Insolvenzen Wie Insolvenzverwalter um lukrative Mandate kämpfen

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Deutschlands größten Insolvenzen und ihre Verwalter

Trotz des höchstrichterlichen Spruchs haben viele Gerichte die Listen ihrer zugelassenen Insolvenzverwalter nur minimal geöffnet. „De jure halten sich die Gerichte zwar an die Vorgaben“, sagt InDat-Report-Macher Schmidt. „Aber wir sehen keinen Anlass, unsere jährlichen Listen der closed und open shops aufzugeben.“ Es ist spät geworden an diesem Dienstagabend. Richter Vallender und die vier weiteren Insolvenzrichter des Kölner Amtsgerichtes haben stundenlang Bewerbergespräche mit Verwaltern geführt, die sich um die Zulassung am Insolvenzgericht in Köln beworben haben. „Unser Assessment-Center“, nennt Vallender die Prozedur, die er den Auswahlverfahren für Führungskräfte in der freien Wirtschaft angepasst hat. In seinem grauen Dreiteiler wirkt der schmalgesichtige Jurist, der sich als „preußischer Rheinländer“ bezeichnet, eher wie ein englischer Lord.

Über die Jahre hat sich der 58-Jährige den Ruf des Nestors unter den deutschen Insolvenzrichtern erworben – vergleichbar dem Heidelberger Jobst Wellensiek aufseiten der Verwalter. In seinem Beritt hat Vallender für größtmögliche Transparenz gesorgt. Die Richter besprechen gemeinsam Bewerber für Bewerber durch. Die Entscheidung wird begründet, Ablehnungen dem Bewerber vorgetragen, der diese auch vor Gericht anfechten kann. In den großen Gerichten haben Verwalter, die auf Beziehungsmarketing setzen, denn auch wenig Chancen. „Bei uns ist es verpönt, sich auf den Gerichtsfluren zu tummeln“, sagt der Kölner Insolvenzverwalter Andreas Ringstmeier, „und hier in Köln wie auch in vielen anderen Orten wäre ein solches Verhalten ein K.-o.-Kriterium.“

Bei produzierenden Unternehmen zählt jede Stunde

Arbeitsplatzverluste durch insolvente Unternehmen

Ein Problem kann Vallender mit seinem Auswahlverfahren jedoch nicht lösen: Wenn ein Unternehmen den Bach heruntergeht und die Anmeldung zur Insolvenz auf seinem Schreibtisch landet, muss er den Verwalter innerhalb kurzer Zeit auswählen. Vor allem bei produzierenden Unternehmen zählt jede Stunde. „Und ich kann an ein großes Unternehmen nicht einen Verwalter setzen, der bisher nur Handwerksbetriebe betreut hat“, sagt Vallender.

Legen die Richter ihren Ehrgeiz darin, als „open shops“ zu gelten, um sich nicht dem Vorwurf der Intransparenz auszusetzen, müssen sie viele kleine Verwalter in ihre Liste aufnehmen. Dabei bleibt die Übersicht und oft auch die insolvenzrechtliche Kompetenz der Sequester auf der Strecke. „Wenn die Liste zu lang wird, haben die einzelnen Verwalter kaum noch eine Chance, hinreichend Mandate zu bekommen“, sagt Thomas Wehr, Leiter des Hamburger Insolvenzgerichtes. Von den 180 Insolvenzgerichten seien 150 zu viel, heißt die Standardklage der Branche. In vielen Bundesländern erledigen Richter, die auch mit Zivil- oder Familiensachen befasst sind, das Insolvenzgeschäft nebenher. Gerade bei kleinen Gerichten suchen die Verwalter die Nähe der Richter. „Und vielfach haben die Richter weder Zeit noch die Kompetenz, die Kandidaten genau zu prüfen.“

Denn es gibt große Qualitätsunterschiede. Die oberste Liga bilden die Mitglieder des renommierten Gravenbrucher Kreises, ein Club von 23 Top-Verwaltern. Dazu gehören neben Wellensiek etwa der Düsseldorfer Großverwalter Horst Piepenburg oder der Verwalter des Chipbauers Qimonda, Michael Jaffé. In der untersten Klasse finden sich Verwalter, die nur ein kleines Verfahren pro Jahr abwickeln.

Um Licht ins Dunkel zu bringen, hat der ehemalige Insolvenzrichter Hans Haarmeyer, heute Professor für Wirtschaftsrecht am RheinAhrCampus-Remagen, ein Insolvenzverwalter-Rating namens Zertrate mit mehr als 40 Kriterien entworfen: von der Zahl der geretteten Arbeitsplätze über die Dauer der Verfahren bis zur Ausschüttungsquote für die Gläubiger. Das Instrument ist in der Branche umstritten. „Die Leistung eines Insolvenzverwalters ist äußerst komplex“, sagt Verwalter Ringstmeier, „hohe Standards sind richtig und wichtig, die Qualität lässt sich aber nur mit methodischen Einschränkungen messen.“

Immerhin haben sich schon knapp 140 Verwalter dem Test unterzogen, darunter Branchengrößen wie Michael Pluta aus Ulm oder die Kanzleien Klaas aus Krefeld und HWW aus Hamburg. Das Rating förderte erhebliche Unterschiede zu Tage: Die besten 53 Kanzleien erzielten eine Ausschüttungsquote von 14 Prozent, der Durchschnitt liegt bei vier Prozent. Und die Top-Verwalter konnten 65 Prozent der fortgeführten Betriebe sanieren, im Durchschnitt lag die Erfolgsquote bei 18 Prozent.

Das Rating ist ebenso wie der Richterspruch des Bundesverfassungsgerichtes ein Element zur Erneuerung der Konkursbranche. „Die Zeit des Mauschelns ist vorbei“, sagt ein Verwalter aus Bayern, „aber das ist das Beste, was uns passieren kann.“

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