surovell von Kohlenasche-Importen erfahren hatte, wollte er Dominion, den größten Produzenten von Kohlenasche in Virginia, dazu verpflichten, einen Mindestanteil davon jedes Jahr zu recyceln. Der Vorstoß scheiterte. Aber eine andere Maßnahme aus dem Paket überlebte und erhielt gerade einen Schub vom demokratischen Gouverneur Terry McAuliffe. Demnach sollen Unternehmen künftig offenlegen, wie sie mit ihrer Asche umgehen und welche Pläne sie für das Recycling haben.

Die republikanische Mehrheit im Parlament hatte das zunächst abgelehnt, doch McAuliffe setzte den Passus wieder in Kraft und legte ihn den Abgeordneten in überarbeiteter Form erneut vor. Solche Informationen müssten vor einer Genehmigung bekannt gemacht werden, um das öffentliche Vertrauen wiederherzustellen, lautete seine Begründung.

Dominion hat nach eigenen Angaben 31 Prozent der frischen Kohlenasche im vergangenen Jahr recycelt. US-weit waren es im Schnitt 52 Prozent, wie die Kohlenasche-Vereinigung ACAA berichtet. Wie viel Kohlenasche genau aus dem Ausland kam, wird derzeit erfasst.

Mindestens ein Unternehmen – WE Energies in Wisconsin – kommt auf eine Aufbereitungsquote von 100 Prozent. Mit der Flugasche wurde unter anderem das Milwaukee Art Museum gebaut, die Schlacke wurde im Straßenbau verwendet und der Gips als Zusatzstoff für Böden.

„Wir waren sehr gut darin, Deponien zu bauen und sie aufzufüllen“, sagt Bruce Rammey vom Mutterkonzern WEC Energy Group. Doch schon in den 80er Jahren sei man zu der Einsicht gelangt, dass Recycling langfristig billiger ist. Und trotzdem hat WE Energies seine Altlasten noch nicht aufgearbeitet. Im Jahr 2011 rutsche ein Hang bei einem Kraftwerk bei Milwaukee ab und Erdreich, Kohlenasche und anderer Abfall gelangte in den Michigan-See.

Auch deswegen fordern Umweltschützer, dass nicht umfriedete Deponien abgetragen werden müssten und die nicht recycelte Asche in künstlich eingegrenzte Anlagen umgelagert werden müsse. Recycling „würde das Kohlenasche-Problem nicht lösen“, sagt Aktivist Blankenship. „Aber es würde es auf jeden Fall voranbringen.“

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