Insolvenzen Karstadt: Wie Klaus Hubert Görg um seinen letzten Fall kämpft

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13 Karstadt-Filialen mussten im Rahmen der Insolvent bereits schließen Quelle: dpa

Seit Görg das Kommando übernommen hat, tagen die Abgesandten der wichtigsten Gläubigergruppen alle paar Wochen im Rittersaal, um sich vom Insolvenzverwalter und seinen Leuten auf den aktuellen Stand bringen zu lassen. Mit dabei sind rund 20 Leute, darunter der Chef der Essener Arbeitsagentur Luidger Wolterhoff und der Düsseldorfer Rechtsanwalt Frank Kebekus, selbst Insolvenzverwalter und Vertreter des Immobilienkonsortiums Highstreet. Görg trägt „in seiner nüchternen Art“ die Fakten vor, anschließend stellt die Runde Fragen, erzählt ein Teilnehmer. Handfesten Streit gebe es so gut wie nie.

Kein Wunder. Anders als in anderen Verfahren sind die Interessen der Gläubiger ähnlich gelagert. Sie alle profitieren am meisten, wenn möglichst viele Karstadt-Filialen überleben. Für Görg war die Situation damit einerseits einfach. Für seine Grundidee, das Unternehmen fortzuführen, musste er nicht lange kämpfen.

Andererseits traf ihn der geballte Widerstand der Kerngläubiger, der Arbeitnehmer und Vermieter, sobald es um die Schließung einzelner Filialen ging. Görgs Einschnitte blieben denn auch übersichtlich. 13 Häuser wurden dichtgemacht, 900 Mitarbeiter in den Filialen und 125 in der Hauptverwaltung sollen bis September 2010 gehen. Zudem werden die Beschäftigten im Rahmen des Insolvenzplans auf rund 150 Millionen Euro verzichten. Die Immobilienbesitzer sind mit mehr als 200 Millionen Euro dabei.

Finanzinvestoren üben Kritik an Görg

Finanzinvestoren geht das nicht weit genug. Statt das Verfahren zu nutzen, um den Verwaltungsapparat zu schleifen und sich von allen unrentablen Häusern zu trennen, betreibe Görg „bestenfalls Stückwerk“, ätzt ein Private-Equity-Mann. Wie bei Quelle hätten Görg und sein Warenhaus-Beauftragter Rolf Weidmann die Chance vertan, zuerst mit möglichen Kaufkandidaten zu sprechen und dann das Unternehmen passgenau zurechtzuschneiden. Stattdessen gelte durch den Insolvenzplan nun ein Friss-oder-stirb-Prinzip.

Investoren können nicht für einzelne Karstadt-Häuser bieten, sondern nur alle 120 Filialen im Block kaufen und müssen diese mindestens bis Herbst 2011 betreiben. Daran sind die Zugeständnisse der Gläubiger geknüpft. Die Begeisterung über Görgs Vorgaben hält sich bei den Kaufinteressenten denn auch in Grenzen.

In der Gunst der Karstadt-Mitarbeiter ist der Insolvenzverwalter – anders als sein Team – im Laufe des Verfahrens dagegen gestiegen. Als „Grandseigneur“ gilt der knorrige ältere Herr inzwischen in Essen. Wird er auf den Fluren der Zentrale gesichtet, dann stets mit korrekt geknoteter Krawatte und Einstecktuch im dunklen Anzug. Er grüße allerorten, schaue auch mal kurz bei den Sekretärinnen ins Büro und reihe sich Mittags artig in die Kantinenschlange ein. An der Kasse verzichte er für seinen Eintopf auch noch auf den Mitarbeiterrabatt, heißt es leicht irritiert im Haus. Anfangs hatte man anderes erwartet.

Görg wirkt zu Beginn wie ein Statist

Am Morgen des 10. Juni 2009 fielen Görgs Leute in die Hauptverwaltung ein. Dutzende Anwälte und Kanzlei-Mitarbeiter bahnten sich ihren Weg in die dritte Etage, wo die Führungskräfte residieren. Manager mussten ihre Büros räumen, um Platz zu schaffen für die neuen Herren. Selbst das Diensthandy eines Mitarbeiters aus der zweiten Ebene sei kurzerhand konfisziert worden, weiß der Flurfunk zu berichten. Görg selbst quartierte sich in dem kleinen, aber küchen- und toilettenahen Büro des früheren Aufsichtsratschefs Friedrich Carl Janssen ein.

Tags zuvor hatte das Amtsgericht Essen das Insolvenzverfahren über das Krisenreich des Arcandor-Konzerns samt der Töchter Karstadt und Quelle eröffnet. Görg war zum vorläufigen Verwalter im größten Insolvenzkomplex der deutschen Wirtschaftsgeschichte bestellt worden – und doch wirkte er damals eher wie ein Statist.

Am Nachmittag des 9. Juni trat zuerst der damalige Konzernchef Karl-Gerhard Eick vor die Mikrofone. Anschließend sprach der Düsseldorfer Insolvenzexperte Horst Piepenburg, den Eick kurz zuvor zum Generalbevollmächtigten ernannt hatte. Nach einer halben Stunde durfte Görg ran und revanchierte sich mit der knatschigen Eröffnung, es sei heute schon sehr viel gesagt worden, „auch viel Richtiges“ – mit Betonung auf dem Wörtchen „auch“.

Zu jenem Zeitpunkt agierte Görg weniger als Insolvenzverwalter denn als gerichtlich bestellter Aufpasser für Eick und Piepenburg. Schon Wochen zuvor hatten sich die beiden in der Düsseldorfer Dependance der Unternehmensberatung Roland Berger getroffen, um dort im Geheimen ein Notfallkonzept für die Insolvenz auszuarbeiten.

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