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Insolvenz Karmann hofft auf VW

Der insolvente Autozulieferer und Auftragsfertiger Karmann fiebert seiner möglichen Rettung entgegen. Doch die Zeit ist knapp und ein Zuschlag für VW alles andere als sicher.

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Hat Karmann eine Zukunft? Quelle: dpa

Für die meisten Karmann-Mitarbeiter  wird es ohnehin nur ein schwacher Trost sein: Rund 700 Mitarbeiter werden noch Ende dieser Woche  ihre Kündigung erhalten.

Dann wird der insolvente Autozulieferer, der einstmals weltweit rund 10000 Menschen beschäftige, nur noch 800 Beschäftigte haben. Ihre Zukunft wird sich daran entscheiden, ob der Volkswagen-Konzern Karmann in letzter Minute übernimmt, doch das ist mit etlichen Fragezeichen versehen.

Noch ist weder klar, ob die Eigentümerfamilien das Angebot des VW-Konzerns, das im niedrigen zweistelligen Millionenbereich liegen soll, annehmen. Genauso wenig klar ist, was VW eigentlich mit Karmann vorhat.

Will Wolfsburg Karmann wirklich als verlängerte Werkbank nutzen und künftig in Osnabrück Fahrzeuge produzieren? Oder will VW damit dem Karmann-Konkurrenten Magna einen Warnschuss verpassen nach dem Motto: Wenn Ihr Opel übernehmt, bauen wir unseren eigenen Auftragsfertiger auf?

Oder ist es am Ende ein Geschenk an den niedersächsischen Ministerpräsident Christian Wulff,  der seinen Wahlkreis in Osnabrück hat und mit dessen Unterstützung VW den Angriff von Porsche  nicht nur abwehren, sondern den Sportwagenhersteller  schließlich auch in den Konzern einverleib en konnte?

Der Einstieg von VW wäre das Ende einer rund 60 Jahre währenden Beziehung zwischen dem Volkswagen-Konzern und dem Osnabrücker Zulieferer, die in den vergangenen Jahren merklich abgekühlt war : Am 30. November 1949, also fast auf den Tag genau vor 60 Jahren, lief bei Karmann in Osnabrück das erste Käfer Cabriolet vom Band. 

Jahrzehntelang war das 1901 als Kutschenfabrik gegründete Familienunternehmen eine Art Hauslieferant für den VW-Konzern. 

Hier entstand  nicht nur der legendäre Karmann Ghia, sondern auch das Golf Cabriolet ; später wurden der VW Scirocco und Corrado in Osnabrück bzw. im Zweigwerk Rheine montiert. Doch in jüngerer Zeit ging Karmann bei der Auftragsvergabe immer häufiger leer aus -- im Februar 2009 endete in Rheine die Propduktion des Audi A4-Cabrio , des vorläufig letzten Produkts aus dem VW-Konzern. Mal hieß es, das kleine Audi A3 Cabriolet könnte bei Karmann entstehen, ehe sich der Konzern entschloss, es doch lieber selbst zu machen. Dann hieß es, das Modell Boxster des VW-Großaktionärs Porsche könnte in der nächsten Fahrzeuggeneration nach Osnabrück gehen .  Doch  der damalige Porsche -Chef Wiedeking  entschied sich schließlich für den Konkurrenten Magna.

Theoretisch könnte Karmann wieder im Porsche-Auftrag fertigen

Die Ursachen dafür sind nie öffentlich ausgetauscht worden, doch zumindest im Fall Porsche ist für Insider ziemlich klar: An einem Patentrechtsstreit zwischen Stuttgart und Osnabrück um das Verdeck des Porsche Boxster.

Der seit 1996 produzierte Boxster nutzte eine so genannte Z-Faltung, wie Karmann sie schon 1991 beim Konzeptauto Idea präsentiert hatte. Zum Patentrechtsstreit kam es jedoch erst Ende der Neunziger Jahre, nachdem Porsche Karmann schriftlich aufgefordert hatte, zuzusichern, dass man für den Faltmechanismus auch künftig keine Ansprüche erheben werde. 

Porsche unterlag vor Gericht, seither war das Tuch zwischen dem damaligen Porsche-Chef Wendelin Wiedeking  und dem langjährigen Porsche-Geschäftsführer Rainer Thieme zerschnitten. Angeblich soll auch der VW-Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piech in Folge dessen böse auf die Osnabrücker gewesen sein. Fakt ist jedenfalls: Porsche-Aufträge gab es seit damals keine mehr. Und das, obwohl Karmann und Porsche eine lange Tradition verband. So hatte Karmann den heutigen Klassiker 914 gefertigt und auch den Nachfolger des Porsche 944 mit der Modellbezeichnung 968.

Nun scheint wieder Leben in die ausgekühlte Beziehung zu kommen.

Theoretisch könnte Karmann nun auch wieder im Porsche-Auftrag Fahrzeuge fertigen.

Das Klima habe sich nach Wiedekings Abgang wieder schlagartig verbessert : So hat Volkswagen kürzlich einen Auftrag zur Entwicklung eines Elektroautos nach Osnabrück vergeben. Theoretisch könnte  bei Karmann auch die eigentlich dem Konkurrenten Magna zugesagte nächste Generation des Porsche Boxster  entstehen sowie der geplante kleine VW Roadster "Concept Blue" (von dem es ein Porsche-Schwestermodell geben soll) . Doch der  neue Boxster kommt erst 2012 , der neue VW Roadster nicht vor 2013. Was in der Zwischenzeit etwa mit der teuren Karmann-Lackieranlage passieren sollte, ist unklar.

Falls VW die Anlage ohne größere Investitionen weiter verwenden will, müssten nach Aussagen von Insidern schon im November neue Fahrzeuge dort lackiert werden. Die Anlage herunter- und irgendwann wieder hochzufahren, würde dagegen Millionen kosten.

Die Lackieranlage, die dereinst für 125 Millionen Euro angeschafft wurde, könnte auch ausschlaggebend dafür sein, ob sich die Eigentümerfamilien von Karmann mit dem Angebot arrangieren können. Denn sie plagen noch Schulden in zweistelliger Millionenhöhe aus dem Kauf der Anlage.

Können sie diese nicht bezahlen, dürften die Chancen sinken. Das wäre dann auch eine Niederlage für den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff.

Zu gern, das darf wohl getrost angenommen werden, würde der sich nach der Rettung von VW auch für die Rettung von Karmann feiern lassen.

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