Innovation im Tech-Sektor Die nächsten Revolutionen kommen aus China

Peking will den chinesischen Firmen Innovation verordnen. Beim Deutschland-Besuch will sich Premier Li die Ideen der Industrie 4.0 abschauen. Aber China selbst zeigt: Gute Ideen florieren da, wo sich der Staat raushält.

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Bei der Herstellung technischer Produkte holen chinesische Firmen rasant auf. Quelle: AP

Ordos In der gelbbraunen Wüstenlandschaft um die Stadt Ordos in der Inneren Mongolei wirken die weißen Fabrikgebäude wie Fremdkörper. Durch die karge Gegend führen frisch gebaute Teerstraßen in ein modernes Industriegebiet. „Noch kennt uns kaum jemand, aber das wird sich bald ändern“, sagt die Sprecherin der BOE Technology Group.

BOE ist auf die Herstellung von Displays spezialisiert. Über Jahre verkaufte die 1993 gegründete Firma ihre Produkte an Hersteller wie Samsung. Jetzt aber will sie sich unter eigenem Namen etablieren. Die Sprecherin führt durch eine Ausstellungsfläche im Erdgeschoss des Firmengebäudes und präsentiert den ersten selbst produzierten Fernseher, ein Display, das sich über das ganze Armaturenbrett in einem Auto erstrecken soll, sowie ein Display für einen Kühlschrank, mit dem man künftig Essen online bestellen kann.

Firmen wie BOE stehen für einen grundlegenden Wandel in der zweitgrößten Volkswirtschaft. China ist die Fabrik der Welt. 90 Prozent der Smartphones, 80 Prozent der Computer und 60 Prozent der Fernseher werden in Fernost hergestellt. Künftig sollen die Firmen in China jedoch nicht nur Zulieferer sein, sondern selbst hochwertige Produkte entwickeln.

Die Planungsbehörden und Ministerien in Peking arbeiten seit Jahren an Förderprogrammen. „Die Reform der Angebotsseite ist unser Leitprinzip“, erklärte kürzlich Industrieminister Miao Wei. Ausländische Firmen sollen Fachwissen liefern, damit chinesische Betriebe lernen können.

Doch die größten Erfolge können Firmen in China ausgerechnet in Bereichen verzeichnen, in denen sich der Staat weitgehend raushält. China biete hervorragende Bedingungen für aufstrebende Unternehmen, sagt Edward Tse, Chef der Unternehmensberatung Gao Feng Advisory. „Nicht in den USA, sondern in China kündigen sich die nächsten Produktrevolutionen an“, ist Tse überzeugt, der ein Buch über innovative Firmen in der Volksrepublik geschrieben hat.


Das Smartphone ersetzt die Geldbörse

Eigentlich ist Chinas Finanzsektor notorisch starr reguliert. Große Staatsbanken dominieren das Geschäft. Aber junge Internetfirmen nutzen ihre Chance. Fernab mächtiger Staatsbetriebe haben sie ein System digitaler Bezahlmöglichkeiten etabliert. In Großstädten ersetzt das Smartphone die Geldbörse.

Die vielversprechendste ist der Finanzarm des Handelskonzerns Alibaba, der den digitalen Bezahldienst Alipay betreibt. Mit mehr als 450 Millionen Kunden zählt die Plattform etwa so viele Nutzer, wie Europa an Einwohnern hat. Sie bringen es auf ein Transaktionsvolumen von umgerechnet 800 Milliarden Euro – jeden Tag.

Doch auch bei der Herstellung technischer Produkte holen chinesische Firmen rasant auf. Fast die gesamte Herstellungskette von Smartphones, Computern und Fernsehern hat sich über die vergangenen Jahre nach China verlagert. Das wichtigste Zentrum ist die südchinesische Provinz Guangdong. Entwickler in der Region habe die Chance, innerhalb von Wochen Prototypen ihrer neuen Produktideen zu testen, während das in den USA und Europa Monate dauert.

Aus diesem Mikrokosmos ist eine Reihe chinesischer Smartphone-Hersteller hervorgegangen. Das 2010 gegründete Start-up Xiaomi machte den Anfang. Heute folgen Firmen wie Vivo und Oppo dem Vorbild. Und auch der Netzwerkausrüster Huawei ist seit einigen Jahren zur Herstellung von Produkten für Endkunden übergegangen.

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