Ion Tiriac Gold im Teich

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Bei den Kanzlern Helmut Kohl und Gerhard Schröder fand er mit seinem Anliegen, deutsche Investitionen in Rumänien zu fördern, Gehör. Als „gerissen, aber fair“ bezeichnete ihn der Milchfabrikant Theo Müller. „Das ist einer, der teilt mit Ihnen selbst den letzten Tropfen Wasser“, sagt sein Jagdfreund Mangold. Störzüchter Schröder glaubt, den Grund für Tiriacs Popularität bei deutschen Managern und Politikern zu kennen: „Er hat viel von der deutschen Mentalität angenommen. Das weckt ihr Vertrauen.“ Für Überraschungen ist er dennoch jederzeit gut. Eine 25-jährige Studentin, die während eines Tennisturniers in Deutschland Anfang der Neunzigerjahre als VIP-Fahrerin jobbte und Tiriacs Drängen, ihn selbst ans Steuer zu lassen, mit frechem Humor abwehrte, stellte er spontan als Assistentin der Turnierleitung ein. Dass der charismatische Macher, der neben Rumänisch, Englisch und Deutsch auch Italienisch, Französisch und Ungarisch spricht, ein spendabler Star im Rampenlicht der Medien ist, hat seiner Beliebtheit auch nicht geschadet. Geschickt spielt er dabei mit der Eitelkeit von Managern. Von Tiriac zur Jagd gebeten zu werden, gilt in Rumänien-affinen Managerkreisen als Ritterschlag. Mit Tiriac auf die Pirsch gehen heißt, schnurstracks durch die Passkontrollen am Flughafen geleitet zu werden, mit dem Hubschrauber in Richtung Karpaten abzuheben und ungezwungen einflussreiche Menschen aus aller Welt kennen zu lernen. Den stellvertretenden Vorstandschef eines deutschen Mineralölkonzerns lockte Tiriacs Glanz so sehr, dass er sich unter dem Vorwand, man müsse doch mal über den Aufbau eines Tankstellennetzes in Rumänien sprechen, zur Jagd einladen ließ. Ein Zucken mit den Mundwinkeln war Tiriacs einzige Regung, als er von dem Schwindel erfuhr. Tiriacs Jagdleidenschaft ist legendär. Er besitzt eine Sammlung von 80 Gewehren und reist seit Anfang der Achtziger jedes Jahr zur Großwildjagd nach Tansania. Anfang 2005 handelte er sich Ärger ein, als er in seinem 11.000 Hektar großen Pachtrevier in Transylvanien eine schießfreudige Waidgesellschaft beherbergte. 185 tote Wildschweine an einem Wochenende waren die Bilanz – 155 mehr, als erlaubt. Mit dabei waren Mangold, Bergmann, Wolfgang Porsche, Prinz Max Emanuel von Thurn und Taxis und der ehemalige rumänische Premierminister Adrian Nastase. Tierschützer sprachen von einem „Massaker“. Tiriac federt aus seinem Sessel hervor und sagt „Hören Sie!“ Das sagt er oft, wenn ihn etwas nervt. „185? Dafür entschuldige ich mich. Wir hätten 300 schießen sollen.“ Der hohe Wildschweinbestand in der Gegend gefährde das ökologische Gleichgewicht, doziert er. Das rumänische Landwirtschaftsministerium war anderer Meinung. Es bemängelte, Tiriacs Pachtvertrag sei ohne ordentliche Ausschreibung zu Stande gekommen und erklärte ihn für ungültig.

Schon oft ist Tiriac ins Gerede gekommen. Das französische Wochenmagazin „Le Point“ verdächtigte ihn, 20 Millionen Euro für die Vermittlung eines rumänischen Staatsauftrags an EADS kassiert und damit den Wahlkampf von Ex-Premier Nastase unterstützt zu haben. „Eine erfundene Geschichte“, sagt Tiriac. Solche erschienen immer dann, wenn einflussreiche Politiker fürchteten, er werde für das Amt des Präsidenten kandidieren. Tiriacs Sohn „Ion Ion“ Alexandru Tiriac musste sich wegen Kokainbesitzes vor Gericht verantworten. Im September wurde er aus Mangel an Beweisen freigesprochen – weil Tiriac senior die Staatsanwaltschaft unter Druck gesetzt habe und Beweismaterial verschwunden sei, sagen Ermittler heute. Nun soll ein Berufungsgericht den Fall wieder aufrollen. Die rumänische Justiz steht unter Druck. Mitte Mai wird die EU-Kommission entscheiden, ob Rumänien 2007 der Union beitreten darf. Bis dahin muss Justizministerin Monica Macovei zeigen, dass sie erfolgreich gegen die Korruption vorgeht. Einer ihrer prominentesten Fälle ist der mit Tiriac befreundete Adrian Nastase. Der Politiker soll Auskunft über eine dubiose Erbschaft und einen auffallend preiswerten Grundstückskauf geben. Noch gilt Tiriac in seiner Heimat als einer der wenigen, die ihr Vermögen sauber erworben haben. Aber die Einschläge kommen näher. Der Netzwerker selbst bleibt gelassen: „Ich habe Herrn Nastase nicht gebraucht.“ Im Gegenteil, Nastase habe seine Kontakte in den Westen benötigt – was in Ordnung sei, denn es habe ausländische Investoren ins Land gebracht. Obwohl viele ihm den Reichtum neiden, rechnen die meisten Rumänen ihrem schillerndsten Unternehmer das unermüdliche Engagement für ihr Land hoch an. Und wenn der Plan aufgeht, mit Stören eine Aquakultur-Industrie von Dimensionen aufzubauen, wie sie Norwegen mit Lachsen erreicht hat, seien nochmal „zehntausende Arbeitsplätze“ drin, sagt Tirac. Trumpf im Teich soll der Albino-Sterlett werden, eine besonders seltene Störvariante. Schröders Verein, dem auch die Unternehmerin Britta Steilmann angehört, hat den Fisch in Gefangenschaft gezüchtet, um daraus den sündhaft teuren goldenen Zarenkaviar zu gewinnen. Wie der schmeckt, weiß Tiriac seit Langem. Vor rund 30 Jahren überreichte ihm der Schah von Persien eine Dose davon.

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